Biosimilar
Synonym: biosimilares Arzneimittel
Definition
Biosimilars sind Nachahmerpräparate biologischer Arzneimittel (Biologika), die nach Ablauf des Patentschutzes eines bereits zugelassenen Produktes auf den Markt kommen. Sie sind also das Äquivalent zu den Generika bei den chemischen Arzneistoffen.
Hintergrund
Biologika sind Wirkstoffe, die selbst biologische Stoffe sind oder in lebenden Zellen oder Organismen hergestellt werden. Dazu gehören Peptide, Proteine oder Nukleinsäuren. Der Großteil der aktuell verfügbaren Biologika sind therapeutische Antikörper.
Durch die komplexe Proteinstruktur und den sensiblen biotechnologischen Herstellungsprozess ist es im Gegensatz zu chemischen Arzneimitteln nicht möglich, Nachahmerprodukte mit identischer Struktur herzustellen. Zum Beispiel kann es bei Proteinen zu geringen Abweichungen im Glykosylierungsmuster oder in der Tertiärstruktur kommen. Biosimilars sind also nur wirkstoffähnlich zum bereits zugelassenen Referenz-Biologikum und müssen anders als Generika hohe Zulassungsanforderungen erfüllen. Durch klinische Studien muss nachgewiesen werden, dass Biosimilars in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit therapeutisch gleichwertig zum bereits zugelassenen Biologikum sind.
Zulassung
Anforderungen
Die Zulassung von Biosimilars erfolgt zentral in der EU und wird durch mehrere Leitlinien der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geregelt. Im Zulassungsverfahren muss nachgewiesen werden, dass zwischen Biosimilar und bereits zugelassenem Referenz-Biologikum keine klinisch relevanten Unterschiede hinsichtlich Struktur und Funktion bestehen. Dazu müssen folgende Unterlagen und Studienergebnisse eingereicht werden:
- Dossier zur pharmazeutischen Qualität: Zum Nachweis, dass das Biosimilar die gleiche pharmazeutische Qualität wie das Referenz-Biologikum hat. Bei biosimilaren Proteinen wird z.B. die gleiche Aminosäuresequenz, die gleiche Proteinfaltung und die gleiche biologische Aktivität wie das Referenzprodukt gefordert. Kleine Unterschiede bezüglich posttranslationaler Modifikationen sind in einem zulässigen Umfang erlaubt, solange sie nicht klinisch relevant sind.
- Präklinische pharmakologisch-toxikologische Studien: Dienen der pharmakologischen Charakterisierung des Biosimilars im Vergleich zum Referenzprodukt. Unter anderen muss die Halbwertszeit ermittelt werden, um bei Unterschieden zum bereits zugelassenen Biologikum ggf. Anpassungen der Dosierung abzuleiten. Auch in-vitro-Rezeptorbindungsstudien oder andere Assays zur Charakterisierung können Teil der präklinischen Studien sein.
- Klinische Studien: Zum Nachweis, dass das Biosimilar die gleiche klinische Wirksamkeit und Sicherheit wie das Referenzarzneimittel hat. Dabei muss das in der vergleichenden klinischen Studie untersuchte Biosimilar die gleiche Darreichungsform und den gleichen Applikationsweg wie das Referenz-Biologikum haben. Die Wirksamkeit an sich bzw. der klinische Nutzen für den Patienten muss nicht neu belegt werden, da dieser Nachweis bereits beim Referenz-Biologikum erbracht wurde.
Generell sind die Anforderungen an die pharmazeutische Qualität für alle Biosimilars gleich. Hingegen werden die Anforderungen an die klinische Wirksamkeit und Sicherheit in verschiedenen wirkstoffspezifischen Leitlinien geregelt. So sind z.B. für rekombinantes humanes Insulin Studien zur Pharmakokinetik und -dynamik ausreichend, während für Erythropoetin zusätzlich zwei doppelblinde, randomisierte Studien gefordert werden.
Extrapolation
Wenn das Referenz-Biologikum für mehrere Indikationen zugelassen ist, ist in der Regel beim Zulassungsantrag für das Biosimilar nur der Wirksamkeitsnachweis in einer der zugelassenen Indikationen notwendig. Wenn keine klinisch relevanten Unterschiede zum Referenzprodukt bestehen und der für die anderen Indikationen relevante Wirkmechanismus gleich ist, fordert die EMA keine zusätzlichen klinischen Studien. Die Zulassung des Biosimilars darf dann auf die anderen Indikationen extrapoliert werden.
Substitution
Biosimilars sind im Vergleich zu chemischen Generika in Deutschland nicht in der Apotheke substituierbar. Dies ist darin begründet, dass Biosimilars nicht identisch, sondern nur wirkstoffähnlich zum Referenz-Biological sind. Zwar sind sie - wie durch das Zulassungsverfahren bestätigt - als äquivalent bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit anzusehen, die Verordnungsentscheidung liegt jedoch beim Arzt. Das ist gerade zur Dokumentation und Überwachung der Therapie mit biologischen Arzneimitteln wichtig. Nur so kann beim Auftreten von Nebenwirkungen nachvollzogen werden, unter welchem Präparat diese aufgetreten sind.
Im aktuellen Leitfaden Biosimilars der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wird empfohlen, den Patienten in der ersten Zeit nach der Umstellung engmaschig zu überwachen.[1]
Bisherige Erfahrungen
Das Wachstumshormon Somatotropin wurde 2006 als erstes Biosimilar zentral in der EU zugelassen. Derzeit haben bereits 68 Biosimilars die EU-Zulassung erhalten (Stand 02/2022).[2] Bisher wurden für kein einziges Biosimilar Unterschiede zum Referenz-Biologikum bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen berichtet. Dies bestätigt die therapeutische Gleichwertigkeit der kostengünstigeren Biosimilars.
Gerade bei der Ersteinstellung auf ein biologisches Arzneimittel sollen laut AkdÄ bevorzugt Biosimilars eingesetzt werden. Der vermehrte Einsatz von Biosimilars soll durch wirkstoffspezifische Verordnungsquoten gefördert werden, die bereits von einigen kassenärztlichen Vereinigungen festgelegt wurden.
Quellen
- ↑ [1] Leitfaden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Biosimilars, 1. Auflage, Version 1.1, August 2017.
- ↑ Übersicht über zentralisiert in der EU zugelassene Biosimilars, abgerufen am 12.02.2022
um diese Funktion zu nutzen.