Kinetische Zeit (Thrombelastometrie)
Englisch: kinetic time, kinetics
Definition
Die kinetische Zeit, kurz K, beschreibt in der Thrombelastometrie die Zeitspanne vom Erreichen einer definierten initialen Gerinnselfestigkeit (z.B. 2 mm Amplitude) bis zu einer festgelegten höheren Amplitude (meist 20 mm). Dieser Parameter gibt Auskunft über die Geschwindigkeit der Gerinnselbildung nach der initialen Gerinnungsaktivierung und spiegelt vor allem die Effizienz der Fibrinpolymerisation und die Interaktion mit Thrombozyten wider.
Hintergrund
Die kinetische Zeit wird maßgeblich beeinflusst durch:
- Fibrinogenkonzentration und -qualität
- Thrombozytenzahl und -funktion
- Aktivität der plasmatischen Gerinnungsfaktoren (v.a. in der Verstärkungsphase)
Ein verlängertes K weist auf eine verlangsamte Gerinnselbildung hin, wie sie z.B. bei Hypofibrinogenämie, Thrombozytopenie, Thrombozytopathie oder Verbrauchskoagulopathie vorkommt.
Ein verkürztes K kann Ausdruck einer Hyperkoagulabilität sein.
Referenzbereich
Die Referenzwerte sind methodenabhängig. Sie liegen bei EXTEM typischerweise zwischen 34 und 159 Sekunden.
Interpretation
- Verlängert (> Normbereich):
- Hypofibrinogenämie bzw. Dysfibrinogenämie
- Thrombozytopenie oder Thrombozytopathie
- Gerinnungsfaktorendefizit (v.a. FII, FV, FXIII)
- Disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC) (fortgeschrittene Phase)
- Verkürzt (< Normbereich):
- Hyperkoagulabilität (Thrombophilie, postoperativ, entzündliche Zustände)
Klinische Bedeutung
Die kinetische Zeit gibt wichtige Hinweise auf die Qualität und Geschwindigkeit der Fibrin-Thrombozyten-Interaktion und ermöglichen eine differenziertere Therapieplanung bei Blutungen:
- Verlängert: Zielgerichtete Gabe von Fibrinogenkonzentrat, Kryopräzipitat oder Thrombozytenkonzentraten.
- Verkürzt: Hinweis auf erhöhtes thrombotisches Risiko, z.B. postoperativ → ggf. prophylaktische Maßnahmen verstärken.
Literatur
- Görlinger, et al. The role of evidence-based algorithms for rotational thromboelastometry-guided bleeding management. Anaesthesia 2019
- Wikkelso A, et al. Thromboelastography (TEG®) or thromboelastometry (ROTEM®) to monitor haemostatic treatment versus usual care in bleeding patients. Cochrane Database Syst Rev. 2016
- Kietaibl et al. Management of severe peri-operative bleeding: Guidelines from the European Society of Anaesthesiology and Intensive Care: Second update 2022. Eur J Anaesthesiol. 2022 (AWMF S3-Leitlinie)
- Moore, et al. Fibrinolysis shutdown in trauma: historical review and clinical implications. Anesth Analg. 2019