Tibialis-posterior-Syndrom
Synonyme: Tibialis-posterior-Dysfunktion, Tibialis-posterior-Tendinose
Englisch: posterior tibial tendon dysfunction(PTTD)
Definition
Das Tibialis-posterior-Syndrom, kurz PTTD, ist ein typischerweise progredient verlaufender Symptomenkomplex, der durch eine Degeneration der Sehne des Musculus tibialis posterior entsteht.
Epidemiologie
Frauen sind häufiger betroffen, das Geschlechterverhältnis beträgt etwa 3:1.
Pathogenese
Die Sehne des Musculus tibialis posterior hat eine biomechanisch relativ unvorteilhafte Lage am Innenknöchel. Unter noch nicht geklärten Bedingungen entsteht durch eine chronische Überlastung bzw. wiederholte Mikrotraumata eine schmerzhafte Reizung der Sehne, die anfänglich noch keine Kraftminderung oder Funktionsstörung des Muskels auslöst. Im weiteren Verlauf wird die Sehne dehiszent oder reißt gar.
Die Sehnen der Fibularismuskulatur auf der Außenseite des Knöchels bilden mit der Sehne des Musculus tibialis posterior ein Zügelsystem. Durch die Schwächung der Tibialis-posterior-Sehne gerät dieses aus dem Gleichgewicht, was eine Valgusstellung des Fersenbeins und einen verminderten Halt des Fußlängsgewölbes nach sich zieht. Unbehandelt kommt es zum Knick-Senkfuß bzw. später zum Knick-Plattfuß (Pes planovalgus), dessen häufigste Ursache die PTTD ist.
Zuweilen verändert sich auch das Os naviculare im Bereich des Ansatzes der Tibialis-posterior-Sehne und verlagert sich nach dorsal, kommt also dem Verlauf der Sehne entgegen. Der Calcaneus neigt sich nicht nur nach außen, sondern mit der Abflachung des Fußlängsgewölbes auch vorn nach unten, was die Arbeit des Musculus tibialis posterior erschwert und zur Verschlechterung der Symptomatik führt.
Wird diese Situation über längere Zeit nicht zumindest mit Einlagen behandelt, verändert sich auch das Gleichgewicht der Unterschenkelmuskeln, und es kommt zur kontrakten Stellung. Spontanheilung kommt kaum vor. Die Progredienz schließt sportliche Aktivitäten weitgehend aus.
Risikofaktoren
Risikofaktoren für ein Tibialis-posterior-Syndrom sind u.a.:
- Alter
- Übergewicht
- Neigung zum Knick-Senkfuß beim Laufen
- Achsenfehlstellungen im Kniegelenk (Genu varum, Genu valgum)
Symptome
Der Krankheitsverlauf ist interindividuell sehr unterschiedlich. Sehr häufig kann der Beginn der Erkrankung nicht genau angegeben werden. Ein klassisches Trauma mit Sehnenruptur liegt nur selten vor. Mögliche Symptome sind:
- Belastungsschmerzen
- Schwellung hinter dem Innenknöchel
- Schmerzen beim Laufen, vor allem auf unebenem Boden
- zunehmendes Gefühl der Instabilität des Fußes
Besteht zusätzlich eine Tendovaginitis, treten die Schmerzen rasch auf, die Sehne fühlt sich dann dick und geschwollen an.
Zu Beginn besteht meist noch keine Kraftminderung des Musculus tibialis posterior, im weiteren Verlauf kommt es zur Sehnenschwächung mit Funktionsstörungen. Die Fußfehlstellung ist zunächst noch manuell ausgleichbar, später ist sie fixiert. Bei einem Sehnenriss wird ggf. über ein plötzliches Abflachen des Fußlängsgewölbes berichtet.
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Bei der Untersuchung des Fußes zeigt sich ein prominenter medialer Malleolus und eine Rückfußvalgidität. Durch die leichte Abduktion des Fußes entsteht ferner ein Too-many-Toes-Zeichen. Der Zehenstand führ zu einer Auslösung von Schmerzen oder Schmerzverstärkung.
Entlang der Sehne des Musculus tibialis posterior lassen sich Druckschmerzen auslösen.
Der Single-Heel-Rise-Test ist auffällig. Normalerweise begradigt sich die Valgusstellung des Rückfußes mit Abheben der Ferse. Unterbleibt die Korrektur oder ist ein Abheben der Ferse unmöglich, ist die Tibialis-posterior-Sehne insuffizient oder bereits rupturiert.
Sonstige Diagnostik
- Pedobarographie (statische und kinetische Darstellung der Druckverhältnisse an der Fußsohle)
- Bildgebung: Sonographie (zeigt Entzündung), MRT, Röntgen (zeigt Knochenstellung)
Komplikationen
- Arthrose der distalen Fußgelenke
- Hallux valgus
- Hammerzehen
- Sehnenruptur
Therapie
Konservative Therapie
Die Therapie besteht zunächst aus weitgehender Schonung bzw. Ruhigstellung, bis eine schmerzfreie Belastung ermöglich ist. In der Akutphase können dazu begleitend NSAR gegeben werden.
Zur Unterstützung des Fußlängsgewölbes sind korrigierende Einlagen mit zusätzlicher Abfederung der Ferse und ggf. Sprunggelenksbandagen sinnvoll. Sie sollten in festen Schuhen (steife Sohle, hoher Schaft) getragen werden.
Eine begleitende Physiotherapie umfasst Dehnungs- und Kräftigungstraining. Zusätzlich kann eine Iontophorese erfolgen, für deren Wirksamkeit allerdings nur eine geringe Evidenz besteht.
Operative Therapie
Bei Versagen der konservativen Therapie ist häufig eine Operation notwendig. In Frage kommen stadienabhängig eine Osteotomie (Verschiebung, Verlängerung) oder Arthrodese.
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