Fremdsprachen-Akzent-Syndrom
Englisch: foreign accent syndrome
Definition
Das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom, kurz FAS, ist eine seltene neurologische Sprachstörung, bei der Betroffene plötzlich mit einem Akzent sprechen, der als fremd oder ausländisch wahrgenommen wird – obwohl sie diesen Akzent nie aktiv gelernt haben. Die Muttersprache bleibt dabei erhalten, aber Aussprache, Rhythmus und Intonation verändern sich auf auffällige Weise.
Symptome
Menschen mit FAS sprechen plötzlich mit einem Akzent, der oft als spezifisch national oder regional eingeordnet wird (z.B. französisch, osteuropäisch, asiatisch), ohne dass sie je längere Zeit in der betreffenden Sprachregion gelebt oder den Akzent geübt hätten. Die Veränderung betrifft meist Laute, Betonungsmuster, Sprachmelodie und Sprachrhythmus. Für Außenstehende klingt es, als hätte die betroffene Person eine neue Muttersprache angenommen.
Oft geht die Veränderung mit weiteren Sprachstörungen wie verlangsamter Sprache, veränderter Wortbetonung oder Artikulationsstörungen einher.
Das FAS bringt für Betroffene nicht nur eine sprachliche Veränderung, sondern auch erhebliche soziale und emotionale Belastungen mit sich. Viele erleben einen Identitätsverlust, da sich ihre eigene Stimme plötzlich fremd anhört, ein Umstand der zu Scham, Unsicherheit und Selbstzweifeln führen kann. Das Umfeld reagiert häufig mit Unverständnis oder Misstrauen, da der neue Akzent als absichtlich oder künstlich wahrgenommen wird. In extremen Fällen kann der vermeintlich „fremde“ Akzent zur Ausgrenzung führen.
Der psychische Druck wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass das FAS in der medizinischen Praxis kaum bekannt ist und selten sofort richtig diagnostiziert wird. Eine frühzeitige Anerkennung der Störung sowie empathische Begleitung sind wichtig, um die sozialen Folgen abzufedern.
Ätiologie
Das FAS ist in den meisten Fällen die Folge einer neurologischen Schädigung, z.B. durch Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Hirntumor oder selten durch entzündliche Prozesse. Die Störung betrifft meist Sprachzentren im Gehirn, insbesondere im Bereich des linken Frontallappens oder der motorischen Sprechsteuerung. In seltenen Fällen wird auch über psychogene Ursachen berichtet, etwa im Zusammenhang mit Trauma, Konversion oder psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt meist durch ein interdisziplinäres Team aus Neurologen, Logopäden und Sprachwissenschaftlern. Neben bildgebenden Verfahren wie MRT oder CT zur Erkennung möglicher Hirnschäden kommen auch phonetische Analysen und sprachtherapeutische Tests zum Einsatz. Wichtig ist die Abgrenzung zu anderen Sprachstörungen, etwa Aphasie oder Dysarthrie.
Behandlung
Aktuell (2025) gibt es keine standardisierte Therapie des FAS. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache: Bei neurologischer Schädigung steht die logopädische Therapie im Vordergrund, um Sprachrhythmus und Aussprache wieder zu normalisieren. Bei psychogener Ursache können psychotherapeutische Ansätze und ggf. medikamentöse Unterstützung helfen. Eine vollständige Rückkehr zum ursprünglichen Sprachmuster ist möglich, aber nicht garantiert.
Trivia
Das Fremdsprachen-Akzent-Syndrom wurde erstmals 1907 vom französischen Neurologen Pierre Marie (1853 - 1940) beschrieben. Ein moderner und viel beachteter Fall wurde 1941 von dem norwegischen Neurologen Georg Herman Monrad-Krohn (1884-1964) dokumentiert: Eine Norwegerin entwickelte nach einer Hirnverletzung einen starken „deutschen Akzent“, was im besetzten Norwegen zu sozialer Ausgrenzung führte.