Herzgeräusch (Pferd)
Englisch: heart murmur
Definition
Herzgeräusch beim Pferd sind pathologische Strömungs- bzw. Klappengeräusch des Herzens. Sie müssen von physiologischen Herztönen unterschieden werden.
Pathophysiologie
Herzgeräusche sind das Resultat von Turbulenzen, die während intrakardialer Blutflüsse entstehen. Solche Turbulenzen kommen am häufigsten bei pathologisch veränderten Herzklappen vor.
Da beim Pferd stenotische Veränderungen an den Herzklappen selten auftreten, weisen Herzgeräusche in der Regel auf Herzklappeninsuffizienzen hin. Durch den insuffizienten Klappenschluss während den verschiedenen Herzphasen (Systole oder Diastole) kommt es zur Regurgitation von Blut in den vorgeschalteten Hohlraum (z.B. Herzkammer oder Herzvorhof). Dieser unphysiologische und retrograd gerichtete Blutfluss kann - abhängig vom Schweregrad - auskultatorisch als Herzgeräusch wahrgenommen werden.
Herzgeräusche müssen von physiologischen Herztönen (Herzton durch Kontraktion des Ventrikels) sowie von funktionellen Herzgeräuschen (Fließgeräuschen) abgegrenzt werden. Funktionelle Herzgeräusche entstehen nicht aufgrund pathologisch veränderter Herzklappen, sondern aufgrund des normalen Blutflusses durch die verschiedenen Herzklappen während der Herzaktion. Solche Herzgeräusche können vermehrt bei Fohlen, jungen Pferden sowie trainierten Rennpferden beobachtet werden. Systolische Fließgeräusche (systolische Austreibungsgeräusche) entstehen während des normalen Blutflusses durch die Taschenklappen (Punctum maximum über der Aorten- und Pulmonalklappe). Diastolische Fließgeräusche entstehen analog infolge des Blutflusses durch die Segelklappen bzw. durch die schnelle diastolische Füllung der Ventrikel.
Solche funktionellen Herzgeräusche können auch bei Fieber, Kolik und starken Schmerzen beobachtet werden. Ihnen zugrunde liegen intrakardiale Blutflussturbulenzen aufgrund einer stressbedingten Steigerung der Herzfrequenz mit erheblichem Anstieg der Blutflussgeschwindigkeit. Zusätzlich können rheologische Veränderungen aufgrund reduzierter (z.B. Anämie oder erhöhter (z.B. Hämokonzentration) Blutviskosität funktionelle Herzgeräusche auslösen.
Beurteilung
Pathologische Herzgeräusche werden nach ihrem Auftreten während der Herzaktion, der Lautstärke, dem Punctum maximum sowie dem Klangcharakter unterteilt.
...nach Herzaktion
...nach Lautstärke
- 1/6: Herzgeräusch nur mit Mühe bei der Auskultation hörbar (für geübtes Ohr)
- 2/6: Herzgeräusch leise, jedoch immer hörbar
- 3/6: Herzgeräusch laut hörbar (für ungeübtes Ohr gut wahrnehmbar)
- 4/6: Herzgeräusch laut hörbar, zusätzlich Schwirren wahrnehmbar
- 5/6: Herzgeräusch auch ohne vollständiges Ansetzen des Stethoskops hörbar
- 6/6: Herzgeräusch auch ohne Stethoskop laut hörbar
...nach Punctum maximum
Zusätzlich sollte ein Herzgeräusch mittels Ermittlung des Punctum maximum klassifiziert werden. Als Punctum maximum bezeichnet man jene Stelle am Thorax, bei der das Herzgeräusch am deutlichsten und am lautesten hörbar ist.
...nach Klangcharakter
Die Geräuschentwicklung kann anhand ihres Klangcharakters (z.B. leiser werdend) zusätzlich beschrieben und in die Beurteilung des Herzgeräusches mit einbezogen werden. Häufige Beschreibungen sind z.B.:
- crescendoform: das Herzgeräusch fängt leise an und wird stetig lauter
- decrescendoform: das Herzgeräusch fängt laut an und wird stetig leiser
Literatur
- Marr CM. Cardiac murmurs: valvular regurgitation and insufficiency. In: Marr CM, Bowen IM (Editors). 2010. Cardiology of the horse. Second edition. Saunders Elsevier Limited. 207-2016. ISBN: 978-0-7020-2817-5
- Gehlen H, Hopster-Iversen C, Schmitz RR. Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 237-283. ISBN: 978-3-13-219621-6