Dysplastischer Nävus
Synonyme: dysplastischer Nävus, atypischer Nävus, Clarkscher melanozytärer Nävus, Clark-Nävus
Englisch: dysplastic nevus, atypical mole, atypical melanocytic nevus, atypical nevus, B-K mole, Clark's nevus, dysplastic melanocytic nevus
Definition
Ein dysplastischer Nävus ist ein gutartiger Nävuszellnävus mit Kern- und Zellatypien sowie histoarchitektonischen Unregelmäßigkeiten.
Hintergrund
Ob ein dysplastischer Nävus ein Übergangsstadium vom melanozytären Nävus zum malignen Melanom darstellt, ist umstritten. Bisher existieren keine reproduzierbaren und allgemein akzeptierten Kriterien für die Diagnose eines dysplastischen Nävus. Als gesichert gilt, dass ein gehäuftes Vorkommen dysplastischer Nävi das Risiko erhöht, irgendwann im Leben an Hautkrebs zu erkranken.
Der Begriff "dysplastisch" sollte lediglich für die histologische Beschreibung, die Bezeichnung "atypisch" für die klinische Befundung verwendet werden. Die Korrelation zwischen klinischen Atypiezeichen und histologischer Dysplasie ist nicht regelmäßig gegeben.
Epidemiologie
Ein dysplastischer Nävus entsteht i.d.R. ab dem 2. Lebensjahrzehnt. Nävuszellnävi, die nach dem 35. Lebensjahr entstehen, sind obligat dysplastisch. Die Prävalenz in der kaukasischen Bevölkerung beträgt 2-8 %.
Ätiologie
Risikofaktoren
Risikofaktoren für das Auftreten eines dysplastischen Nävus sind:
- familiäre Belastung
- hohe Anzahl an dysplastischen Nävi
- akute, exzessive Sonnenexposition (v.a. in der Jugend)
Genetik
Die Gesamtzahl dysplastischer Nävi wird polygen bestimmt. Dem Nävusdysplasiesyndrom (FAMMM-Syndrom) liegt eine autosomal-dominant vererbte Mutation im CDKN2A-Gen (Genlokus 9p21.3) zugrunde.
Klinik
Atypische Nävi können an jeder Stelle des Körpers auftreten. Prädilektionsstelle ist der Stamm, bei Frauen v.a. die Brustregion.
Atypische Nävi zeigen folgende Charakteristika, die jedoch auch für flache Melanome gelten (ABCDE-Regel):
- Größe: oft > 5 mm (meist 5-12 mm) und damit größer als gewöhnliche Nävuszellnävi
- Symmetrie: oft asymmetrisch
- Begrenzung: unregelmäßig und unscharf
- Pigmentierung: variabel, meist hell- bis mittelbraun, seltener rosafarben. Schwarze Herde innerhalb dysplastischer Nävuszellnävi sind suspekt auf das Vorliegen eines initialen malignen Melanoms.
- Oberfläche: flach bis lichenoid, oft spiegeleiförmig mit erhabenem Zentrum und flacher Peripherie
Pathohistologie
Pathohistologisch zeigt sich ein dysplastischer Nävus durch nebeneinanderliegende einzelne Nävuszellen und unregelmäßigen Nestern in der Basalschicht. Einzelne Nävuszellen stiegen in höhere Epidermislagen auf. Die seitliche Begrenzung ist unscharf. Weiterhin findet sich das sogenannte Schulterphänomen, also auslaufende epidermale Nävusanteile, die dermale Anteile überragen. Weitere Befunde sind:
- Elongation der Reteleisten, die von Nävuszellen umrandet werden
- Konfluenz der Nester mit Überbrückung mehrerer Reteleisten ("bridging")
- lymphozytäres Infiltrat und Fibrosierung im oberen Korium
- vereinzelte Zell- und Kernatypien der Nävuszellen
- epidermolytische Hyperkeratose
- kein infiltratives Wachstum
Immunhistochemisch zeigt sich eine Expression der melanozytären Marker S-100, Melan A und HMB-45, wobei die dermalen Zellen meist HMB-45-negativ sind oder eine Abnahme der Färbeintensität zur Tiefe aufweisen.
Differenzialdiagnosen
Entscheidend ist die Abgrenzung eines dysplastischen Nävus zu gewöhnlichen melanozytären Nävus (vom Junktionstyp, vom Compoundtyp und vom dermalen Typ) sowie zum malignen Melanom. Bei letzterem zeigt sich eine asymmetrische Architektur, eine unscharfe seitliche Begrenzung, eine transepidermale Migration atypischer Melanozyten sowie eine fehlende Ausreifung der dermalen Komponente.
Therapie
Suspekte Nävuszellnävi werden i.d.R. im Gesunden exzidiert, also mit ausreichendem Sicherheitsabstand zur Seite und zur Tiefe. Im Anschluss erfolgt eine Untersuchung des entnommenen Hautmaterials beim Pathologen. Stellt dieser einen dysplastischen Nävus ohne Anhalt für Malignität fest, ist keine weitere Therapie notwendig. Wurde nicht im Gesunden entfernt, wird in der Regel das Areal nochmals weiträumiger nachoperiert, um Rezidive zu vermeiden, die histologisch oft schwerer bewertbar sind. Wer mehrere dysplastische Nävi aufweist, erhält auch die Empfehlung, häufiger zum Hautkrebs-Screening vorstellig zu werden als Patienten ohne dysplastische Nävi.
Prognose
Ob sich aus einem dysplastischen Nävus ein malignes Melanom entwickeln kann, ist umstritten. Das Risiko eines Melanoms beträgt bei hellhäutigen Menschen 0,5 %, bei Patienten mit Nävusdysplasiesyndrom 8-10 % und bei multiplen dysplastischen Nävi und mindestens 2 Verwandten I° mit Melanomen 100 %.
Literatur
- Farber MJ et al. Dysplastic nevi, Dermatol Clin. 2012;30(3):389-404, abgerufen am 15.09.2020
- Clarke LE Dysplastic nevi, Clin Lab Med. 2011;31(2):255-265, abgerufen am 15.09.2020
- Baigrie D, Tanner LS. Dysplastic Nevi, In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; August 13, 2020, abgerufen am 15.09.2020