Avulsionsfraktur des Knies
Synonym: Avulsionsfraktur des Kniegelenks
Englisch: avulsion of the knee
Definition
Avulsionsfrakturen des Knies sind knöcherne Ausrisse von Bändern oder Sehnen im Bereich des Kniegelenks.
Formen
Vorderes Kreuzband
Beim vorderen Kreuzband (ACL) sind meist die distalen Anteil an der Area intercondylaris anterior tibiae von einer Avulsionsfraktur betroffen. Seltener findet sich ein proximaler Ausriss an der superolateralen Fossa intercondylaris femoris.
Hinteres Kreuzband
Das hintere Kreuzband (PCL) ist ebenfalls meist im distalen Anteil am hinteren Tibiaplateau bzw. an der Area intercondylaris posterior tibiae betroffen. Seltener ist die Avulsion proximal an der anteromedialen Fossa intercondylaris femoris lokalisiert.
Mediales Kollateralband
Proximale Avulsionsfrakturen des medialen Kollateralbands (MCL) betreffen die mediale Femurkondyle distal des Tuberculum adductorium. Im distalen Anteil unterscheidet man zwischen den:
- tiefen kapsulären Fasern (meniskotibiale Ligamente): am medialen Tibiarand auf Höhe des Gelenkspalts (umgekehrte Segond-Fraktur). Sie ist häufig assoziiert mit einer Ruptur oder tibialen Avulsion des hinteren Kreuzbands.
- oberflächlichen Fasern: am medialen Tibiarand 6 bis 7 cm unterhalb des Gelenks
Laterales Kollateralband
Beim lateralen bzw. fibularen Kollateralband (FCL) unterscheidet man je nach Lokalisation:
- proximal: laterale Femurkondyle
- distal (mit Bizeps-femoris-Sehne): laterales Fibulaköpfchen
Weitere Avulsionsfrakturen
- Posterolateraler Bandkomplex: Avulsionsfraktur an der Fibulaspitze ("Styloid"). Dabei findet sich ein bogenförmiges Kochenfragment ("Arcuate-Zeichen"). Geht meist mit Kreuzbandverletzungen einher.
- Tractus iliotibialis (ITB): am Tuberculum gerdyi (anterolaterale Tibia)
- Anterolaterales Ligament (ALL): sogenannte Segond-Fraktur mit Avulsion am lateralen Tibiarand. Teilweise ist auch der weiter anterior gelegene Tractus iliotibialis beteiligt. Häufig assoziiert mit eine Ruptur des vorderen Kreuzbands.
- Semimembranosus-Sehne: posteromedialer Tibiarand
- Patellarsehne: proximal am inferioren Patellapol (Patella-Sleeve-Fraktur) oder distal an der Tuberositas tibiae
- Mediales patellofemorales Ligament (mPFL): medialer Patellapol
Sonderformen, die durch chronische repetitive Zugbelastungen entstehen, sind:
- Morbus Osgood-Schlatter: am Ansatz der Patellarsehne an der Tuberositas tibiae
- Morbus Sinding-Larsen-Johansson: am Ursprung der Patellarsehnne am inferioren Pol der Patella
Klinik
Avulsionsfrakturen gehen mit Schmerzen und Zeichen der jeweiligen Bandinstabilität einher.
Diagnostik
Neben der körperlichen Untersuchung wird in der Regel eine Röntgenaufnahme angefertigt. Dabei kann ein kleines Knochenfragment (Flake) am Ansatz einer Sehne oder eines Bandes auffallen. Kleinere Fragmente können besser in der Computertomographie (CT) detektiert werden.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) wird eingesetzt, um assoziierte Begleitverletzungen zu erkennen. Außerdem kann ein Knochenmarködem auffallen. Kleine Avulsionsfragmente können in der MRT leicht übersehen werden.
Differenzialdiagnosen
- Bandverletzungen in der Nähe des knöchernen Verankerung
- Kortikale Frakturen ohne Bandabriss
- Heterotope Ossifikationen: können entlang der Bänder oder Sehnenverankerungen auftreten
- Freier Gelenkkörper: befindet sich im Gelenk
Literatur
- Beckett R et al. Avulsion fractures of the knee: a review of the pathophysiology, radiographic, and cross-sectional imaging features, Emerg Radiol. 2019;26(6):683-689