Medizincontrolling
Definition
Das Medizincontrolling ist ein Teilgebiet der Gesundheitsökonomie. Es umfasst die fachliche und datenbasierte Steuerung klinischer Leistungen an der Schnittstelle zwischen Medizin, Pflege, Abrechnung und Informationstechnologie (IT). Ziel ist es, die medizinische Dokumentation so aufzubereiten, dass sie korrekt, verlässlich und für Qualitätssicherung, Abrechnung und Planung nutzbar ist.
Hintergrund
Die Kernwerkzeuge sind die standardisierten Klassifikationen ICD-10 (Diagnosen) und Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS). Sie werden in Deutschland vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gepflegt und jährlich fortgeschrieben. Zusammen mit den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) bilden sie das Fundament der stationären Entgeltsysteme.
Rechtliche Grundlagen
Das Aufgabenfeld des Medizincontrollings ist im Rahmen der Selbstverwaltung und des Krankenhausrechts verankert. Relevante gesetzliche Grundlagen sind unter anderem:
- das SGB V (unter anderem §§ 295/301 zur Datenübermittlung und Diagnosenverschlüsselung)
- das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)
- das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), das die Entgeltstruktur regelt
- die jährlich veröffentlichten DKRs
Der § 301 SGB V legt die Inhalte, Fristen und Formate der Datenübermittlung zwischen Krankenhäusern und Kostenträgern fest. Diese rechtlichen Vorgaben bilden die Grundlage für die operativen Prozesse im Medizincontrolling – von der fallbegleitenden Dokumentation bis hin zur Abrechnung.
Rolle des InEK
Eine zentrale Rolle übernimmt dabei das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Es betreut die Systeme G-DRG (German Diagnosis Related Groups) und PEPP (Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik), kalkuliert Relativgewichte, führt Vorschlags- und Kalkulationsverfahren durch und veröffentlicht regelmäßig:
- Spezifikationen
- neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)
- Schlichtungsinformationen
Damit schafft es die technische und ökonomische Infrastruktur für die Kodierung, Abrechnung und Budgetverhandlungen in deutschen Krankenhäusern.
Prüfverfahrensvereinbarung und MD-Regime
Die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) konkretisiert das Prüfregime des Medizinischen Dienstes (MD). Sie regelt unter anderem:
- Meldewege
- Fristen
- Erörterungsverfahren
- Sanktionen
Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) wurde die Vergütungsarchitektur weiterentwickelt. Die Fallpauschalen wurden durch Vorhaltepauschalen und leistungsgruppenbezogene Logiken ergänzt.
Ziele
Das Medizincontrolling verfolgt drei zentrale Ziele:
- Sicherung der Versorgungsqualität
- Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit
- Einhaltung der Compliance-Vorgaben
Aufgaben
Operative Aufgaben
- Dokumentation und Kodierung nach ICD-10-GM, OPS und DKR
- Vervollständigung klinischer Nachweise
- sachgerechte Gruppierung
- Plausibilitätsprüfungen und Vollständigkeitsprüfungen
- MD-Management inkl. Erörterungsverfahren und Umsetzung der Ergebnisse
Taktische Aufgaben
- Entwicklung von Kodierstandards und Dokumentationsvorgaben
- Fallmix- und Leistungsbereichsanalysen
- Key Performance Indicator (KPI)-Design
- Vorbereitung von Budgetverhandlungen und Entgeltverhandlungen
- internes und externes Benchmarking
Strategische Aufgaben
- Portfoliosteuerung und Pfadsteuerung
- datenbasierte Planung von Investitionen
- Überführung von Qualität und Outcome in Zielsysteme
- Analyse der Auswirkungen aktueller Reformen (z. B. KHVVG, Einführung von Leistungsgruppen) auf Haus- und Fachbereichsebene
IT-gestützte Werkzeuge
- Schnittstellen zwischen KIS und PDMS
- regelbasierte Prüfverfahren
- Data-Warehouse-Modelle
- automatisiertes Reporting
- Process Mining
- Kodierassistenzsysteme
- KI-gestützte Vollständigkeitsprüfungen und Datenanalysen
Organisation
Das Medizincontrolling ist je nach Einrichtung als Stabsstelle oder als Linienfunktion organisiert.
Zentrale Voraussetzungen für eine wirksame Steuerung sind klar definierte Verantwortlichkeiten, verbindliche Workflows für Kodierung und MD-Managemen, adressatengerechtes Reporting sowie abgestimmte § 301-Prozesse.
Die Deutsche Gesellschaft für Medizincontrolling (DGfM) ist eine zentrale Plattform für Wissensaustausch, Standardisierung und Fortbildung im Bereich Medizincontrolling. Wichtige Gremien und Funktionen:
- Der FoKA (Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung) kommentiert SEG 4-Empfehlungen und bietet praxisnahe Auslegungen zu strittigen Kodierfragen.
- Der Schlichtungsausschuss auf Bundesebene entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten in der Kodierung und Abrechnung zwischen den Partnern der Selbstverwaltung.
Das Zusammenspiel dieser Gremien trägt zur Einheitlichkeit und Rechtssicherheit der Kodierung und Abrechnung bei.
Berufsbilder
Die Berufbilder im Medizincontrolling sind Medizincontroller/in und Medizinische Kodierfachkraft. Beide Rollen arbeiten eng mit ärztlichen und pflegerischen Teams, Patientenmanagement, Finanzwesen, IT-Abteilung und Qualitätsmanagement zusammen.
Literatur
- Raab, Medizincontrolling: Theorie, Entwicklung und praktische Umsetzung, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2017
- Klär-Schinke und Schönsteiner, Medizincontrolling und Erlösmanagement in der stationären Versorgung, In Springer eBooks, 2025