Internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie
Englisch: internet-based cognitive behavioral therapy, iCBT
Definition
Die internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie, kurz iKVT, ist eine digitale Form der kognitiven Verhaltenstherapie, bei der psychotherapeutische Interventionen über webbasierte Programme, Apps oder spezialisierte Online-Plattformen bereitgestellt werden. Die Behandlung kann selbstgeführt, teilbegleitet oder vollständig psychotherapeutisch begleitet erfolgen. Sie nutzt die etablierten Techniken der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie.
Hintergrund
Die iKVT hat sich im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens und des steigenden Bedarfs an niedrigschwelligen psychotherapeutischen Angeboten zu einem relevanten Bestandteil moderner Versorgung entwickelt. Ihre Wirksamkeit ist für mehrere psychische Störungen wissenschaftlich gut belegt, was wesentlich zu ihrer Integration in gestufte Versorgungskonzepte beiträgt. In Deutschland wurde ihre Anwendung durch das Digitale-Versorgung-Gesetz und die Einführung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) weiter strukturiert, wodurch geprüfte Programme regulär verordnet und erstattet werden können.
Indikationen
Die stärkste Evidenz besteht für depressive Störungen und Angststörungen wie Panikstörung, soziale Angststörung sowie generalisierte Angststörung. Darüber hinaus liegen wirksame Anwendungen für posttraumatische Belastungsstörung, Insomnie, bestimmte Substanzkonsumstörungen, chronische Schmerzsyndrome und Anpassungsstörungen vor. Die Eignung hängt vom Schweregrad der Symptomatik und der Möglichkeit einer therapeutischen Begleitung ab. Bei akuter Suizidalität, psychotischen Symptomen oder komplexen Persönlichkeitsstörungen ist eine rein digitale Intervention nicht ausreichend.
Wirkprinzip
iKVT-Programme setzen die zentralen Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie digital um. Typische Bestandteile sind psychoedukative Inhalte, kognitive Umstrukturierung, verhaltensaktivierende Strategien, angeleitete Expositionsverfahren sowie Rückfallprophylaxe. Die digitale Umsetzung erfolgt über multimediale Lernmodule, interaktive Übungen und digitale Tagebücher. Automatisierte Feedbacksysteme und – bei begleiteten Angeboten – individuelle therapeutische Rückmeldungen fördern Struktur, Übungskontinuität und Adhärenz.
Durchführung
Zu Beginn erfolgt ein diagnostisches Screening mit anschließender Indikationsprüfung. Die Therapie wird in Modulen durchgeführt, die meist über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Wochen bearbeitet werden. Die Inhalte werden flexibel in den Alltag integriert und durch praktische Übungen vertieft. Begleitete Programme erzielen in der Regel eine höhere Adhärenz und geringere Abbruchquoten, während unbegleitete Anwendungen häufiger vorzeitig beendet werden.
Wirksamkeit
Die Wirksamkeit der iKVT ist für mehrere psychische Störungen gut belegt. Begleitete Programme erreichen bei Depression und Angststörungen Effektstärken, die jenen der klassischen face-to-face-Verhaltenstherapie nahekommen. Unbegleitete Angebote zeigen ebenfalls signifikante, jedoch geringere Effekte. Für Insomnie, PTBS und chronische Schmerzen liegen ebenfalls robuste Daten vor. Langzeitstudien berichten insgesamt stabile Effekte, deren Nachhaltigkeit jedoch von Programmqualität, individueller Nutzung und therapeutischer Unterstützung beeinflusst wird.
Grenzen
Die iKVT ist für akute psychiatrische Krisen, ausgeprägte depressive Episoden mit Suizidalität, psychotische Störungen oder komplexe komorbide Krankheitsbilder ohne persönliche Betreuung ungeeignet. Zudem variieren verfügbare Programme deutlich in Qualität, Datenschutzstandards und wissenschaftlicher Fundierung, was bei der Auswahl berücksichtigt werden muss.
Rechtlicher Rahmen
In Deutschland können iKVT-Verfahren als digitale Gesundheitsanwendungen eingesetzt werden, sofern sie nachweislich wirksam sind und im BfArM-Verzeichnis gelistet wurden. Solche Programme sind verordnungsfähig und erstattungsfähig. Darüber hinaus können digitale Bestandteile im Rahmen regulärer Psychotherapien genutzt werden, etwa in videogestützten Sitzungen. Daneben existieren frei zugängliche Programme, die jedoch nicht als psychotherapeutische Behandlung im heilkundlichen Sinne gelten.
Literatur
- Carlbring, P., Andersson, G., Cuijpers, P., Riper, H., & Hedman-Lagerlöf, E. (2018). Internet-based vs. face-to-face cognitive behavior therapy for psychiatric and somatic disorders: an updated systematic review and meta-analysis. Cognitive behaviour therapy, 47(1), 1–18. https://doi.org/10.1080/16506073.2017.1401115
- Karyotaki, E., Riper, H., Twisk, J., Hoogendoorn, A., Kleiboer, A., Mira, A., Mackinnon, A., Meyer, B., Botella, C., Littlewood, E., Andersson, G., Christensen, H., Klein, J. P., Schröder, J., Bretón-López, J., Scheider, J., Griffiths, K., Farrer, L., Huibers, M. J., Phillips, R., … Cuijpers, P. (2017). Efficacy of Self-guided Internet-Based Cognitive Behavioral Therapy in the Treatment of Depressive Symptoms: A Meta-analysis of Individual Participant Data. JAMA psychiatry, 74(4), 351–359. https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2017.0044
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Verzeichnis digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA)
- Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Zur Digitalisierung in der Psychotherapie