Virtual-Reality-Therapie
Englisch: virtual reality therapy
Definition
Unter Virtual Reality Therapie, kurz VR-Therapie, versteht man immersive, interaktive 3D-Anwendungen zur Behandlung psychischer oder physischer Störungen. Sie kommen u.a. in der Psychotherapie und Rehabilitationsmedizin zum Einsatz.
Hintergrund
Die medizinische Nutzung virtueller Umgebungen entwickelte sich seit den 1990er-Jahren parallel zu leistungsfähigerer Grafik- und Sensortechnologie. VR ermöglicht eine realitätsnahe Darstellung belastender oder therapeutisch relevanter Situationen, ohne sie in der Realität aufsuchen zu müssen. Dadurch lassen sich Expositionsreize schrittweise aufbauen, standardisieren und sicher wiederholen. Moderne Systeme erlauben zudem die Integration von Bewegungs-, Blick- oder Biofeedbackdaten, die zur Verlaufsevaluation und Individualisierung therapeutischer Prozesse genutzt werden können.
Anwendungsgebiete
Im Rahmen einer VR-Therapie bewegen sich die Patienten mittels VR-Brillen oder vergleichbarer Systeme in immersiven Szenarien, die therapeutisch geplant und in Intensität sowie Ablauf steuerbar sind.
Diese Therapieform findet vor allem bei Angststörungen Anwendung, etwa bei Höhenangst, Flugangst, sozialen Phobien oder spezifischen Ängsten, wobei die Expositionsergebnisse mit klassischen in-vivo-Verfahren vergleichbar sind.
Auch in der Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung ermöglicht VR eine kontrollierte und graduelle Konfrontation mit traumaassoziierten Reizen.
In der Schmerztherapie dient die virtuelle Umgebung häufig der Distraktion und Modulation der Schmerzwahrnehmung, insbesondere bei akuten interventionellen Situationen wie Verbandswechseln oder Verbrennungsbehandlung. Zunehmend wird sie auch bei chronischen Schmerzen untersucht.
In der neurologischen Rehabilitation, etwa nach Schlaganfall oder bei neurodegenerativen Erkrankungen, unterstützt VR alltagsnahes motorisches und kognitives Training und fördert Motivation sowie Wiederholungsintensität.
Darüber hinaus wird VR im psychosomatischen oder verhaltens therapeutischen Kontext bei Achtsamkeits- und Körperwahrnehmungstrainings eingesetzt. Experimentelle Forschungsansätze prüfen Anwendungen bei Essstörungen, Suchterkrankungen und kognitiven Trainingsprogrammen.
Wirksamkeit
Für Angststörungen und PTBS besteht eine solide Evidenz, die nach VR-gestützter Exposition signifikante Symptomreduktionen zeigt.[1] Metaanalysen berichten Effekte, die konventionellen Verhaltenstherapieformen nahekommen, insbesondere bei sozialen Phobien und spezifischen Ängsten.[2]
In der Neurorehabilitation zeigen Studien Hinweise auf motorische Verbesserungen, wenn auch uneinheitlich hinsichtlich Studiendesigns und Langzeiteffekten. Systematische Übersichten betonen zusätzlichen Forschungsbedarf.
Für Schmerztherapie sind kurzfristige Effekte gut belegt, vor allem durch VR-Distraktion bei akuten Verbandswechseln; weiterführende Forschung zu Langzeitwirkung und standardisierten Protokollen ist im Gang, insbesondere bei chronischen Schmerzen.[3]
Durchführung
VR-Therapie kann in therapeutischen Sitzungen oder zuhause angewendet werden. Inhalte, Reizintensität und Dauer der Szenarien sollten durch Fachpersonal gesteuert werden. Häufig erfolgt eine graduelle Exposition oder ein strukturiertes Training, kombiniert mit kognitiven oder verhaltensorientierten Techniken.
Vorteile und Grenzen
VR ermöglicht kontrollierbare, standardisierte und sichere Expositionen mit hoher Immersion und Motivation; sie kann zur objektiven Parametrisierung genutzt und telemedizinisch erweitert werden. Limitierend wirken technischer Aufwand, Kosten und mögliche Cybersickness. Der Therapieerfolg hängt maßgeblich von Softwarequalität, Indikationsstellung und professioneller Einbettung ab. Bei Psychosen oder akuter Instabilität ist Zurückhaltung angezeigt.
Quellen
- ↑ Carl et al., Virtual reality exposure therapy for anxiety and related disorders: A meta-analysis of randomized controlled trials, Journal of anxiety disorders, 2019
- ↑ Morina et al., Meta-analysis of virtual reality exposure therapy for social anxiety disorder, Psychological medicine, 2023
- ↑ Malloy und Milling, The effectiveness of virtual reality distraction for pain reduction: a systematic review, Clinical psychology review, 2010