Hypersexualität
Synonym: Sexsucht
Definition
Der Begriff Hypersexualität beschreibt ein über die Norm hinausgehendes sexuelles Verlangen bzw. eine deutlich übersteigerte sexuelle Appetenz. Es ist ein Begriff aus Medizin, Sexualwissenschaft, Psychotherapie und klinischer Psychologie.
Formen
Die Hypersexualität lässt sich nur schwer als einheitliches Störungsbild definieren, da sie sehr verschiedene Ausprägungen und viele unterschiedliche Ursachen haben kann, u.a.
- hormonelle Störungen (LH, Testosteron)
- Einnahme bestimmter Medikamente
- psychische Erkrankungen
- Impulskontrollstörungen
- Drogenabusus (v.a. Kokain)
Darüber hinaus treten sexuelle Funktionsstörungen auch ohne erkennbare Ursache auf.
Geschichte
Eine übersteigerte sexuelle Appetenz wird seit vielen Jahrhunderten beschrieben. Im Jahre 1830 definierten die beiden französischen Psychiater Esquirol und Pinel das unnatürliche Verlangen nach Sex als Störungsbild und gaben ihm den Namen "Erotomanie". Der Wissenschaftler Krafft-Ebing nannte es 1886 "sexuelle Hyperästhesie". Weitere seitdem gängige Begriffe für das Phänomen sind:
- Sexsucht
- Sexualsucht
- Hypererotizismus
- Hyperlibido
- Sexualabhängigkeit
- Sexualzwang
Ältere, heute (2024) in der Medizin nicht mehr verwendete Begriffe sind Satyriasis oder Nymphomanie.
Differenzierung
Die Grenze zwischen normalem und unnormalem sexuellen Verhalten zu ziehen, fällt in den meisten Fällen schwer. Jeder Mensch besitzt eine unterschiedlich hohe sexuelle Appetenz. Während Sex für die eine Person eine geringere Rolle spielt, stellt eine andere Person den Geschlechtsverkehr in den Mittelpunkt ihres Lebens. Beides gehört aber zum normalen Spektrum der verschiedenen sexuellen Aktivitätsstufen der Bevölkerung. Sofern keine krankhaften Paraphilien wie Pädophilie, Zoophilie, Nekrophilie etc. vorliegen, ist es demnach sehr schwer zu differenzieren, wer an einer sexuellen Störung leidet, und wer nicht. Dennoch gibt es eine zahlenmäßig nicht eindeutig festlegbare Grenze, ab wo man von einem pathologischen sexuellen Verhalten sprechen kann. Hierbei kann auch das Befinden des jeweiligen Partners ein wichtiger Indikator für die Diagnosestellung sein. Fühlt dieser sich nur noch überfordert, spricht dies für das Vorhandensein eines krankhaft übersteigerten Sexualtriebs des Partners.
Symptome
Folgende Faktoren können Hinweise auf eine Hypersexualität sein:
- permanente sexuelle Appetenz
- Gefühl, nie völlig befriedigt zu sein, "immer mehr zu brauchen"
- den Partner einengendes Verhalten in Bezug auf Sex
- übermäßige Masturbation
- starker Konsum von Pornografie
- Telefonsex
- sexuell aufdringliches Verhalten auch gegenüber Fremden
- Vernachlässigung von Beruf
- Verschlechterung von sozialen Kontakten
- Einengung des Interessenspektrums
- bei sexueller Enthaltung psychische Entzugssymptome und Stress-Verhalten
Diagnose
Eine Diagnose kann allein durch die Beobachtung und Bestätigung der genannten Symptome sowie durch ausführliche Befragung von Patient, Partner und Angehörigen erfolgen. Einen objektiven medizinischen Beweis (durch Laboruntersuchungen oder bildgebende Verfahren) existiert nicht.
Therapie
- ausführliche Suchttherapie (Wiedererlangen der Fähigkeit, "nein" zu sagen)
- Verhaltenstherapie
- Gesprächstherapie
- Gruppentherapie
- Paartherapie
- Gabe spezifischer Psychopharmaka (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer z. B. helfen zum einen, mögliche Stimmungseinbrüche im Rahmen der Entwöhnung zu mildern, zum anderen haben einige SSRI einen libido-schwächenden Effekt)
- Erlernen von zölibatären Phasen (Enthaltsamkeit über einen längeren Zeitraum)
- Teilnahme an Selbsthilfegruppen