Saxitoxin
Englisch: saxitoxin
Definition
Saxitoxin, kurz STX, ist ein hitzebeständiges und kältestabiles Neurotoxin, das im Körper als hochpotenter spannungsgesteuerter Natriumkanal-Blocker wirkt. Es gehört zu den paralytischen Muscheltoxinen und kann eine Muschelvergiftung (Mytilismus) auslösen.
Chemie
Die Summenformel lautet C₁₀H₁₇N₇O₄. Die molare Masse beträgt 299,29 g/mol. Die Substanz enthält zweiGuanidinogruppen, die unter physiologischen Bedingungen protoniert sind.
Vorkommen
Saxitoxine kommen in marinen und Süßwasser-Organismen vor:
- Dinoflagellata: z.B. Alexandrium catenella, Alexandrium minutum, Gymnodinium catenatum, Pyrodinium bahamense
- Cyanobakterien: z.B. Cylindrospermopsis raciborskii
Durch die Aufnahme und Bioakkumulation von toxinbelasteten Algen gelangt das Toxin auch in Muscheln (z.B. Miesmuscheln, Pfahlmuscheln oder Austern). In der EU gelten Grenzwerte von 800 µg Saxitoxin-Äquivantenten pro kg Muschelfleisch, wobei von einem Verzehr von 100 g Muscheln ausgegangen wird. Kommerzielle Muscheln werden routinemäßig auf Saxitoxin-Belastung getestet.
Wirkmechanismus
Saxitoxin blockiert spannungsgesteuerte Natriumkanäle. Die Guanidinogruppe wird elektrostatisch von anionischen Molekülen im Kanal angezogen. Die Bindung okkludiert die Kanalöffnung und verhindert dadurch den Einstrom von Natriumionen, was die Generierung von Aktionspotenzialen unterbricht.
Symptome
Die Symptome der paralytischen Muschelvergiftung treten meist innerhalb von 30 Minuten bis zwei Stunden nach oraler Aufnahme auf:
- periorales Kribbeln und Brennen an Lippen und Zunge
- progressive Lähmung von peripheren Nerven und Skelettmuskulatur
- Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe
- Koordinationsstörungen und Dysphagie
In schweren Fällen kann innerhalb von 2–12 Stunden eine Lähmung der Atemmuskulatur und ein Atemstillstand auftreten. Patienten bleiben hierbei meist bei Bewusstsein.
Die Mortalitätsrate kann bei schweren Vergiftungen bis zu 15 % erreichen. Bei Überleben folgt in der Regel eine Genesung innerhalb weniger Tage.
siehe auch: Paralytische Form der Muschelvergiftung
Toxikologie
Analytik
Saxitoxin kann über unter anderem durch Methoden der Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie und ELISA quantifiziert werden. Bei dem Verdacht einer Vergiftung sollte eine Urinprobe erfolgen, da dies der Hauptausscheidungsweg des Toxins bei Säugetieren ist.
Verwendung
Pharmakologie
Es werden mehrere Saxitoxin-Analoga erforscht. Neosaxitoxin zeigt ebenfalls eine spezifische Affinität zu Nav1.7-Kanälen und wird unter anderem aufgrund von bis zu sieben Tage andauernden Nervenblockaden als langwirksames Lokalanästhetikum erforscht.
Kampfstoff
Saxitoxin-Dihydrochlorid ist als atypischer Nervenkampfstoff unter dem Namen „Agent TZ“ bekannt. Saxitoxin ist in der Chemiewaffenkonvention aufgeführt. In Deutschland fällt Saxitoxin damit unter das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Quellen
- PubChem – Saxitoxin, abgerufen am 17.11.2025
- Wharton et al. Quantification of saxitoxin in human blood by ELISA. Toxicon. 133:110-115. 2017