Adenoid-zystisches Lungenkarzinom
Definition
Das adenoid-zystische Lungenkarzinom, kurz ACC, ist ein seltener, meist niedriggradig maligner, epithelialer Tumor, der morphologisch und molekular dem ACC der Speicheldrüsen entspricht. Es gehört zur Gruppe der Speicheldrüsen-ähnlichen Lungentumoren und geht vermutlich von den submukösen Drüsen der großen Atemwege aus.
Epidemiologie
ACC ist ein ausgesprochen seltener primärer Lungentumor und macht weniger als 0,2 % aller primären Lungentumoren aus. Er betrifft Erwachsene in einem breiten Altersspektrum (30 bis 70 Jahre) und zeigt keinen geschlechtsspezifischen Unterschied. Es besteht keine Assoziation mit Tabakrauchen.
Klinik
Das ACC ist typischerweise zentral lokalisiert und findet sich bevorzugt in der Trachea, ihn den Hauptbronchien oder in den Segmentbronchien. Die endobronchiale Raumforderung führt häufig zu obstruktiven Symptomen wie Dyspnoe, Husten, rezidivierenden Pneumonien oder Hämoptysen. Aufgrund des langsamen Wachstums kann die Symptomatik über Jahre schleichend verlaufen. In seltenen Fällen wird der Tumor erst durch bildgebende Verfahren oder Bronchoskopie zufällig entdeckt.
Pathologie
Histomorphologie
Histologisch zeigt das ACC eine kribriforme, tubuläre oder seltener solide Architektur, bestehend aus kleinen, uniformen Zellen mit hyperchromatischen Zellkernen und wenig Zytoplasma. Typisch ist die Bildung von pseudozystischen Hohlräumen, die von Basalzellen umgeben sind und muzinöses oder hyalines Material enthalten. Die zystischen Strukturen vermitteln mikroskopisch ein siebartiges („adenoid-zystisches“) Muster. Ein zentrales histologisches Merkmal ist die ausgeprägte perineurale Invasion, auch in Frühstadien – was die chirurgische Sanierung erschweren kann. Die Mitoseaktivität ist meist gering, die Proliferationsrate (Ki-67) niedrig bis moderat. Solide Muster mit erhöhter Zellatypie sind mit einer aggressiveren Verlaufsform assoziiert.
Immunhistochemie
Das ACC der Lunge zeigt typischerweise eine biphasische Markerexpression:
TTF-1 ist meist negativ, was bei der Abgrenzung von Adenokarzinomen hilft.
Molekularpathologie
Ein charakteristisches molekulares Merkmal ist die t(6;9)(q22–23;p23–24)-Translokation, die zur Bildung einer MYB::NFIB-Fusion führt. Diese Translokation ist in einem Großteil der Fälle nachweisbar und gilt als diagnostisch hilfreich, insbesondere bei ungewöhnlichen Lokalisationen oder schlecht differenzierten Tumoren. Die MYB::NFIB-Fusion führt zu einer Überexpression des Transkriptionsfaktors MYB, was zur aberranten Zellproliferation und Tumorprogression beiträgt.
Therapie
Die Therapie des adenoid-zystischen Karzinoms der Lunge basiert in erster Linie auf der chirurgischen Resektion. Aufgrund der häufig zentralen Lage sind dabei tracheale oder bronchoplastische Resektionen erforderlich. Eine R0-Resektion ist oft schwierig, da der Tumor eine Tendenz zur submukösen und perineuralen Ausbreitung zeigt, die makroskopisch nicht immer erkennbar ist. In Fällen mit nicht vollständiger Resektion (R1/R2) oder inoperabler Lokalisation kann eine postoperative oder primäre Strahlentherapie erwogen werden. Chemotherapeutische Protokolle zeigen nur begrenzte Wirksamkeit und werden meist nur in palliativen Situationen eingesetzt. Neue therapeutische Ansätze untersuchen zielgerichtete Tumortherapien gegen MYB oder Notch-Signalwege, sind derzeit (2025) aber noch nicht klinisch etabliert.
Prognose
Die Prognose ist insgesamt langfristig relativ gut, insbesondere bei niedriggradigen Tumoren mit vollständiger Resektion. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei bis zu 80 %, die 10-Jahres-Überlebensrate sinkt jedoch deutlich – was die Tendenz zur späten Lokalrezidivbildung und Fernmetastasierung (v.a. in Lunge, Hirn und Leber) widerspiegelt. Eine langfristige Nachsorge über >10 Jahre ist daher indiziert.
Solide, schlecht differenzierte Varianten haben eine signifikant schlechtere Prognose und verhalten sich ähnlich wie andere hochgradige Bronchialkarzinome.