NUT-Karzinom
Synonyme: NUT-Mittellinienkarzinom, Nuclear-protein-in-testis Mittellinienkarzinom, t(15;19)-Karzinom, aggressives t(15;19)-positives Karzinom
Englisch: NUT midline carcinoma, NUT carcinoma
Epidemiologie
Das NUT-Karzinom kann in allen Altersgruppen vorkommen, tritt jedoch bevorzugt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Die tatsächliche Häufigkeit des NUT-Karzinoms ist aufgrund der schwierigen Diagnose nicht bekannt. Es wird geschätzt, dass in Deutschland nur etwa ein neuer Fall pro Jahr diagnostiziert wird. Männer und Frauen sind dabei gleichermaßen betroffen.
Lokalisation
Die Tumoren sind in der Regel in der Körpermittellinie lokalisiert, am häufigsten im Kopf-Hals-Bereich (ca. 50 %) und im Mediastinum und Thorax (ca. 40 %).
Ätiologie
Das NUT-Karzinom entsteht durch chromosomale Translokationen, typischerweise auf Chromosom 15 und 19, bei der das NUT-Gen mit anderen Genen wie BRD4 (60 %) oder BRD3 fusioniert. Es kommt zur pathologischen Überexpression des BRD4-NUT- oder BRD3-NUT-Fusionsprotein.
Derzeit (2024) ist unklar, ob die Erkrankung mit exponierenden Faktoren wie Infektionen oder Tabakkonsum assoziiert ist.
Pathogenese
Die NUT-Fusionsproteine bewirken eine Veränderung der Chromatinstruktur durch die Bildung acetylierter Megadomänen. Diese Megadomänen rekrutieren in einem Feed-Forward-Mechanismus immer weitere NUT-Fusionsproteine und induzieren so die massive Acetylierung großer Chromatinregionen. Dies führt zur Aktivierung von Onkogenen wie c-Myc und SOX2, wodurch die zelluläre Differenzierung blockiert und die Proliferation der Tumorzellen gefördert wird.
Klinik
Das NUT-Karzinom zeigt klinisch eine sehr aggressive Verlaufsform mit einer raschen Metastasierung, am häufigsten lymphogen, gefolgt von ossären Metastasen. Die Patienten präsentieren sich meist erst in fortgeschrittenen Stadien mit Beschwerden wie Schmerzen und Luftnot, verursacht durch die Infiltration benachbarter anatomischer Strukturen.
Diagnostik
Die Diagnose des NUT-Karzinoms erfolgt durch den Nachweis der NUT-Fusionsproteine unter Verwendung immunhistochemischer Methoden oder durch den Nachweis der charakteristischen t(15;19)-Translokation mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH). Aufgrund des unspezifischen histologischen Erscheinungsbildes, das oft mit schlecht differenzierten Plattenepithelkarzinomen verwechselt wird, ist eine gezielte molekulargenetische Testung für die Diagnosestellung erforderlich.
Therapie
Die Therapie des NUT-Karzinoms gestaltet sich schwierig, es gibt bislang keine etablierten Behandlungsprotokolle. In der Regel wird eine Kombination aus Chemotherapie und Strahlentherapie angewendet, jedoch zeigt sich oft nur ein kurzzeitiger Erfolg. Bei Kindern wurden in einigen Fällen verlängerte Überlebenszeiten nach aggressiver lokaler Chirurgie berichtet. Experimentelle Therapieansätze beinhalten den Einsatz von Histon-Deacetylase-Inhibitoren (HDACi) und iBET-Inhibitoren, welche die aberrante Interaktion zwischen BET-Proteinen und acetylierten Histonen verhindern und somit die Tumorprogression hemmen können.
Prognose
Die Prognose des NUT-Karzinoms ist insgesamt sehr schlecht. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt nur etwa 5 bis 10 Monate. Besonders häufig kommt es durch lokale Komplikationen zum Tod der Patienten, bedingt durch die Tumorinvasionen in benachbarte Strukturen.
Literatur
- Baumgartner et al. Nuclear-protein-in-testis (NUT)-Mittellinienkarzinom. RöFo 2020
- Wang et al. Advances in the pathogenesis and treatment of nut carcinoma: a narrative review. Transl Cancer Res. 2020