Isotonizität
Englisch: isotonicity
Definition
Von Isotonizität oder gleicher Tonizität spricht man, wenn der osmotische Druck einer Lösung dem Druck einer Vergleichslösung entspricht, die durch eine semipermeable Membran getrennt ist.
Hintergrund
Eine Isotonizität liegt vor, wenn die extrazelluläre Flüssigkeit die gleiche Menge gelöster Teilchen enthält wie das Zytosol. Die Extrazellulärflüssigkeit ist isoton. In der Folge kommt es zu einem balancierten Wasseraustausch zwischen der Zelle und dem Extrazellulärraum. Das Zellvolumen bleibt unverändert.
Pharmazie
Laut Arzneibuch gilt eine Arzneizubereitung als isoton, wenn sie einen osmotischen Druck von 286 mosm/kg, eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,52 Kelvin aufweist oder der Tonizität einer 0,9 %igen Kochsalzlösung entspricht.
Bei folgenden Zubereitungen ist eine physiologische Tonizität gefordert:
- Parenteralia: Injektionslösungen (1 - 20 ml) müssen annähernd isoton sein, Infusionslösungen (> 100 ml) müssen isoton sein.
- nasale Zubereitungen: annähernd isoton
- Zubereitungen zur Anwendung am Auge: Isoton
- Zubereitungen zur Anwendung am Mittelohr: Isoton
Nur in seltenen Fällen, z.B. bei der parenteralen Ernährung, werden hypertone Lösungen parenteral verabreicht. Ein weiterer Sonderfall sind die zur Volumensubstitution verwendeten Plasmaexpander, die durch ihre Hypertonizität zusätzliche Flüssigkeit in die Gefäße ziehen.
Als Hilfsstoff zur Isotonisierung werden häufig Salze verwendet. Zum Großteil wird Natriumchlorid verwendet; bei Anwendungen am Auge werden auch Borsäure und deren Salze verwendet. Weitere Isotonisierungsmittel sind Glucose, Mannit und Glycerol. Proteinhaltige Arzneistoffe (z.B. Lyophilisate) dürfen nicht mit Salzen isotonisiert werden, da diese Substanzen inkompatibel sind und das Salz zur Ausfällung des Proteins führen kann. Nur in Ausnahmefällen wird proteinhaltigen Zubereitungen Natriumchlorid zugesetzt; hierbei dient es zur Einstellung der Ionenstärke.
Einstellung der Isotonizität
Laut Arzneibuch gibt es mehrere Methoden der Einstellung der Isotonizität:
Berechnung der Gefrierpunktserniedrigung
Die Formel für die Gefrierpunktserniedrigung lautet wie folgt:
Formel |
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ΔT = K × (m × 1000 × i) / (mL × Mr) |
ΔT = Gefrierpunktserniedrigung K = Kyroskopische Konstante (Für Wasser: 1,86 K*kg*mol-1) m = Masse des Wirkstoffs in Gramm i = Van't Hoff'scher Koeffizient mL = Masse des Lösungsmittels in Gramm MR = Molekülmasse des Wirkstoffs |
Um über diese Formel den Isotonisierungszusatz, also die benötigte Menge an Hilfsstoff für die Erreichung der Isotonizität, zu berechnen, wird zuerst die Masse des Lösungsmittels ermittelt. Dabei ist eventuell vorhandenes Kristallwasser zu beachten. Anschließend wird die Gefrierpunktserniedrigung berechnet. Sie wird für jeden gelösten Stoff einzeln berechnet; die Ergebnisse werden am Ende aufaddiert. Abschließend berechnet man die Differenz aus dem eben berechneten Wert und den geforderten 0,52 K. Unter der Annahme, dass eine 0,9 %ige Kochsalzlösung eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,52 K aufweist, lässt sich über den Dreisatz die benötigte Menge an Kochsalz berechnen, welche dem Unterschied der Gefrierpunktserniedrigungen entspricht. Diese Menge an Salz ist der Zubereitung zuzugeben.
Berechnung nach DAC-Anlage B
Gemäß Anlage B des Deutschen Arzneimittel-Codex lässt sich die benötigte Hilfsstoffmenge mit folgender Formel berechnen:
Formel |
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HS = [0,52 - n(ΔTA)] / ΔTH |
HS = benötigte Menge an Hilfsstoff in Prozent n = Arzneistoffgehalt der Lösung in Prozent ΔTA = Gefrierpunktserniedrigung einer 1%igen Lösung des Arzneistoffs in Kelvin ΔTH = Gefrierpunktserniedrigung einer 1 %igen Lösung des Isotonisierungsmittels in Kelvin |
ΔTA und ΔTH sind Stoffkonstanten, die im DAC tabellarisch aufgelistet sind. Der ΔTH-Wert für eine 1 %ige Kochsalzlösung beträgt 0,58 K.
Enthält die Lösung mehrere Arzneistoffe, wird für jeden Arzneistoff ein n(ΔTA)-Term gebildet, die in ihrer Gesamtheit von 0,52 abgezogen werden.
Zu beachten ist, dass nicht die Masse des Hilfsstoffes in Gramm, sondern dessen prozentualer Anteil berechnet wird.
Berechnung anhand der NaCl-Äquivalente
Es gilt die folgende Formel:
Formel |
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xNaCl = mNaCl - (E1 × m1) - (E2 × m2) - … - (Ei × mi) |
xNaCl = für die Isotonisierung noch benötigter Anteil an NaCl in Gramm mNaCl = zur Herstellung einer 0,9 %igen (m/V) Lösung benötigte Menge an NaCl E = NaCl-Äquivalent der jeweiligen Inhaltsstoffe ("E-Wert") m = Masse der jeweilig enthaltenen Inhaltsstoffe in Gramm |
Über den E-Wert lässt sich die NaCl-Menge (in g) ermitteln, welche dieselbe osmotische Aktivität wie 1 g des betreffenden Arzneistoffes aufweist. Entsprechende Werte können dem Arzneibuch entnommen werden. Der E-Wert hat keine Einheit.
Bestimmung über Nomogramme
Für diese Methode benötigt man spezielle Nomogramme, welche Diagramme der Auftragung der Konzentration in % gegen die Gefrierpunktserniedrigung darstellen. Die Bestimmung der benötigten Hilfsstoffmenge erfolgt in mehreren Schritten:
- Einzeichnen der Eichgeraden (am Beispiel NaCl): Eine 0,9 %ige NaCl-Lösung weist eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,52 K auf. Die beiden Punkte (0,00|0,90) und (0,52|0,00) werden verbunden. Die erste Koordinate entspricht der x-Koordinate (Gefrierpunktserniedrigung); die zweite der y-Koordinate (Konzentration)
- Einzeichnen der Wirkstoffgeraden: Hierfür trägt man die Gefrierpunktserniedrigung einer 1 %igen Lösung des Arzneistoffs ein, die dem DAC Anlage B entnommen werden können. Der Nullpunkt des Diagramms wird mit diesem Punkt verbunden.
- Die in der Zubereitung enthaltene Konzentration an Arzneistoff wird auf der y-Achse des Diagramms markiert. Dieser Punkt wird horizontal mit der Wirkstoffgeraden verbunden, wobei sich ein Schnittpunkt ergibt.
- Das Lot dieses Schnittpunkts wird auf die Eichgerade gefällt.
- Die y-Koordinate dieses Lotes entspricht der benötigten Konzentration an Hilfsstoff.
Die Methode ist graphisch, sodass die erzielten Ergebnisse ungenauer als die berechneten sind. Deshalb gilt diese Methode als weitgehend obsolet.
Literatur
Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017