Karpale Instabilität
Englisch: carpal instability
Definition
Die karpale Instabilität ist eine Gefügestörung der Handwurzel mit Fehlstellungen der einzelnen karpalen Elemente zueinander.
Klassifikation
...nach Schweregrad
Abhängig vom Schweregrad unterscheidet man statische und dynamische Formen der karpalen Instabilität. Bei statischen Formen liegt die Fehlstellung in Ruhe vor, während sie bei der dynamischen Form erst bei bestimmten Bewegungen auftritt.
...nach Amadio
Instabilität | Lokalisation |
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dissoziative Instabilität (CID) | |
nicht dissoziative Instabilität (CIND) |
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komplexe Instabilität (CIC) |
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axiale Instabilität |
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mit:
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Bei den dissoziativen Gefügestörungen ist die Kontinuität der proximalen Handwurzelreihe unterbrochen. Ursächlich sind Rupturen des Ligamentum scapholunatum oder des Ligamentum lunotriquetrale sowie Skaphoidfrakturen oder Skaphoidpseudarthrosen.
Bei den nicht dissoziativen Gefügestörungen ist die proximale Handwurzelreihe intakt, aber gegenüber der distalen Handwurzelreihe oder gegenüber dem Unterarm rotiert bzw. subluxiert. Ursächlich sind Verletzungen der extrinsischen Ligamente oder Dysplasien bzw. Fehlstellungen der radialen Gelenkfläche. Bei CIND-PISI ist die gesamte proximale Handwurzelreihe nach dorsal (in Extension) rotiert, bei CIND-DISI liegt eine Rotation der gesamten Reihe nach palmar (in Flexionsstellung) vor.
...nach Watson und Black (skapholunäre Dissoziation)
Die skapholunäre Dissoziation ist die häufigste Form der karpalen Instabilität. Ihr liegt eine Insuffizienz des Ligamentum scapholunatum zugrunde. Sie wird anhand der Klassifikation nach Watson und Black (modifiziert nach Schmitt) in vier Schweregrade eingeteilt:
Stadium 1
Das Stadium 1 ist radiologisch nicht zuverlässig diagnostizierbar. In der Arthroskopie und z.T. in der MR-Arthrografie kann die Partialruptur des Ligamentum scapholunatum erkennbar sein.
Stadium 2
Das Stadium 2 ist ebenfalls röntgennegativ. Die Komplettruptur des Ligamentum scapholunatum ohne größere Begleitverletzungen kann in MRT, Stressaufnahmen und kinematografischen Untersuchungen erkennbar sein. In Stressaufnahmen der Handwurzel im dorsopalmaren Strahlengang während des festen Faustschlusses oder des Umgreifens eines Tennisballs nimmt der skapholunäre Abstand auf > 3 mm zu. In der Kinematografie kann während der Radialduktion-Ulnarduktion-Bewegung im dorsopalmaren Strahlengang ebenfalls die Erweiterung des skapholunären Gelenkspalts auf > 3 mm dokumentiert werden. Im seitlichen Kinematogramm ist ggf. eine dorsale Rotationssubluxation des Skaphoids und eine DISI-Fehlstellung des Lunatums kurzfristig identifizierbar.
Stadium 3
Im Stadium 3 ist die Komplettruptur des Ligamentum scapholunatum sowie ausgedehnte Verletzungen des extrinsischen Bandapparates in Standardaufnahmen des Handgelenks (dorsopalmarer und seitlicher Strahlengang) erkennbar. In diesem Stadium der statischen Instabilität lassen sich weiterhin folgende Befunde erheben:
- vergrößerter skapholunärer Winkel > 60°
- Terry-Thomas-Zeichen (skapholunärer Gelenkspalt > 3 mm)
- vergrößerter radioskaphoidaler Winkel > 60 ° durch Palmarflexion des Skaphoids
- DISI-Konfiguration der mittleren Karpalsäule durch Dorsalextension des Lunatums (radiolunärer Winkel > 15°)
Stadium 4
Im längerfristigen Verlauf kommt es in den fehlbelasteten Bereichen zu einer sekundären Arthrose. Sie beginnt radioskaphoidal (Stadium 4a). Durch Tiefertreten des Kapitatums und des Hamatums in Richtung des erweiterten skapholunären Gelenkspalts wird zunehmend das mediokarpale Kompartment miteinbezogen (Stadium 4b). Schließlich kommt es zum karpalen Kollaps (SLAC-Wrist).
Stadium | Pathologie | Bildgebung | Klinik |
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1 | Partialruptur des Ligamentum scapholunatum, meist palmares Segment |
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meist keine |
2 | dynamische Komplettruptur des Ligamentums scapholunatum |
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Klick-/Schnappphänomen und Griffschwäche bei Handgelenkbeugung |
3 | statische Komplettruptur des Ligamentum scapholunatum, extrinsische Bänder betroffen |
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Griffschwäche, Schwellung, Schmerzen in Ruhe, progredienter Verlauf |
4 | statische Komplettruptur mir Arthrose
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zunehmende Schwellung und Bewegungseinschränkung, chronischer Schmerz |
...nach Mayfield (perilunäre Luxation)
Die perilunäre Luxation ist eine Dislokation zwischen Os capitatum und Os lunatum. Erst bei ausgeprägten ligamentären Verletzungen kommt es zu einer vollständigen Lunatumluxation. Dabei werden nach Mayfield 4 Stadien beschrieben:
Grad | Art der Instabilität | Bandruptur | Röntgen |
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1 | skapholunäre Dissoziation | Ligamentum scapholunatum | Rotationssubluxation des Skaphoids, Artikulation Lunatum/Kapitatum intakt |
2 | skapholunäre Dissoziation und mediokarpale (Sub-)Luxation | zusätzlich Ligamentum radioscaphocapitatum | zusätzlich (Sub-)Luxation des Kapitatums gegenüber dem Lunatum |
3 | zusätzlich lunotriquetrale Dissoziation | zusätzlich Ligamentum lunotriquetrum und Ligamentum radiolunotriquetrum | zusätzlich lunotriquetrale Instabilität oder Triquetrumfraktur |
4 | vollständige Lunatumluxation | zusätzlich Ligamentum radiotriquetrum dorsale | palmare Luxation des Lunatums; Kapitatum parallel zur Radiusachse |
...nach Rotationsrichtung des Os lunatum
Die Fehlstellung des Os lunatum in der mittleren Säule der Handwurzel wird je nach Rotationsrichtung als PISI oder DISI bezeichnet. Dabei wird die Handwurzel auf der Röntgenaufnahme im seitlichen Strahlengang in Neutralstellung beurteilt:
- DISI: Rotation des Lunatums nach dorsal (in Extensionsstellung), radiolunärer Winkel > 15°, typisch für skapholunäre Dissoziation
- PISI: Rotation des Lunatums nach ventral (in Flexionsstellung), radiolunärer Winkel < -15°; seltener als DISI; bei mediokarpalen und ulnarseitig lokalisierten Instabilitäten
um diese Funktion zu nutzen.