Handlungsempfehlung
Definition
Handlungsempfehlungen sind in der Medizin praxisorientierte Anweisungen, die Ärzte oder andere medizinische Fachkräfte bei ihren Entscheidungen unterstützen. Sie basieren auf wissenschaftlicher Evidenz, Leitlinien und/oder Expertenkonsens und zielen auf die Verbesserung der Versorgungsqualität und Patientensicherheit ab.
Hintergrund
Handlungsempfehlungen überführen wissenschaftliche Erkenntnisse in konkrete Handlungsanweisungen und tragen zur Standardisierung medizinischer Entscheidungen bei. Sie kommen vor allem in komplexen, zeitengen oder ungewohnten Situationen zum Einsatz, z.B. bei Multimorbidität, akuten Notfällen oder neuen Behandlungsszenarien.
Durch den stetig wachsenden Umfang medizinischen Wissens sind Fachkräfte zunehmend auf eine Vorstrukturierung angewiesen, um relevante Studienergebnisse oder Expertenwissen effizient in die Praxis zu übersetzen. Besonders in der Notfall- und Intensivmedizin sind schnelle, evidenzbasierte Entscheidungen entscheidend.
Die Differenzierung nach Empfehlungsstärke folgt gängigen Systemen wie GRADE: „stark“ bedeutet, dass die Empfehlung unter normalen Bedingungen umgesetzt werden sollte, während „schwach/bedingt“ mehr Spielraum für individuelle Anpassungen lässt.
Aufbau einer Handlungsempfehlung
Handlungsempfehlungen folgen üblicherweise einem strukturierten Format:
- Zielgruppe: Angabe, für welche Berufsgruppen oder Fachbereiche die Empfehlung relevant ist
- Kontext/Indikation: Beschreibung des klinischen oder organisatorischen Szenarios
- Empfehlungstext: Konkrete Handlungsanweisung, formuliert z. B. mit „soll“ (starke Empfehlung), „sollte“ oder „kann“ (schwache Empfehlung).
- Evidenzbasis: Angabe der Quellen und des Evidenzgrades, z.B. systematische Reviews, Metaanalysen oder Leitlinienempfehlungen
- Begründung: Kurzfassung der wissenschaftlichen und klinischen Argumentation
- Praktische Hinweise: Hinweise zur Umsetzung, Monitoring, Dosierung, Zeitpunkten oder organisatorischen Abläufen
Beispiele
- Sepsismanagement: Empfehlung der Deutschen Sepsis-Gesellschaft zur sofortigen Antibiotikagabe innerhalb der ersten Stunde bei Verdacht auf Sepsis (S3-Leitlinie, starke Empfehlung)
- Prävention postoperativer Übelkeit: Prophylaktische Gabe von 5-HT3-Antagonisten bei Risikopatienten (Evidenzgrad B, schwache Empfehlung)
- Hygienemaßnahmen in Kliniken: Händedesinfektion vor und nach Patientenkontakt (RKI, starke Empfehlung)
Limitationen
Handlungsempfehlungen ersetzen nicht die individuelle Abwägung der Patientensituation. Sie sind müssen regelmäßig an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Zudem können sie zwischen Fachgesellschaften variieren, sodass kritische Bewertung und Kontextbezug notwendig sind.