Messie-Syndrom
von englisch: mess - Durcheinander
Synonyme: pathologisches Horten
Englisch: compulsive hoarding, hoarding disorder
Definition
Das Messie-Syndrom ist eine komplexe Verhaltensstörung, die durch die anhaltende Schwierigkeit gekennzeichnet, sich von Gegenständen zu trennen. Sichtbar wird ein äußeres Chaos, das einhergeht mit einer Verwahrlosung, in extremsten Fällen bis hin zum Vermüllungssyndrom. Das Messie-Syndrom wird unter dem Begriff pathologisches Horten im DSM-5 als Zwangsspektrumstörung aufgeführt.
Hintergrund
Das Sammeln von potenziell brauchbaren Dingen ist eine sehr alte Subsistenzstrategie in der menschlichen Auseinandersetzung mit der Umwelt. Das Bewahren von Beständigem ist wichtig zur Selbsterhaltung und zur Vorsorge. Behandlungsbedürftig ist wird eine Ausprägung von Sammelleidenschaft, die zu Gesundheits- bzw. Lebensbeeinträchtigung führt.
Epidemiologie
Vom Messie-Syndrom sind Schätzungen zufolge 2 bis 6% der Bevölkerung betroffen, wobei das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ausgeglichen ist. Die Störung tritt 3 mal so häufig bei älteren (> 55 Jahre) im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen auf. Der Verlauf zeigt sich dabei in den meisten Fällen progredient.
Symptome
Leitsymptome sind die Trennungsvermeidung von Objekten mit bedeutungsvoller oder stellvertretender Funktion sowie ein zwanghaftes oder abhängiges (süchtiges) Horten bei Selbstvernachlässigung. Es besteht ein Gefühl der Notwendigkeit des Behaltens - bei Trennung von Gegenständen kommt es zu Unbehagen.
Nebensymptome sind hygienische Konflikte zwischen Betroffenen und Umwelt. Es treten Schamgefühle, Selbstzweifel und soziale Isolation auf.
Ätiopathogenese
Die Leitsymptome - Hortung und Trennungsumgehung - des eigentlichen Messie-Syndroms verbergen deren Funktion einer oft musterhaften Abwehr tiefsitzender Ängste. Diese stehen häufig im Zusammenhang mit erlebtem Verlust oder Unerfahrenheit bei Wunschvorstellungen. Es zeigen sich Schwierigkeiten, Entscheidungen zu fällen und Prioritäten zu setzen. Folge ist das Unvermögen, Alltagaufgaben zeitgerecht zu lösen, Absprachen umzusetzen sowie ein permanent hoher Stressspiegel. Das äußere Chaos ist hier wie ein füllbares Spiegelbild des struktursuchenden, "leeren" Inneren zu deuten. Die Wertbeimessung hat sich verschoben.
Zugrundeliegend sind:
- beeinträchtigte Selbstregulation und affektive Desorganisation
- aktive Vermeidung, fraglich Nützliches loszulassen
- Erhalt von materiell Greifbaren in nächster Nähe als Kompensation bei Persönlichkeitsverlust oder -zerfall, insbesondere bei Komplikationen/Zweiterkrankungen (Demenz, Psychosen)
Differentialdiagnose
Andere psychiatrische Erkrankungen wie:
- Zwangsstörung
- Störung des Autismus-Spektrums
- Psychosen
- ADHS
- Impulskontrollstörung
- Depression
- Schwere Intelligenzminderung
- Demenz
- Sonstige Störungen der Exekutivfunktionen
Abzugrenzen ist auch die chaotische Unordnung als Zeichen seelischer Umbauprozesse z.B. bei Jugendlichen (normale Begleiterscheinung bestimmter Entwicklungsschritte)
Therapie
Die Therapie ergibt sich aus der Ätiopathogenese. Sie erfolgt vorwiegend psychotherapeutisch mit integrativem Beratungsansatz. Versucht wird eine Kombination aus verhaltens- und tiefenpsychologisch fundierten Elementen sowie Bewegungs-, Gestalt- und Schauspieltherapie. Pharmakologisch scheint bei einigen Patienten die Behandlung mit Methylphenidat symptomverbessernd zu wirken.
Sonstiges
Seit dem Sommer 2013 ist das Messie-Syndrom als Krankheitsentität anerkannt und im internationalen Diagnosekatalog (DSM-V) psychiatrisch klassifiziert.
Literatur
- Falkai, P., & Wittchen, H.-U. (2015). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5. Hogrefe, Göttingen.
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