Henle-Schleife
nach dem deutschen Anatomen Friedrich Gustav Jacob Henle (1809-1885)
Synonyme: Henle'sche Schleife, Ansa nephroni, Ansa nephrica, Nephron-Schleife
Englisch: Henle's loop
Definition
Als Henle-Schleife bezeichnet man den im Nierenmark (Medulla renalis) gelegenen schleifenförmigen Abschnitt des renalen Tubulussystems.
Histologie
Gliederung
Die Henle-Schleife ist ein funktionelles System verschiedener Tubulusanteile. Sie besteht aus
- dem geraden Teil (Pars recta) des proximalen Tubulus (Tubulus proximalis), dem
- Intermediärtubulus und dem
- geraden Teil des distalen Tubulus (Tubulus distalis)
Funktionell betrachtet wird sie untergliedert in
- einen dünnen absteigenden Schenkel = Intermediärtubulus und
- einen dicken aufsteigenden Schenkel = Pars recta des distalen Tubulus
Morphologie
Im histologischen Präparat zeigen die verschiedenen Tubulusanteile der Henle-Schleife Unterschiede in ihrer Lumenweite und ihrer Zellmorphologie:
- Proximaler Tubulus: Das Epithel des proximalen ist isoprismatisch mit apikalem Bürstensaumbesatz und basaler Streifung. Die Epithelzellen sind eosinophil, Zellgrenzen sind nicht zu erkennen. Das Lumen erscheint im Längsschnitt verwaschen.
- Intermediärtubulus: Die Epithelzellen der Intermediärtubuli sind abgeplattet, das Lumen ist kapillarähnlich eng.
- Distaler Tubulus: Das Epithel des distalen Tubulus ist insgesamt flacher als das des proximalen Tubulus. Es besitzt keinen Bürstensaum. Die Zellkerne sind abgeplattet (linsenförmig).
Lokalisation
Bei der Strukturdiagnostik ist zudem die Lokalisation der einzelnen Tubulusanteile zu berücksichtigen:
- Die Partes rectae der proximalen Tubuli befinden sich innerhalb der Markstrahlen (Radii medullares) und dem Außenstreifen des Außenmarks.
- Die Partes rectae der distalen Tubuli kommen ebenfalls dort vor, erstrecken sich jedoch bis in den Innenstreifen des Außenmarks.
- Die Intermediärtubuli kommen ausschließlich im Innenstreifen des Außenmarks und im Innenmark vor.
Physiologie
Die Funktion der Henle-Schleife besteht in der Harnkonzentrierung mittels transzellulärer Wasserrückresorption im Bereich des absteigenden dünnen Schenkels. Dieser ist im Gegensatz zu den wasserdichten epithelialen Schlussleisten des aufsteigenden dicken Schenkels wasserdurchlässig.
Initiiert wird die Wasserresorption durch einen NaCl-Konzentrationsgradienten zwischen Interstitium und Primärharn des absteigenden dünnen Schenkels. Dieser Gradient wird durch epitheliale Transportmechanismen des dicken aufsteigenden Schenkels erzeugt.
Über basale Natrium-Kalium-ATPasen des Epithels werden aktiv intrazelluläre Natriumionen ins Interstitium gepumpt. Hierdurch entsteht ein Natriumgradient zwischen Lumen und Intrazellularraum, der passiv Natriumionen über einen Na-K-2Cl-Cotransporter (NKCC2) der apikalen (lumenseitigen) Zellmembran in die Zellen schleust. Die intrazellulär anfallenden Cl--Ionen verlassen die Zelle durch einen basalen Kanal, ebenfalls ins Interstitium.
Das der in der Henle-Schleife zu Grunde liegende Prinzip der Harnkonzentrierung wird auch als Gegenstromprinzip bezeichnet.
Pharmakologie
Der Natrium-Kalium-2Chlorid-Symporter (NKCC2) des dicken aufsteigenden Teils der Henle-Schleife lässt sich selektiv mittels Schleifendiuretika (z.B. Furosemid, Torasemid) hemmen. Hierdurch wird der Wasserresorptionsmechanismus zu Gunsten der Diurese unterbunden.
Pathophysiologie
Bedingt durch einen Gendefekt kann eine Fehlexpression von NKCC2 vorliegen, die einen renalen Salzverlust mit gesteigerter Diurese zur Folge hat (antenatales Bartter-Syndrom).
Podcast
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