Abfüllen flüssiger Arzneimittel
Definition
Beim Abfüllen flüssiger Arzneimittel werden diese in ein Primärpackmittel überführt, das zur direkten Anwendung an den Patienten abgegeben werden kann. Ja nach Menge des Arzneimittels und Größe des Behältnisses werden verschiedene Maschinen und Techniken eingesetzt.
Abfüllung in der Apotheke
Das Abfüllen von Arzneimitteln ist eine pharmazeutische Tätigkeit und darf deshalb nur von pharmazeutischem Personal durchgeführt werden. Flüssige Arzneimittel, die in der Apotheke hergestellt werden, sind v.a. Suspensionen, Emulsionen, Lösungen und Augentropfen. Nach der Herstellung werden diese manuell in das Abgabegefäß (i.d.R. eine Flasche) abgefüllt und verschlossen.
Da Augentropfen steril sein müssen, können sie nicht mit direktem Luftkontakt in das Abgabegefäß gefüllt werden. Deshalb wird die Lösung in eine Spritze mit aufgesetztem Sterilfilter gefüllt und durch die Verpackung in eine sterilfiltrierte Tropfflasche filtriert. Nachdem das Gefäß in der Verpackung verschlossen wird, kann es aus dieser entnommen werden.
Abfüllung in der pharmazeutischen Industrie
Nicht-sterile Flüssigkeiten werden im industriellen Maßstab durch Dosiermaschinen in das gesäuberte Gefäß eingefüllt. Je nach Abgabegefäß unterscheidet sich dieser Prozess; Flaschen können durch einfache Dosiervorrichtungen befüllt werden.
Eine besondere Herausforderung ist die Abfüllung steriler Lösungen, v.a. Injektions- und Infusionslösungen, deren Herstellung einen Reinraum benötigt. Für die Befüllung von Fertigspritzen und Karpulen werden spezielle Maschinen benötigt. Pulver in Vials werden per Gefriertrocknung hergestellt.
Die Abgabegefäße können aus Kunststoff oder Glas bestehen. Vorteile von Glas sind dessen Transparenz, was eine visuelle Kontrolle des Inhalts erlaubt, dessen chemische Inertheit und die Möglichkeit, hitzesterilisiert zu werden. Alle Gefäße (mit Ausnahme von Ampullen) bestehen aus Glaskörper und Verschluss, der meist aus einem Elastomer (Kautschuk, Silikongummi) besteht und mit PTFE überzogen sein kann, um zu verhindern, dass Bestandteile des Gummis in die Arzneistofflösung gelangen. Auch die Verschlüsse müssen vor Abschließen des Gefäßes sterilisiert werden, i.d.R. per Wasserdampfsterilisation.
Abfüllung parenteraler Lösungen
Lösungen für den parenteralen Gebrauch müssen steril, pyrogenfrei und schwebstoffteilchenfrei sein. Daher muss die Abfüllung in einer sauberen Umgebung stattfinden, die diese Kriterien ermöglicht. Aus diesem Grund wurden Abfüllanlagen für Parenteralia entwickelt, bei denen verschiedene Stationen hintereinander ablaufen:
- Reinigung der Gefäße: Die Gefäße werden mit steriler Luft ausgeblasen und mit sterilem und filtriertem Wasser gespült. Ampullen werden hierfür auf ein Nadelrad aufgenommen; Vials über ein Zangensystem.
- Sterilisation: Die Sterilisation erfolgt meist in einem Sterilisationstunnel, in dem die Gefäße für ca. 10 min auf 200 °C erhitzt werden. Dabei werden sie getrocknet, sterilisiert und entpyrogenisiert.
- Befüllen und Verschließen: Die Befüllung erfolgt mit einem Drehkolben. Im Anschluss wird das Gefäß verschlossen: Ampullen durch Verschweißen in einer Gasflamme, Vials durch Aufsetzen eines Stopfens. Vor und nach dem Befüllen werden die Gefäße mit sterilem Stickstoff begast, um Sauerstoff zu verdrängen, welcher das Arzneimittel oxidieren könnte.
- Kodierung und Etikettierung der Gefäße: Nach dem Abfüllen wird jedes Gefäß ring- und farbkodiert, um das Produkt (maschinell) identifizieren zu können und Verwechslungen auszuschließen. Im Anschluss erfolgt die Etikettierung und Verpackung.
Die benötigte Reinraumklasse unterscheidet sich je nach Prozess. Da lediglich der Abfüllprozess ein kritischer Prozess ist (Kontakt des Arzneimittels mit der Umgebungsluft), muss dieser Teil der Maschine in einem 100er-Raum stehen. Für den Rest der Anlage genügt ein 1.000er-Raum.
Abfüllung von Kunststoffbehältnissen
Kunststoffgefäße können nach ihrer Steifheit in kollabierende Kunststoffbeutel und Hartkunststoffbehälter unterteilt werden.
Kollabierende Kunststoffbeutel ("Infusionsbeutel") sind aus weichen Kunststoffen wie ND-PE oder EVA gefertigt. Wenn miteinander inkompatible Flüssigkeiten aus einem Beutel zusammen verabreicht werden sollen, können Mehrkammerbeutel verwendet werden, die in ihrem Innern mehrere Kompartimente aufweisen. Der Herstellungs- und Befüllungsprozess läuft wie folgt ab:
- Prägung bzw. Bedrucken der Folie
- Anschlüsse für Schläuche und Infusionsbesteck werden aufgeschweißt.
- Falten der Folie, sodass man einen Beutel erhält und Verschweißen der Folie. Der Beutel ist bis auf die Anschlüsse geschlossen.
- Begasung, Befüllung, Nachbegasung und Verschließen des Beutels.
Hartkunststoffbehälter sind formstabil und werden für Injektionslösungen, Infusionen, Augentropfen, Nasensprays u.ä. verwendet. Die Herstellung erfolgt mit dem Form-Fill-Seal-Verfahren (= Bottlepack-Verfahren). Ähnlich wie bei Weichkapseln erfolgt hier die Herstellung und Füllung in einem Arbeitsschritt: Ein Granulat wird bei 200-300 °C in eine Form geleitet, wodurch sich ein Schlauch formt. Durch die hohen Temperaturen ist der Kunststoff automatisch steril und pyrogenfrei. Die Form schließt sich und es wird sterile Luft eingeblasen, wodurch der Schlauch den Umriss der Form annimmt. Anschließend wird der Behälter mit dem Arzneimittel befüllt und verschlossen.
Große Anlagen können 20.000 bis 50.000 Behältnisse pro Stunde befüllen (sowohl bei Plastik- als auch Glaspackmitteln).
Prüfungen
Laut Arzneibuch können Behältnisse wie folgt geprüft werden:
- Bestimmung des entnehmbaren Volumens (Ph. Eur.): Überprüfung, dass bei normaler Technik das deklarierte Volumen entnommen werden kann.
- Dichtigkeit von Ampullen: Die Ampulle wird in ein Hochspannungsfeld gelegt. Wenn die Ampulle defekt ist, wird bei gleich bleibender Spannung eine größere Stromstärke gemessen, da der elektrische Widerstand geringer ist.
- Dichtigkeit von Gummistopfen: Wird ein Gummistopfen durchgestochen, muss sich dieser danach wieder selbst abdichten. Dazu wird überprüft, ob bei leichtem Überdruck eine Methylenblaulösung in das Vial gelangen kann.
Darüber hinaus muss das Material des Behältnisses inert sein, darf also nicht mit dem Arzneistoff reagieren. Arzneistoff darf nicht in das Material des Gefäßes diffundieren können. Vor allem bei Kunststoffbehältnissen kann ein Teil des Arzneistoffes an das Material des Behältnisses binden ("Sorption").
Literatur
- Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017
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