Myotonia congenita Becker
Synonym: rezessiv generalisierte Myotonie
Definition
Die Myotonia congenita Becker stellt eine hereditäre Erkrankung dar, die durch eine Übererregbarkeit der Skelettmuskulatur imponiert.
Epidemiologie
Die Prävalenz ist kleiner als 1: 50.000.
Ätiopathogenese
Die Myotonia congenita Becker wird autosomal-rezessiv vererbt. Ursache der Myotonie ist eine Mutation im Gen für den Chloridkanal der Skelettmusklatur auf dem Chromosom 7q. Aufgrund dieser Mutation ist die Leitfähigkeit des Chloridkanals für Chlorid-Ionen verhindert, was zu einer Instabilität des Ruhemembranpotenzials und zu einer Übererregbarkeit der Skelettmuskulatur führt.
Klinik
Das Kardinalsymptom der Myotonia congenita Becker ist die Myotonie, die sich im sechsten Lebensjahr oder später manifestiert. Dabei kann nach einer willkürlichen Kontraktion der Skelettmuskulatur eine verzögerte Relaxation der kontrahierten Muskulatur beobachtet werden. Typischerweise berichten die Patienten, dass sie ihre Hand nach Faustschluss nur sehr langsam öffnen können.
Weiterhin wird häufig angegeben, dass nach längerer körperlicher Ruhe Aufstehen und Gehen nur unter großen Schwierigkeiten möglich sind. Es besteht jedoch ein sogenanntes "Warm-up-Phänomen", d.h. das Wiederholen bestimmter Bewegungen in kurzen Abständen mildert die Symptomatik für einen gewissen Zeitraum. Bei kalten Außentemperaturen ist die Muskelsteife besonders ausgeprägt. Weiterhin besteht häufig nach längerer körperlicher Ruhe eine transiente Muskelschwäche.
Eine Perkussion der Skelettmuskulatur führt zu einer tonischen Kontraktion der Muskulatur. Man spricht auch von einer Perkussionsmyotonie.
Charakteristisch ist ebenfalls, dass die betroffenen Patienten häufig hinfallen. Ihr Greifen nach Gegenständen erscheint ungeschickt.
Die phänotypische Muskelentwicklung ist normal. Ein athletischer Körperbau ist möglich.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollte an die Myotonia congenita Thomsen gedacht werden.
Diagnostik
Grundlegend sind Anamnese und klinische Untersuchung. Häufig weisen die bei der Untersuchung erhobenen Befunde (z.B. die Perkussionsmyotonie) bereits auf die Erkrankung hin.
Weiterhin sollte eine Elektromyographie durchgeführt werden. Dabei imponiert eine Entladungsserie, welche durch repetitive Membrandepolarisationen mit Aktionspotenzialserie bedingt ist. Abgesehen von den Entladungsserien lassen sich in der Elektromyographie keine Auffälligkeiten feststellen.
Im Serum zeigt sich keine Erhöhung der CK, der CK-MM oder der Transaminasen. Zusätzlich ist eine molekulargenetische Untersuchung möglich, gehört jedoch gegenwärtig aufgrund der hohen Kosten noch nicht zur routinemäßig durchgeführten Diagnostik.
Therapie
In schweren Fällen sollte eine Behandlung mit Mexiletin, welches den Natriumkanal blockiert, erfolgen. Ebenfalls möglich ist die Verordnung von Diazepam, Carbamazepin oder Azetazolamid. Eine medikamentöse Behandlung sollte, falls dieses möglich ist, nur über einen kurzen Zeitraum erfolgen.
In vielen Fällen ist jedoch keine Behandlung nötig, da die betroffenen Patienten durch Trainingsbewegungen lernen, die Symptome der Erkrankung zu kompensieren.
Prognose
Die Prognose ist gut. Die Lebenserwartung ist nicht eingeschränkt.
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