Tourette-Syndrom
nach dem französischen Neurologen und Rechtsmediziner Georges Gilles de la Tourette (1857-1904)
Synonyme: Gilles-de-la-Tourette-Syndrom, GTS
Englisch: Tourette syndrome, Tourette’s syndrome
Definition
Beim Tourette-Syndrom handelt es sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems mit einer erkrankungstypischen Störung der Motorik und/oder der Impulskontrolle im Sinne von Tics.
Geschichte
Im Jahr 1885 wurde das Syndrom erstmals durch den französischen Neurologen und Rechtsmediziner Georges Gilles de la Tourette beschrieben.
Hintergrund
Das Tourette-Syndrom zählt zu den neuropsychiatrischen Erkrankungen. Es beginnt meistens im Kindesesalter, am häufigsten zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr. Die Krankheit verläuft in der Pubertät meist progredient und bleibt in der Regel ein Leben lang bestehen. Es werden unterschiedliche Ausprägungen mit teils schwankender Symptomlast beobachtet.
Ätiologie
Die Ätiologie des Tourette-Syndroms ist derzeit (2022) noch nicht vollständig geklärt. Eine Vererbung der Disposition für Tourette ist möglich, jedoch gibt es auch nicht genetisch bedingte Formen. Männer sind insgesamt häufiger betroffen als Frauen.
Bei den Betroffenen zeigen sich pathologische Veränderungen in den Basalganglien. Man vermutet ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin bei Neuronen, die unter anderem an Bewegungsabläufen beteiligt sind. Als ein weiterer möglicher Auslöser werden Autoimmunerkrankungen diskutiert, die durch Infektionen im Kopf-Hals-Bereich mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (GAS) im Kindesalter ausgelöst werden. Hierbei richten sich Autoantikörper gegen die Basalganglien im ZNS. Für Erkrankungen dieser Art wurde der Begriff PANDAS (Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal Infections) eingeführt.
Klinik
Ähnlich wie zum Beispiel bei der Chorea Huntington kommt es auch beim Tourette-Syndrom zu extrapyramidalen Hyperkinesien, die sich in Form von stereotypisch repetitiven Bewegungen, den sogenannten Tics, äußern. Diese immer gleich ablaufenden, raschen und unwillkürlichen Gesten können auch mit verbalen Tics einhergehen. Dazu zählen unbeabsichtigte Äußerungen oder für das Umfeld des Betroffenen ungewöhnlich vorkommende Geräusche.
Man unterscheidet hierbei:
- Einfache motorische Tics wie Grimassen, Naserümpfen oder Stirnrunzeln
- Einfache vokale Tics wie das Artikulieren von Lauten oder die Imitation von Geräuschen
- Komplexe motorische Tics
- Kopropraxie: Präsentieren unwillkürlicher, obszöner Gesten
- Echopraxie: Wiederholen und Nachahmen von Handlungen und Bewegungen Anderer
- Palipraxie: Wiederholen eigener Handlungen und Bewegungen
- Komplexe vokale Tics:
- Koprolalie: Neigung, Fäkalsprache zu verwenden
- Echolalie: reflexartiges Wiederholen gehörter Sätze oder Worte
- Palilalie: Zwang, eigene Wörter oder Sätze ständig zu wiederholen. Dabei reduziert sich die Lautstärke, während sich die Sprechgeschwindigkeit erhöht.
Die Symptomatik taucht während der gesamten Wachperiode auf, wobei Art und Schweregrad individuell variieren. Vor allem in Situationen, die seitens des Betroffenen als anstrengend empfunden werden (Anspannung, Stress etc.), kommt es zu einer Verstärkung der Symptomatik. Nachts sind die Erscheinungen meist nicht zu beobachten.
Eine Unterdrückung der Tics im Alltag ist kaum möglich. Von einer gewissen Kontrolle über die hyperkinetisch ablaufenden motorischen Erscheinungen und die unwillkürliche Aussprache wird jedoch in manchen Fällen berichtet.
Mögliche negative Reaktion des sozialen Umfelds auf die Tics können zu einem hohen Leidensdruck der Betroffenen führen.
Die Intelligenz ist bei den Patienten in der Regel nicht vermindert. Bei vielen Betroffenen können jedoch Komorbiditäten beobachtet werden, wie beispielsweise:
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der klinischen Symptome und des Krankheitsverlaufs gestellt. Erweiterte diagnostische Maßnahmen gibt es nicht. Voraussetzung für die Diagnose sind multiple motorische sowie ein oder mehrere vokale Tics. Diese müssen nicht zusammen auftreten. Darüber hinaus sollten andere Ursachen für die Symptome ausgeschlossen werden, wie beispielsweise Medikamente, Drogen oder andere Erkrankungen.
Therapie
Es stehen sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung.
Da es sich bei den Tic-Störungen um extrapyramidale Hyperkinesien handelt, die meist durch einen Dopaminüberschuss verursacht werden, gehören Dopaminantagonisten zur Standardtherapie. Das atypische Neuroleptikum Aripiprazol hat sich sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen als Mittel der Wahl etabliert. Des Weiteren kommen Risperidon, Sulpirid und speziell für Kinder Tiaprid zum Einsatz.
Nicht-medikamentöse Verfahren wie Verhaltenstherapie, Psychoedukation, Biofeedback und Entspannungstechniken können die medikamentöse Therapie unterstützen und mittels Stressabbau die Selbstkontrolle der Betroffenen fördern. Viele Patienten verwenden zudem Cannabis-basierte Produkte, um ihre Symptome zu lindern und berichten hierauf eine deutliche Besserung. Auch erste wissenschaftliche Ergebnisse sprechen für eine Wirksamkeit.
Invasive Verfahren wie die tiefe Hirnstimulation werden nur in seltenen, schweren Fällen empfohlen und sind derzeit (2022) Gegenstand der Forschung.Referenzfehler: Ungültige Verwendung von <ref>
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Quellen
Literatur
- Pschyrembel - Tourette-Syndrom, abgerufen am 21.05.2022.
- DIMDI - Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99), abgerufen am 21.05.2022.
- MSD Manual - Ticstörungen und Tourette-Syndrom im Kindes- und Jugendalter, abgerufen am 21.05.2022.
- Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Uni Dresden - Tic-Störungen / Tourette Syndrom, abgerufen am 21.05.2022.