Infrarotspektroskopie
Englisch: infrared spectroscopy
1. Definition
Die Infrarotspektroskopie, kurz IR-Spektroskopie, ist ein Analyseverfahren, bei dem die Wechselwirkung zwischen Infrarotstrahlung und einer Substanz untersucht wird.
2. Hintergrund
Die IR-Spektroskopie ist in der pharmazeutischen Analytik eine viel verwendete Methode der Identitätsprüfung, die auch in vielen Arzneibuchmonografien vorkommt.
3. Einteilung
Die Infrarotspektroskopie wird anhand der Wellenlängenbereiche unterteilt in:
- Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)
- Mittlere Infrarotspektroskopie (MIRS)
- Ferninfrarotspektroskopie (FIRS)
4. Aufbau
Der instrumentelle Aufbau eines IR-Spektrometers kann unterschieden werden in:
- Zweistrahl-IR-Spektrometer
- Fourier-Transform-IR-Spektrometer (FTIR-Spektrometer)
Beim Zweistrahl-IR-Spektrometer wird der Lichtstrahl an einem Strahlungsteiler zweigeteilt und einmal durch eine Messzelle und ein anderes Mal durch eine Vergleichszelle geleitet. Das Spektrum wird durch den Vergleich der beiden Messzellen ermittelt.
Das Fourier-Transform-IR-Spektrometer ist der mittlerweile häufiger verwendete Aufbau. Es besitzt im Inneren ein Michelson-Interferometer, das zeitabhängige Interferenzen des geteilten Lichtstrahls erzeugt. Auf diese Weise wird die Probe zu jedem Zeitpunkt mit mehreren Wellenlängen bestrahlt. Über das mathematische Verfahren der Fourier-Transformation kann das Spektrum ermittelt werden. Das FTIR-Spektrometer hat eine sehr kurze Messzeit, ein besseres Signal/Rausch-Verhältnis und benötigt eine geringere Probenmenge.
Die Probe kann sowohl fest als auch flüssig sein. Zur Probenauftragung hat sich das Verfahren des ATR-IR (ATR = abgeschwächte Totalreflexion) etabliert. Bei der ATR-IR-Technik trifft die IR-Strahlung in einem bestimmten Winkel auf einen Kristall mit hohem Brechungsindex (z.B. Diamant oder ZnSe). Durch interne Reflexion wird ein evaneszentes Feld erzeugt, das die Probe durchdringt und so eine Messung ermöglicht.
5. Physikalische Grundlagen
Bei der Infrarotspektroskopie wird gemessen, welcher Teil der Infrarotstrahlung von einer Substanz absorbiert oder reflektiert wird. Das resultierende Spektrum zeigt charakteristische Absorptionspeaks, die Informationen über die chemische Zusammensetzung und die funktionellen Gruppen der Moleküle liefern.
Im resultierenden Spektrum wird die Transmission gegen die Wellenzahl (von groß nach klein) aufgetragen, wobei die Wellenzahl der reziproke Wert der Wellenlänge ist. Die Wellenzahl ist somit direkt proportional zur Energie. Die verwendete IR-Strahlung deckt einen Wellenzahlbereich von 0 bis 4000 cm-1 ab.
Ein Molekül mit N Atomen hat (3N-6) Schwingungen (wenn es linear gebaut ist, hat es (3N-5) Schwingungen), wobei Valenz- und Deformationsschwingungen unterschieden werden. Bei Valenzschwingungen ändert sich die Bindungslänge, während sich bei Deformationsschwingungen der Bindungswinkel ändert. Unter Annahme eines harmonischen Oszillators ergibt sich für die Frequenz einer Schwingung die Formel:
- v = Frequenz
- k = Federkonstante
- M = reduzierte Masse
Die reduzierte Masse (M) kann wie folgt bestimmt werden:
- m1 und m2 = Massen der an der Bindung beteiligten Atome
Die Schwingung erfolgt bei höherer Energie (und somit höherer Wellenzahl),
- je stärker die Bindung ist (größere Federkonstante k), und
- je kleiner die reduzierte Masse M ist.
Anhand dessen lassen sich die relativen Lagen der Schwingungen funktioneller Gruppen abschätzen:
- Starke Bindungen (z.B. C-H-Bindungen) befinden sich bei hohen Wellenzahlen
- Bindungen mit schweren Atomen (z. B. C-O-Bindungen) befinden sich bei niedrigeren Wellenzahlen
6. Auswertung
Für die Auswertung kann ein Spektrum in zwei Bereiche eingeteilt werden: Der rechte Bereich des Spektrums (etwa 0 bis 1000 cm-1) ist der "Fingerprint-Bereich". In diesem Bereich gibt es viele Banden im Spektrum, die jedoch unspezifisch sind und nicht einer bestimmten funktionellen Gruppe oder Atomkonfiguration des Moleküls zugeordnet werden können. Dennoch ist dieser Bereich für eine Verbindung so charakteristisch wie ein Fingerabdruck. Er wird zur Identifikation von Substanzen verwendet, in dem er mit einem vorhandenen Vergleichsspektrum verglichen wird.
Der linke Bereich (von etwa 1000 bis 4000 cm⁻¹) enthält charakteristische Banden funktioneller Gruppen. Dieser Bereich wird für die Identifizierung von Bindungstypen genutzt.
6.1. Funktionelle Gruppen
Da funktionelle Gruppen aus unterschiedlichen Atomen und Bindungen bestehen, hat jede funktionelle Gruppe einen charakteristischen Bereich, in dem sie "schwingt". Folgende Tabelle gibt eine Übersicht für wichtige funktionelle Gruppen:[1][2][3]
Substanzklasse | Fragment | Wellenzahlbereich in cm-1 |
---|---|---|
Alkane (C-C-Einfachbindung) | -C-H | 2.860 - 2.860 |
Alkene (C-C-Doppelbindung) | =C-H | 3.000 - 3.100 |
C=C | 1.500 - 1.650 | |
Alkine (C-C-Dreifachbindung) | C-H | 3.250 - 3.300 |
CC | 2.100 - 2.150 | |
Aromaten | =C-H | 3.000 - 3.100 |
Alkohole | O-H | 3.200 - 3.600 |
C-OH | primär: 1.000 - 1.075 sekundär: 1.090 - 1.120 tertiär: 1.100 - 1.210 | |
Amine | N-H | 3.200 - 3.500 |
Nitrile, Isonitrile | CN | 2.200 - 2.260 |
Carbonyle | C=O | 1.670 - 1.725 |
7. Klinik
Die IR-Spektroskopie kann in vielen Bereichen der Medizin eingesetzt werden. In der Urologie dient sie z.B. der Untersuchung von Urin oder abgegangenen Harnsteinen. In Blutproben kann der Sauerstoffgehalt gemessen oder eine Krebserkrankung erkannt werden.
Derzeit (2025) wird der Einsatz der IR-Spektroskopie bei Diabetes zur nicht-invasiven Messung der Glukosekonzentration im Blut untersucht.
8. Weblink
9. Quellen
- ↑ Dickschat. Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie. Universität Bonn, abgerufen am 24.02.2025
- ↑ Charakteristische Gruppen und ihre Schwingungen, abgerufen am 24.02.2025
- ↑ Lehmann. IR-Spektroskopie. FU-Berlin. SS 1996/ WS 2010