Schere
Englisch: (surgical) scissors
Definition
Die Schere ist ein medizinisches Instrument, das zum Durchtrennen und Schneiden von Geweben sowie von Hilfsmitteln (Naht- und Verbandsmaterial, Drainageschläuchen) eingesetzt wird.
Aufbau
Eine Schere besteht stets aus mehreren Teilen:
- Blätter: Kraniales Ende der Schere, das als eigentlicher Arbeitsteil fungiert. Man unterscheidet bei den Blättern den sogenannten Blattrücken von den Schneidkanten. Diese liegen sich gegenüber. Die verschiedenen Modelle unterscheiden sich in Blattlänge und -breite sowie in der Form.
- Schlussteil: Am Schlussteil sind die beiden Bestandteile der Schere beweglich miteinander verbunden.
- Branchen: Der Teil der Schere, der zwischen dem Schlussteil und den Ringen liegt.
- Ringe: Um einen guten Griff mit den Fingern zu haben, schließen sich den Branchen die Ringe (gleich bzw. ungleich oder offen bzw. geschlossen) an.
3D-Modell: Verschiedene medizinische Scheren
Material
Qualitativ hochwertige Scheren bestehen meist aus geschmiedetem Stahl mit einem Kohlenstoffanteil von 0,7 bis 1,5 %. Die Korrosionsbeständigkeit und andere Materialeigenschaften werden durch Zusatz verschiedener Legierungselemente (z.B. Chrom, Nickel, Molybdän) verbessert. Allgemein gilt: Je höherer der Kohlenstoffgehalt, desto härter der Stahl und je höher der Anteil von Legierungselementen, desto korrosionsbeständiger ist die Schere.
Durch eine Beschichtung mit Aluminium-Titan-Nitrit (anthrazit), Titan-Nitrit (gold) oder Zirkon-Oxid (gräulich) wird die Lebensdauer chirurgischer Scheren verlängert.
Nomenklatur und Formen
Die Benennung von Scheren ist nicht systematisch. Sie erfolgt u.a. nach Personen, Funktion, Eigenschaften, Form oder Organen, z.B.:
- Benennung nach der Form:
- Gerade: gerades Blatt
- Aufgebogen: Blätter mit Biegung nach oben
- Auf- bzw. abgewinkelt: Blätter nach oben oder unten abgeknickt. Der Winkel ist in Grad festgelegt: 25, 45, 60, 90 und 125 Grad.
- Geknöpft: Verdickung am Ende eines Blattes (z.B. bei Verbandsscheren)
- Benennung nach Blattarten:
- Spitz-Stumpf: Standardschere für Gewebe und medizinisches Hilfsmaterial
- Spitz-Spitz: Iris- oder Mikroschere
- Stumpf-Stumpf: halbstumpfe Blattenden zum Präparieren
- Funktion: stumpfes Präparieren oder Schneiden
Handhabung
Scheren sind in aller Regel für Rechtshänder konzipiert. Die korrekte Haltung einer Schere ist die sogenannte Dreipunkthaltung: Die Hand befindet sich in mittlerer Pronationsstellung. Der vordere Teil des Daumens wird in einen der beiden Ringe geführt, der Ringfinger greift in den anderen Ring. Der Zeigefinger wird auf das Schlussteil gelegt und führt die Schere. Mittelfinger und kleiner Finger werden zur Stabilisierung um den Handgriff der Schere geschlungen.
Das Schneiden von Gewebe erfolgt durch Schließen der Schere ohne Kraftaufwand. Zum Präparieren wird die Schere geschlossen zwischen das zu durchtrennende Gewebe eingeführt und dann gespreizt. Das Gewebe wird so mit dem Blattrücken stumpf getrennt.
In den meisten Situationen ist eine Pronationsstellung zur Bewegung der Schere angezeigt. Beim Schneiden in der Tiefe kann jedoch eine Supinationsstellung eine bessere Sicht auf das Operationsgebiet gewähren.
Bei korrekter Anwendung verursacht die Schere nur geringe begleitende Gewebeschäden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die beiden Schenkel der Schere nicht auseinanderklaffen. In einem solchen Fall kann es sonst zu Quetschungen und Zerreißungen des Gewebes kommen.
Scherenarten
Chirurgische Scheren
Eigenschaften: allgemein gerade, nur wenig aufgebogen, stumpf-stumpf oder stumpf-spitz, zum Schneiden von medizinischen Hilfsmitteln wie Faden- oder Verbandsmaterial.
- Nach Sims: besonders lang und kräftig.
Präparierscheren
Eigenschaften: abgerundete Spitzen, runder Rücken der Schneideblätter, zur Gewebepräparation, feiner als chirurgische Schere, verschieden geformt.
- Nach Metzenbaum: charakteristisches Verhältnis zwischen Blattlänge und Branchenlänge, gerade oder aufgebogen, die meistgebrauchteste Präparierschere.
- Baby-Metzenbaum: Anwendung in der Säuglings- und Kinderchirurgie, sehr feine Ausführung der Präparierschere nach Metzenbaum.
- Nach Mayo: gerade oder seitlich aufgebogen.
- Nach Weller: kräftige, lange Schere mit kurzen Blättern, gut zum Präparieren in die Tiefe.
- Nach Ragnell: stumpf- stumpf, charakteristisches Blattdesign.
Spezielle Zwecke
Weiterhin finden Scheren Anwendung beim Schneiden von medizinischen Hilfsmitteln sowie bei speziellen Operationen.
Beispiele für Scheren zum Schneiden von medizinischen Hilfsmitteln:
- Verbandsschere nach Lister: abgewinkelt, Spitze abgerundet, durchtrennt alle Verbandstoffe (z.B. Mull- oder Tapeverband).
- Gipsschere nach Stille: besonders robust, eine glatte, zwei gezahnte Schneidekanten, die ineinander greifen, zum Aufschneiden großer Gipsverbände.
- Verbandsschere: zur Gaze- und Zellstoffdurchtrennung.
- Drahtschere: kurze, kräftige Schere zum Durchtrennen biegsamer Metalldrähte (z.B. Cerclage).
- Faden- oder Ligaturschere: schlankes Schneideblatt, teilweise mit „Fadenrille“.
Beispiele für Scheren bei speziellen Operationen:
- Sternumscheren: kräftig gewinkelt, feine Zahnung, zur Durchtrennung des Sternums im Rahmen einer Thorakotomie.
- Rippenscheren nach Brunner und Sauerbruch: halbmondförmige Schere zur Durchtrennung der Rippen.
- Schere für Herz- und Gefäßchirurgie nach Potts-Smith: 45° gewinkelt.
- Gynäkologische Scheren nach Sims, Siebold, Wertheim: sehr kräftige Scheren mit kurzen, aufgebogenen Schneideblättern. Spitzen immer stumpf-stumpf.
um diese Funktion zu nutzen.