Thalidomid
Handelsname: Thalidomide CelgeneTM, früher: Contergan®
Definition
Thalidomid ist ein Glutaminsäurederivat mit zentral dämpfenden, immunsuppressiven und entzündungshemmenden Wirkungen. Es gehört zur Gruppe der Piperidindione, die eine struktuelle Abwandlung der Barbiturate sind. Thalodomid ist eine chirale Verbindung, das heißt es kann in zwei verschiedenen Formen vorliegen. Man spricht dabei von S- oder R-Form.
Geschichte
Thalidomid wurde 1954 von der Firma Grünenthal in Aachen entwickelt und ab 1957 als Schlaf- und Beruhigungsmittel unter dem Markennamen Contergan® in Deutschland rezeptfrei verkauft.
Wirkung
Thalidomid wirkt beruhigend und schlaffördernd. Außerdem hat es entzündungshemmende, tumorwachstumshemmende sowie blutgefäßneubildungshemmende Eigenschaften. Ende der 1950er Jahre wurde Contergan auch wegen der Wirkung von Thalidomid gegen Übelkeit beworben.
Indikation
Auf Grund seiner entzündungshemmenden und tumorwachstumshemmenden Wirkung wird Thalidomid in letzter Zeit in bestimmten Indikationen wieder zur medikamentösem Therapie eingesetzt, u.a. bei Lepra, multiplen Myelom, sowie verschiendenen Haut- und Autoimmunkrankheiten. Voraussetzung für den Einsatz bei Frauen ist die konsequente Empfängnisverhütung während der Therapie.
Nebenwirkungen
Alllgemeine Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen von Thalidomid sind Somnolenz und Obstipation. Es können zudem ernste Nebenwirkungen wie tiefe Beinvenenthrombosen und periphere Neuropathien auftreten.[1]
Fetotoxizität
Wird Thalidomid in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft eingenommen, hat es dramatische Auswirkungen auf die Entwicklung des Embryos. Es blockiert den Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor), wodurch die Bildung der Blutgefäße gehemmt wird. Zudem bindet Thalidomid das Protein Cereblon, das mit weiteren Proteinen einen Ubiquitinligase-Komplex bildet. Dieser Komplex steuert unter anderem die Morphogenese der Gliedmaßen. Dementsprechend kommen die Neugeborenen mit erheblichen Fehlbildungen der Gliedmaßen und/oder der inneren Organe auf die Welt.[2]
Es ist in der Wissenschaft strittig, ob man einer der beiden Formen des Thalidomids die teratogene Wirkung zuschreiben kann, da im Contergan sowohl die S- als auch die R-Form vorlagen. Einige Wissenschaftler halten nur die S-Form für schädlich, während andere der Auffassung sind, dass es keine ungefährliche Form gibt, da sich beide Formen im Körper ineinander umwandeln.
Verordnung
In Deutschland wird die Abgabe Thalidomid durch den § 3a der Arzneimittelverschreibungsverordnung reguliert. Für die Verordnung muss ein T-Rezept verwenden werden. Patienten müssen darüber hinaus schriftlich versichern, dass sie unter Thalidomid-Therapie keine Familienplanung in Angriff nehmen und entsprechende Verhütungsmaßnahmen ergreifen.
Rezepturen
Derzeit stehen zwei thalidomidhaltige NRF-Rezepturen zur Verfügung.
- Thalidomid-Saft 2 % (m/V) (NRF 32.1.) ad 100,0 ml
- Thalidomid-Kapseln 50 mg / 100 mg / 150 mg / 200 mg (NRF 32.2.) ad 50 Stück
Weblinks
Quellen
- ↑ Dimopoulos et al.: Adverse effects of thalidomide administration in patients with neoplastic diseases, Am J Med, 2004
- ↑ Ito, T., H. Ando, T. Suzuki, T. Ogura, K. Hottaet al., 2010 Identification of a primary target of thalidomide teratogenicity. Science 327 (5971):1345–1350.