Künstliche Intelligenz
Synonyme: Artifizielle Intelligenz, AI
Englisch: artificial intelligence, AI
Definition
Als künstliche Intelligenz, kurz KI, wird "Intelligenz" bezeichnet, die von Computern bzw. artifiziellen Systemen demonstriert wird. Die künstliche Intelligenz ist ein Teilgebiet der Informatik.
Hintergrund
Intelligenz und somit auch der Begriff künstliche Intelligenz werden in der Literatur unterschiedlich definiert. Häufig wird KI als ein System definiert, das menschliche Entscheidungsmuster nachbildet, d.h. Beobachtungen aggregieren kann und auf dieser Basis bestimmte Aussagen trifft. Populärwissenschaftlich werden Maschinen häufig als intelligent beschrieben, die höhere kognitive Funktionen des Menschen nachahmen, wie z.B. Lernen oder Problemlösung.
Entwicklung
Die Geschichte der künstlichen Intelligenz reicht von den ersten philosophischen Überlegungen der Antike bis hin zu den hochkomplexen maschinellen Lernsystemen des 21. Jahrhunderts. Beispielsweise entwickelte Aristoteles logische Systeme, die später die Basis für algorithmisches Denken bildeten. Im 17. Jahrhundert spekulierte René Descartes über die Möglichkeit mechanischer Intelligenz, was den Rationalismus prägte. Im 19. Jahrhundert legte George Boole mit der Booleschen Algebra ein fundamentales logisches System vor, das eine Grundlage für die spätere Informatik und KI darstellte. Gleichzeitig entwickelten Erfinder wie Charles Babbage mit der analytischen Maschine erste mechanische Ansätze zur Simulation von Intelligenz.
Im 20. Jahrhundert nahm die Idee der maschinellen Intelligenz konkrete Formen an. Alan Turing schuf 1936 mit der Turing-Maschine die theoretische Grundlage für moderne Computer und entwickelte später mit seinem Aufsatz "Computing Machinery and Intelligence" (1950) den Turing-Test, um maschinelle Intelligenz zu bewerten. 1956 wurde der Begriff "Artificial Intelligence" während der Dartmouth Conference von John McCarthy geprägt, die als Geburtsstunde der KI gilt. Erste Programme wie der Logic Theorist (1955), der mathematische Theoreme automatisiert beweisen konnte, und der General Problem Solver (1957) demonstrierten die Möglichkeiten von KI-Algorithmen. In den 1960er Jahren entstanden einfache Anwendungen wie das Dialogsystem ELIZA, das die Grundlagen der natürlichen Sprachverarbeitung zeigte.
Die 1970er Jahre brachten eher Rückschläge, da die Erwartungen an die KI nicht erfüllt wurden. Hardware-Ressourcen waren begrenzt, und viele Algorithmen erwiesen sich als ineffizient. Kritische Berichte wie der Lighthill-Report (1973) führten zu Kürzungen der Forschungsfinanzierung und zum sogenannten "KI-Winter". Erst in den 1990er Jahren kam es zu einem erneuten Aufschwung, ausgelöst durch Fortschritte in der Rechenleistung, die Entwicklung neuer Algorithmen und die Verfügbarkeit großer Datenmengen. Maschinelles Lernen wurde zu einem zentralen Bestandteil der KI-Forschung, unterstützt durch Techniken wie Bayessche Netze und Support Vector Machines (SVMs). Der Durchbruch gelang 1997, als IBMs Deep Blue den Schachweltmeister Garry Kasparov besiegte, ein Meilenstein in der Anwendung spezialisierter KI-Systeme.
Die 2010er Jahre markierten eine neue Ära, die durch den Erfolg des Deep Learning geprägt war. Dank fortschrittlicher Hardware, insbesondere der Nutzung von GPUs, konnten tiefe neuronale Netzwerke wie AlexNet (2012) entwickelt werden, die Bildverarbeitungsprobleme revolutionierten. Systeme wie IBM Watson zeigten, wie KI große Mengen unstrukturierter Daten analysieren und nutzen kann, während Modelle wie BERT (2018) und GPT (2019) die Verarbeitung natürlicher Sprache auf ein neues Niveau hoben. Im Jahr 2020 sorgte DeepMind mit AlphaFold für Aufsehen, das präzise Vorhersagen von Proteinstrukturen ermöglichte und einen Durchbruch in der biologischen Forschung darstellte.
Heute (2025) hat die KI eine transformative Rolle in der Gesellschaft übernommen. Anwendungen reichen von autonomen Fahrzeugen und medizinischen Diagnosewerkzeugen bis hin zu Sprachassistenten und generativen Modellen. Gleichzeitig führt die Verbreitung von KI zu intensiven Debatten über ethische Fragen, Datenschutz und die Verantwortung der Entwickler.
Teilgebiete
- Maschinelles Lernen: Algorithmen, die aus Daten Muster erkennen und Vorhersagen treffen können.
- Neuronale Netze und Deep Learning: Inspiration durch die Struktur des menschlichen Gehirns zur Verarbeitung komplexer Daten.
- Natürliche Sprachverarbeitung: Verständnis und Generierung menschlicher Sprache durch Maschinen.
- Computer Vision: Ermöglicht Maschinen das Interpretieren und Verstehen visueller Informationen.
- Robotik: Integration von KI in physische Maschinen zur autonomen Ausführung von Aufgaben.
Medizin
In der Medizin wird die künstliche Intelligenz in einer wachsenden Zahl von Anwendungsszenarien verwendet, die durch die leichte Zugänglichkeit von Large Language Modellen wie Chat-GPT stetig wächst.
siehe auch: Flexa - die DocCheck-KI
Epidemiologie
Die Implementierung von KI-Anwendungen für epidemiologische Frühwarnsysteme zur Überwachung der öffentlichen Gesundheit (Erkennung von Hotspots, Zurückverfolgung, Prognose) und für die Ressourcenzuweisung im Rahmen von Epidemien befindet sich derzeit (2024) in der Entwicklung.[1]
Diagnostik
KI-Systeme in der bildgebenden Diagnostik[2], in der Dermatologie, in der Neurologie (EEG-Diagnostik)[3] und in der Pathologie dienen vor allem der Mustererkennung und sollen Ärzten im Rahmen von Entscheidungsunterstützungssystemen (EUS) behilflich sein. In zwei aktuellen Studien (2024) hat sich gezeigt, dass "GPT-4 with Vision" (GPT-4V)[4] und "Llama 2"[5] im klinischen Alltag bei der Stellung der korrekten Diagnose von Krankheiten derzeit noch häufig überfordert und ausgebildeten Ärzten unterlegen sind.
Chirurgie
KI-Systeme können in der roboterassistierten Chirurgie zu einer erhöhten Präzision, möglicherweise auch zur Automatisierung von Teilschritten komplexer Eingriffe führen.
Dokumentation
KI-Systeme unterstützen bei der Zusammenfassung komplexer Krankengeschichten sowie bei der Erstellung von Arztbriefen und der Korrespondenz mit Kostenträgern.
Medizinstudium
ChatGPT bestand in einem Test das amerikanischen Staatsexamen in Medizin ("United States Medical Licensing Examination").[6] Den 1. und 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1 und M2) bestand ChatGPT (Version 3.5; durchgeführt am 13.02.2023) nach Ausschluss der Bildfragen mit 60,1 % (158/263) und 66,7 % (168/252) richtigen Antworten und erreichte die Note 4 (ausreichend). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Fragen original in Deutsch eingegeben wurden, das System aber zu 93 % auf englischsprachigen Texten und ohne medizinischen Fokus trainiert ist.[7]
Gesundheitsberatung
ChatGPT lieferte bei einem Test auf Fragen rund um das Thema Gesundheit (Themenbereiche: Sucht, zwischenmenschliche Gewalt, psychische und körperliche Gesundheit) bei 21 von 23 Antworten (91-%; 95-%-Konfidenzintervall 71 % - 98 %) evidenzbasierte Ergebnisse.[8]
Forschungsdaten
Akademische Verlage verkaufen den Zugang zu Forschungsarbeiten an Technologieunternehmen, um KI-Modelle zu trainieren. Wenn eine Arbeit bereits zu Trainingszwecken in einem Modell verwendet wurde, gibt es keine Möglichkeit, diese Arbeit zu entfernen, nachdem das Modell trainiert worden ist.[9]
Chancen
KI bietet die Möglichkeit, die Qualität der medizinischen Versorgung in vielen Bereichen deutlich zu erhöhen.
- Früherkennung: Verbesserte Erkennung kritischer Symptompatterns durch KI-basierte Frühwarnsysteme
- Diagnostik: Entwicklung effizienter, ressourcenschonender Diagnosepfade
- Qualitätssicherung: Standardisierte Kontrolle visueller Befunde (Bildgebung, Endoskopie, Pathohistologie), kontinuierliches Monitoring und Evaluation von Therapieergebnissen.
- Therapie: Verbesserung von Therapiealgorithmen, Personalisierung durch KI-basierte Genomanalyse, Verbesserung des therapeutischen Drug Monitorings
- Medkamentenentwicklung: Schnellere Identifikation potenzieller Wirkstoffe
Risiken
Vor möglichen Gefahren von KI wird auch gewarnt. So wies Geoffrey Hinton, der 2024 zusammen mit John Hopfield den Nobelpreis für Physik 2024 für seine Grundlagenforschung zum maschinellen Lernen erhalten hat, darauf hin, dass mithilfe der KI z.B. neuartige biologische, chemische u.a. Waffen entwickelt werden können. Langfristig könnte es zu einer existenziellen Bedrohung kommen, wenn digitale Wesen erschaffen würden, die intelligenter als die Menschen sind.[10]
Die WHO hat davor gewarnt, dass der Einsatz von KI in der Medizin zu Behandlungsfehlern, Falschinformationen oder Datenmissbrauch führen kann. Bisher werden die üblichen Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung neuer Technologien im Fall von KI nicht konsequent umgesetzt.[11][12]
Als KI-Halluzination werden durch generative Sprachmodelle erzeugte Konfabulationen bezeichnet, die objektiv falsch, jedoch überzeugend formuliert sind. Die Mechanismen, wie faktische Fehler, nicht überprüfbare Informationen, unsinnige Aussagen oder unplausible Szenarien "erfunden" werden, sind bisher (2024) nicht vollständig geklärt, da die internen Prozesse großer Sprachmodelle nur schwer nachvollzogen werden können.[13][14]
siehe auch: Deep Learning, Maschinelles Lernen, Künstliches neuronales Netz
Weblinks
- Studien halten ChatGPT und andere Medizinchatbots derzeit nicht für kliniktauglich. Dtsch Ärzteblatt 2024, abgerufen am 24.07.2024
Quellen
- ↑ Brownstein JS et al. Advances in Artificial Intelligence for Infectious-Disease Surveillance. N Engl J Med. 2023
- ↑ Rajpurkar P, Lungren MP. The Current and Future State of AI Interpretation of Medical Images. N Engl J Med. 2023
- ↑ Tveit J et al. Automated Interpretation of Clinical Electroencephalograms Using Artificial Intelligence. JAMA Neurol. 2023
- ↑ Jin Q et al. Hidden Flaws Behind Expert-Level Accuracy of Multimodal GPT-4 Vision in Medicine. NPJ Digit Med. 2024
- ↑ Hager P et al. Evaluation and mitigation of the limitations of large language models in clinical decision-making. Nat Med. 2024
- ↑ Kung TH et al. Performance of ChatGPT on USMLE: potential for AI-assisted medical education using large language models. PLOS Digit Health 2023
- ↑ Jung LB et al. ChatGPT passes German state examination in medicine with picture questions omitted. Dtsch Arztebl Int 2023
- ↑ Ayers JW et al. Evaluating Artificial Intelligence Responses to Public Health Questions. JAMA Netw Open. 2023
- ↑ Gibney E. Has your paper been used to train an AI model? Almost certainly. Nature. 2024
- ↑ Nobelpreisträger warnt vor Gefahren von Künstlicher Intelligenz. Dtsch Ärzteblatt Nachrichten 11.12.2024, abgerufen am 12.12.2024
- ↑ Ethics and governance of artificial intelligence for health. WHO guidance 28 June 2021, abgerufen am 18.05.2023
- ↑ WHO calls for safe and ethical AI for health. WHO 16 May 2023, abgerufen am 18.05.2023
- ↑ Azamfirei R et al. Large language models and the perils of their hallucinations. Crit Care. 2023
- ↑ Salvagno M et al. Artificial intelligence hallucinations. Crit Care. 2023