Bandscheibe
Synonyme: Discus intervertebralis, Zwischenwirbelscheibe, Fibrocartilago intervertebralis
Englisch: intervertebral disc
Definition
Die Bandscheiben sind zwischen den Wirbelkörpern gelegene Bestandteile der Wirbelsäule. Sie verbinden die Wirbel flexibel untereinander und tragen zu ihrer Beweglichkeit bei.
Lage
Die 23 Bandscheiben sind zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule zu finden. Dort sind sie mit Rand und Deckplatten der Wirbelkörper fest verwachsen.
Durch die Verwachsung des Sakrums zu einem Knochen und die Verbindung der ersten beiden Halswirbel, Atlas und Axis durch eine Diarthrose erklärt sich auch die unterschiedliche Anzahl von Wirbeln und Zwischenwirbelscheiben. Die Bandscheiben machen etwa 25 % der Gesamtlänge der präsakralen Wirbelsäule aus.
Dimensionen
Die zentrale Höhe der Zwischenwirbelscheiben beim gesunden Erwachsenen liegt etwa zwischen 5 und 13 mm.[1][2] Sie ist abhängig vom jeweiligen Wirbelsäulenabschnitt. Da die Bandscheiben der Lendenwirbelsäule einer höheren Belastung ausgesetzt sind als die der Halswirbelsäule, sind sie kräftiger gebaut und dadurch mehr als doppelt so hoch. Mit zunehmendem Lebensalter reduziert sich die Höhe der Bandscheiben.
Entsprechend der Krümmung der Wirbelsäule weicht die vordere oder hintere Kantenhöhe von der zentralen Höhe ab. Im Bereich einer Lordose ist die ventrale Kantenhöhe größer als die dorsale, bei einer Kyphose verhält es sich umgekehrt. Dadurch erhält die Zwischenwirbelscheibe in der Sagittalebene eine keilförmige Gestalt.
In der Horizontalebene hat die Bandscheibe eine querovale Form. Der transversale Durchmesser ist größer als der sagittale Durchmesser. Bei der Zwischenwirbelscheibe L5/S1 beträgt der transversale Durchmesser zum Beispiel rund 53 mm, der sagittale rund 31 mm.[2]
Aufbau
Ein Discus intervertebralis kann in zwei Teile unterteilt werden, den äußeren Faserring (Anulus fibrosus) und den innen liegenden Gallertkern (Nucleus pulposus).
Anulus fibrosus
Der äußere, derbe Teil des Discus intervertebralis besteht aus Faserknorpel. Die Lamellen dieses straffen kollagenen Bindegewebes sind konzentrisch geschichtet und strahlen in Deckplatte und Randleiste der Wirbelkörper ein. Die Faser bestehen überwiegend aus Kollagen Typ 1.
Am inneren Bereich des Anulus fibrosus findet ein unscharfer Übergang zum Nucleus pulposus statt, da einige der inneren Lamellen noch in diesen mit einstrahlen.
Nucleus pulposus
Der innere Teil der Zwischenwirbelscheiben ist ein zellarmes Gewebe, das überwiegend aus spezialisierten Proteinen (Aggrecan) und Glykosaminoglykanen (z.B. Chondroitinsulfat und Keratansulfat) besteht, welche ein hohes Wasserbindungsvermögen besitzen. Der Wasseranteil liegt zwischen 80 und 85%. Durch den entstehenden Quellungsdruck setzt der Nucleus pulposus den Anulus fibrosus unter Spannung.
Der Nucleus pulposus enthält darüber hinaus wenige Fibroblasten und Fasern aus Kollagen Typ 2. Er wird von manchen Autoren als Überrest der Chorda dorsalis angesehen.
Biomechanik
Die Beweglichkeit eines Wirbelsäulenabschnitts ist von den Wirbelgelenken und vom Verhältnis der Bandscheiben- und Wirbelkörperhöhe abhängig. Im Bereich der Halswirbelsäule ist das Verhältnis mit 2:5 am höchsten, weshalb hier die größte Beweglichkeit vorliegt. Die Brustwirbelsäule weist hingegen ein Verhältnis von 1:5 auf - hier ist die Beweglichkeit am geringsten. Die Lendenwirbelsäule liegt mit einem Verhältnis von 1:3 im mittleren Bereich.
Funktion
Unter körperlicher Belastung ist die Wirbelsäule dauernden Bewegungen und Stößen ausgesetzt. Die Resilienz des Bandscheibengewebes ist darauf angepasst: Eine juvenile Bandscheibe kann Kräften bis zu 800 N/m2 widerstehen. Die Disci intervertebrales wirken durch ihren Aufbau mit dem wasserreichen Nucleus pulposus und dem derben Anulus fibrosus als elastisches Druckpolster und können so verschiedene Funktionen erfüllen.
Druckverteilung und Dämpfung axialer Stöße
Durch die Bandscheiben wird der Druck gleichmäßig auf die gesamte Oberfläche der angrenzenden Deckplatten verteilt. Dieser Effekt ist vor allem bei exzentrischer Belastung wichtig, um Druckspitzen auf einzelne Deckplattenareale zu verhindern. Hier wird die Bandscheibe elastisch verformt und der Gallertkern zur geringer belasteten Seite verlagert. Dadurch entspricht die Druckbelastung nahezu der axialen Belastung.
Darüber hinaus dehnt sich die Zwischenwirbelscheibe bei axialer Druckeinwirkung nach außen aus, wodurch der Druck auf die Wirbelsäule vermindert bzw. abgefangen werden kann. Allerdings ist dieser Effekt durch die geringe maximale Dehnbarkeit der kollagenen Fasern begrenzt. Der Gallertkern fängt dabei 3/4, der Faserring etwa 1/4 der Kräfte auf.
Begrenzung des Bewegungsumfanges
Bei ventrodorsalen und lateralen Bewegungen der Wirbelsäule wird der Nucleus pulposus, wie bereits erwähnt, zur Gegenseite verlagert. Da dieses aufgrund der Fixierung des Anulus fibrosus nur begrenzt möglich ist, wird dadurch auch der Bewegungsumfang limitiert. Eine weitere Begrenzung der Bewegung findet bei der Rotation um die Longitudinalachse statt, da ein Wirbelgleiten - d.h. ein Verschieben der Wirbel gegeneinander - durch die Faserarchitektur der Zwischenwirbelscheiben und ihre Fixierung am Wirbelkörper verhindert wird.
Es wirken also unterschiedliche Druck- und Zugkräfte auf die Zwischenwirbelscheiben, was wiederum den lamellären Aufbau erklärt.
Stoffwechsel
Die Disci intervertebrales kann man zu den bradytrophen Geweben zählen, da es nur über eine gering ausgeprägte Stoffwechselaktivität verfügt und daher auch sehr schwach regenerativ ist.
Die Ernährung der Disci intervertebralis erfolgt fast ausschließlich über den Ein- bzw. Ausstrom von extrazellulärer Flüssigkeit aus dem Anulus fibrosus, der nur in den äußersten Bereichen über kleine Blutgefäße verfügt. Der restliche Teil der Zwischenwirbelscheibe ist somit gefäßfrei.
Der Ausstrom der Flüssigkeit aus dem Nucleus pulposus findet vor allem tagsüber während der Druckbelastung statt. Dadurch nimmt die Dicke der Zwischenwirbelscheibe im Laufe des Tages bis zu 1 mm ab, was die Abnahme der Körpergröße um bis zu 2,5 cm am Abend erklärt.
Während der nächtlichen Entlastungsphase kommt es zu einer Rehydrierung der Zwischenwirbelscheiben.
Klinik
Eine Bandscheibendegeneration kann dazu führen, dass es zu einer Verlagerung des Nucleus pulposus der Bandscheibe kommt, dem so genannten Bandscheibenvorfall. In den meisten Fällen erfolgt die Behandlung konservativ. Die Entfernung von geschädigtem Bandscheibengewebe bezeichnet man als Nukleotomie bzw. Diskektomie. Nach kompletter Entfernung einer Bandscheibe werden Bandscheibenprothesen eingesetzt oder die benachbarten Wirbel knöchern versteift (Spondylodese).
Bei gestörter Deckplattenarchitektur während des Längenwachstums kann Bandscheibengewebe in die Spongiosa des Wirbelkörpers eingepresst werden. Diese Veränderungen werden als Schmorl-Knötchen bezeichnet und kommen beim Morbus Scheuermann vor.
Quellen
- ↑ Sung Hoon Choi et al.: Radiological Parameters of Undegenerated Cervical Vertebral Segments in a Korean Population Clin Orthop Surg. 2017 Mar; 9(1): 63–70. Published online 2017 Feb 13. doi: 10.4055/cios.2017.9.1.63 PMCID: PMC5334029 PMID: 28261429
- ↑ 2,0 2,1 Mirab S M H, Barbarestani M, Tabatabaei S M, Shahsavari S, Minaeii Zangi M B.: Measuring Dimensions of Lumbar Intervertebral Discs in Normal Subjects. ASJ. 2017; 14 (1) :3-8.