Cucurbitacin-Intoxikation
Synonyme: Kürbis-Vergiftung, Zucchini-Vergiftung
Englisch: cucurbitacin intoxication
Definition
Die Cucurbitacin-Vergiftung ist Nahrungsmittelintoxikation, die unter besonderen Umständen nach dem Verzehr der Früchte von Kürbisgewächsen (Cucurbitaceae) auftritt. Sie wird durch deren Pflanzeninhaltsstoffe, die Cucurbitacine, ausgelöst.
Hintergrund
Zum Verzehr bestimmte Kürbisgewächse, die nicht bitter schmecken, sind ungiftig. Diese Zuchtformen enthalten keine oder nur sehr wenig Cucurbitacine.
Die von den Wildformen der Kürbisgewächse (130 Gattungen; ca. 900 Arten) gebildeten Cucurbitacine können unter bestimmten ökologischen Bedingungen (Stress durch Hitze und Trockenheit; Überreife) und durch genetische Veränderungen (Eintrag von Pollen der Wildpflanzen, Spontanmutation) auch von den Kulturpflanzen wieder synthetisiert werden. In solchen Pflanzen wurde z.B. eine Konzentration von Cucurbitacin E und seiner Glycoside von 300 bis 3.100 mg/kg Frucht (Fruchtmark) festgestellt. In der Vergangenheit ist es wiederholt zu Ausbrüchen mit Serienvergiftungen gekommen.
Folgende Kürbis-Arten können betroffen sein:
- Gartenkürbis (Cucurbita pepo) mit den Unterarten der Pumpkin- und Zucchini-Gruppe
- Gurke (Cucumis sativus)
- Koloquinte (Citrullus colocynthis)
- Spritzgurke (Ecballium elaterium)
- Wassermelone (Citrullus lanatus)
- Zuckermelone (Cucumis melo)
Der Zierkürbis (Cucurbita pepo) ist nicht zum Verzehr bestimmt und wurde in der Liste giftiger Pflanzenarten in die Kategorie 2 (mittleres Vergiftungsrisiko) eingestuft. Die Aufnahme geringer Mengen kann bei Kleinkindern mittelschwere Vergiftungen auslösen.[1]
Toxikologie
Toxizität
Cucurbitacine sind Triterpene, die ein wichtige Rolle als Fraßgift spielen. Es sind mehr als 18 verschiedene Verbindungen bekannt. Sie wirken zytotoxisch, indem sie mit dem F-Aktin-Gerüst von Säugetierzellen interagieren.[2] Davon ist nach dem Verzehr der Früchte primär das Darmepithel betroffen, wo es zu einer Mukosanekrose kommt.
Die experimentell ermittelte Toxizität (LD50 Maus, oral) der Cucurbitacine liegt zwischen 5 und 100 mg/kgKG. Cucurbitacin E löst ab einer Konzentration von 2 mg/kg Frucht einen bitteren Geschmack aus. Wahrscheinlich kann bereits der Verzehr von 3 Gramm bitterer Zucchini Magen-Darm-Beschweren (Diarrhö) auslösen.
Die zytostatischen Wirkungen von Cucurbitacinen wurden untersucht, ohne dass bisher (2024) eine therapeutische Anwendung dieser Wirkstoffe erfolgt. Es ist auch nicht bekannt, ob sie beim Menschen kanzerogene oder genotoxische Wirkungen besitzen.
Toxikokinetik
Zur Toxikokinetik der Cucurbitacine liegen derzeit keine Daten vor (Stand 2024).
Pathogenese
Die Pathomechanismen einer Cucurbitacin-Vergiftung sind nicht vollständig geklärt. Durch die Schädigung des Darmepithels kommt es zu einer deutlich gesteigerten Kapillarpermeabilität mit massiven Wasser- und Elektrolytverlusten.
Symptome
Nach dem Verzehr der Früchte kommt es unabhängig von der Art der Zubereitung (Grillen, Kochen, Schmoren) rasch, meist innerhalb einer Stunde zu gastrointestinalen Symptomen:[3]
- Bauchschmerzen
- Übelkeit
- Erbrechen (auch Hämatemesis)
- Darmkolik (Colica mucosa)
- Diarrhö (auch Hämatochezie)
Bei schweren Verläufen kann die Dehydratation (Exsikkose) und der Elektrolytverlust in einen hypovolämischen Schock münden
Therapie
Aufgrund der gastrointestinalen Symptomatik haben Maßnahmen der primären Giftentfernung keinen Einfluss auf den Verlauf und sind wegen des bereits bestehenden Erbrechens auch kontraproduktiv (Aspirationsgefahr). Die weitere Behandlung erfolgt in jedem Fall symptomatisch. Insbesondere eine Exsikkose und eine Hypovolämie sind adäquat zu therapieren. Ein spezifisches Antidot steht bisher (2024) nicht zur Verfügung.
Prognose
Die Magen-Darm-Beschwerden können mehrere Tage anhalten. In seltenen Fällen, insbesondere wenn der Patient eine entsprechende Vorschädigung (z.B. chronisch-entzündliche Darmerkrankung, Vorbehandlung mit Zytostatika) aufweist, kann es zur Aggravation der Grunderkrankung kommen, sodass die Vergiftung tödlich verläuft.
Prävention
Der Verzehr bitter schmeckender Früchte der Kürbisgewächse ist grundsätzlich zu unterlassen. Wird beim Probieren ein bitterer Geschmack festgestellt, sind die Früchte in Gänze zu verwerfen.
Beim Eigenanbau sollte darauf geachtet werden, Kürbisgewächse nicht in der Nähe von Zierkürbissen anzupflanzen. Samen der Kürbisgewächse aus dem eigenen Garten sollten nicht für den weiteren Anbau genutzt werden.
Quellen
- ↑ Bekanntmachung einer Liste besonders giftiger Gartenpflanzen und einheimischer Pflanzen in der freien Natur. BfR 19. Mai 2021, abgerufen 07.08.2024
- ↑ Sörensen PM, Iacob RE, Fritzsche M, Engen JR, Brieher WM, Charras G, Eggert US. The natural product cucurbitacin E inhibits depolymerization of actin filaments. ACS Chem Biol. 2012 Sep 21;7(9):1502-8. doi: 10.1021/cb300254s. Epub 2012 Jul 9. PMID: 22724897; PMCID: PMC3448819.
- ↑ Jung C et al. Lebensmittelvergiftung durch Cucurbitacine. Dtsch Med Wochenschr. 2020
Weblinks
- Achtung bittere Zucchini. Giftnotruf Erfurt, abgerufen am 07.08.2024
- Bittere Zucchini, Giftnotruf Bonn, abgerufen am 07.08.2024
- Vorsicht bei bitter schmeckenden Zucchini, Gurken und Co., AOK 06.02.2024, abgerufen am 07.08.2024
- Gry J et al. Cucurbitacins in plant food. Nordic Council of Ministers, Copenhagen 2006, abgerufen am 07.08.2024 - sehr umfassende Information
- Bernhard MK et al. Cucurbitacin-Vergiftung durch Kürbisse – ein Fallbericht. Kinder- und Jugendmedizin 2003 - Fallbericht