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Krustenanemone

Synonyme: Zoanthidea, Zoantharia
Englisch: Zoanthid

1. Definition

Als Krustenanemonen wird eine Ordnung der Nesseltiere bezeichnet. Die enthaltenen Arten haben eine Relevanz als Gifttiere im Rahmen der Reisemedizin sowie in der Aquaristik.

2. Systematik

Die Krustenanemonen sind eine artenreiche Ordnung der Nesseltiere. Die klassische Systematik innerhalb der Krustenanemonen basiert auf morphologischen Untersuchungen. Phylogenetische Untersuchungen an acht Gattungen der klassischen Unterordnungen Brachycnemina und Macrocnemina weisen darauf hin, dass Brachycnemina eine monophyletische Klade (natürliche Verwandtschaftsgruppe) darstellt und Epizoanthus als Schwestertaxon zu allen weiteren Arten abzweigt.[1] Die untersuchten Gattungen sind mit Ausnahme von Parazoanthus monophyletisch.

Arten mit Bedeutung für die Aquaristik stammen unter anderem aus den Gattungen Protopalythoa, Palythoa, Parazoanthus und Zoanthus.

3. Epidemiologie

In Deutschland kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen mit Krustenanemonen in der Meerwasseraquaristik. In den meisten Fällen verletzen sich Züchter und Händler beim Umgang mit den Polypen. Zu schwerwiegenden Vergiftungen kommt es nur selten. Das Giftinformationszentrum Nord berichtet im Zeitraum 2000 bis 2018 über 46 Fälle in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen. Ungefähr die Hälte der Betroffenen wurde klinisch überwacht. Sowohl hier als auch in anderen Bundesländern ist in diesem Kontext ein steigender Trend zu beobachten. Letale Verläufe sind bislang (2019) nicht bekannt.[2]

4. Biologie

4.1. Morphologie

Als Angehörige der Anthozoa (Blumentiere) weisen Krustenanemonen eine marine und sessile Lebensweise auf. Es handelt sich um koloniebildende Polypen ohne Medusenstadium. Krustenanemonen bilden kein Kalkskelett und ähneln Seeanemonen, sind morphologisch jedoch anders aufgebaut. Die für Seerosen typischen Fußscheiben fehlen. Als Skelettmaterial verwenden einige Arten Schwammskleriten und ähnliches Material. Weiterhin sind zwei Tentakelreihen und eine Siphonoglyphe (Teil der Mundregion) vorhanden.

4.2. Verbreitung

Krustenanemonen besiedeln Gewässer von geringer und mittlerer Tiefe und finden sich häufig auf anderen Tieren. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in den Tropen, wobei einige Gattungen in den gemäßigten Klimazonen vorkommen; beispielsweise lebt Epizoanthus sp. in der Nordsee und geht Symbiosen mit Einsiedlerkrebsen ein.

4.3. Giftapparat

Insbesondere die Tentakel sowie fädige Strukturen an Mund- und Magenregion besitzen zahlreiche Nesselzellen (Nematozyten) mit Nematozysten. In einigen Gattungen, etwa Palythoa, Parazoanthus, Protopalythoa und Zoanthus, kann das Polyketid Palytoxin nachgewiesen werden. Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle für die Synthese von Palytoxin. Eine Beteiligung von Bakterien und Algen (Dinoflagellaten wie Ostreopsis sp.) wird diskutiert. Die LD50 nach intravenöser Injektion bei der Maus beträgt 0,15 μg/kg.

Bei Proben aus Aquarien zeigten sich Variationen der Toxinkonzentration. So wurden Palythoa-Proben ohne Palytoxin ebenso dokumentiert wie Parazoanthus-Proben mit äußerst hohen Konzentrationen von 2 bis 3 mg/kg.

5. Toxikologie

Aus Fallberichten geht hervor, dass ernste Verläufe durchaus möglich sind. Mögliche Symptome beim Menschen nach Hautkontakt sind:

Bei Reinigungsarbeiten an Aquarien kann es nach Entfernen von Krustenanemonen durch die Filter- und Belüftungstechnik zur Bildung toxinhaltiger Aerosole kommen. Diese bewirken unter Umständen lokale Reizungen in den Atemwegen und kardiovaskuläre Effekte.

Die Therapie erfolgt symptomatisch. Die Beschwerden klingen zumeist innerhalb weniger Tage ab.

6. Ökologie

Die Giftigkeit scheint kein umfassender Schutzmechanismus gegenüber Fressfeinde zu sein. Zahlreiche Tiere, etwa der Feuerwurm Hermodice carunculata und Schmetterlingsfische (Chaetodon capistratus), ernähren sich von Krustenanemonen. Hierbei liegt eine Resistenz gegenüber Palytoxin vor. Dieses ist nach Resorption teilweise noch in aktiver Form in Geweben der Fressfeinde nachweisbar. Bei Meeressäugern liegt keine Toxinresistenz vor. Einige Krebse, etwa Lophozozymus pictor enthalten ebenfalls Palytoxin, das sie vermutlich durch Abweiden von Krustenanemonen akkumulieren; Vergiftungen beim Menschen durch das Zubereiten und Verspeisen von Krebsen und anderen palytoxinhaltigen Meerestieren können in diesem Zusammenhang möglich sein.

7. Literatur

  • Mebs, Dietrich (2010): Gifttiere - Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte und Apotheker, Wissenschaftl. Verl. Gesellschaft, Stuttgart, 3. Aufl.
  • Buchsbaum, Ralph et al. (1970): Knaurs Tierreich in Farben: Niedere Tiere, Droemersche Verlagsanstalt.
  • Sinniger et al. (2005): Phylogeny of the order Zoantharia (Anthozoa, Hexacorallia) based on the mitochondrial ribosomal genes in: Marine Biology 147(5):1121-1128 · September 2005.

8. Quellen

  1. Sinniger F et al. Phylogeny of the order Zoantharia (Anthozoa, Hexacorallia) based on the mitochondrial ribosomal genes, Marine Biology 147(5):1121-1128, 09.2005, abgerufen am 04.11.2019
  2. Uhlmann B Gift aus dem Aquarium, Süddeutsche Zeitung, 09.02.2018, abgerufen am 04.11.2019
Fachgebiete: Biologie, Toxikologie

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