Röntgen-Thorax
Synonyme: Röntgenthorax, Röntgen-Thorax-Untersuchung, Thoraxübersichtsaufnahme
Englisch: chest x-ray
Definition
Als Röntgen-Thorax wird die standardisierte Untersuchung des Thorax durch Anfertigen von Röntgenaufnahmen bezeichnet. Ein Röntgen-Thorax gehört für viele medizinische Prozeduren (z.B. vor operativen Eingriffen) zur Basisdiagnostik.
Technik
Ein Röntgen-Thorax wird meist in sagittalen oder seitlichen (transversalen) Standardprojektionen durchgeführt. Seitaufnahmen sollten zwecks Senkung der Strahlenexposition routinemäßig nur bei Patienten über 35 Jahren und bei jüngeren Patienten mit unklaren Befunden im Sagittalbild angefertigt werden. Schrägaufnahmen, z.B. right anterior oblique (RAO), gelten heute als obsolet.
Untersuchungsvorbereitung
Vor der Untersuchung müssen alle extrakorporalen Fremdkörper (z.B. Schmuck) aus dem Bildfeld entfernt werden.
Sagittaler Strahlengang
Die Thoraxübersichtsaufnahme im sagittalen Strahlengang wird meist in stehender Körperposition und nach tiefer Inspiration durchgeführt. Aufnahmen in Expiration können bei der Abklärung eines Pneumothorax hilfreich sein. Beim Röntgen-Thorax im Stehen erfolgt der Strahlengang in posterior-anteriorer Richtung (p.a.-Projektion). Der Patient lehnt sich mit dem Brustkorb an das Rasterwandgerät. Die Hände sind in die Hüften gestützt, die Ellenbogen weit nach vorne gerichtet. Der obere Kassettenrand befindet sich in Höhe des 7. Halswirbelkörpers. Nach den Leitlinien der Bundesärztekammer sollte die Aufnahmespannung 125 kV (Hartstrahltechnik), der Fokus-Film-Abstand 180 cm und die Expositionszeit unter 20 ms betragen.
Sitzende oder liegende Patienten werden im anterior-posterioren Strahlengang (a.p.-Projektion) untersucht. Bei bettlägerigen Patienten wird die Film-Folien-Kassette zwischen Rücken und Matratze fixiert. Nach Möglichkeit sollte der Oberkörper etwas aufgerichtet werden. Die Schulterblätter werden durch Innenrotation der Arme aus dem Bildfeld gedreht. Der Film-Fokus-Abstand beträgt meist 100 cm. Liegendaufnahmen werden teilweise technisch bedingt mit einer Röhrenspannung von unter 100 kV (Weichstrahltechnik) durchgeführt.
Seitlicher Strahlengang
Bei der Thoraxübersichtsaufnahme im seitlichen Strahlengang steht der Patient mit seiner linken Körperseite am Rasterwandstativ. Die Arme sind nach ventrokranial angehoben. Der obere Kassettenrand liegt in Höhe des 7. Halswirbelkörpers. Der Zentralstrahl trifft den Körper eine Handbreit unter dem Zentrum der Axilla. Die Aufnahme erfolgt ebenfalls in Atemstillstand nach tiefer Inspiration. Die Aufnahmespannung beträgt i.d.R. 125 kV, der Fokus-Film-Abstand 180 cm, die Expositionszeit unter 40 ms. Selten werden Seitaufnahmen im Sitzen oder Liegen angefertigt.
Qualitätskriterien
Bei einer untersuchungstechnisch korrekt durchgeführten p.a.-Aufnahme sind folgende Kriterien erfüllt:
- Processus spinosus des dritten Brustwirbelkörpers projiziert sich mittig zwischen die Sternoklavikulargelenke
- Innenränder der Schulterblätter sind außerhalb der Lunge und des Rippenskeletts abgebildet
- Thoraxorgane, unteren Halsweichteile und die lateralen Sinus phrenicocostales sind vollständig erfasst
- Zwerchfellkuppe ist kaudal des dorsalen Anteils der 9. Rippe abgebildet
- Herz, Zwerchfell und große Gefäße sind scharf konturiert
Für die Seitaufnahme gelten folgende Kriterien:
- Die rechten und linken dorsalen Rippen projizieren sich aufeinander
- Die Lunge wird nicht durch die Arme überlagert
- Thoraxorgane incl. der dorsalen Sinus phrenicocostales sind vollständig erfasst
- Herz, Zwerchfell und große Gefäße sind scharf konturiert
Anatomie
Im Röntgen-Thorax bilden das Herz und die großen Gefäße einen Schatten, der durch folgende Strukturen begrenzt wird:
p.a.-Aufnahme | Rechts |
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Links |
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Seitbild | Ventral |
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Dorsal |
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Befund
Die Analyse eines Röntgen-Thorax erfolgt systematisch, um Details nicht zu übersehen. Anfangs werden die Patientendaten, Aufnahmedaten sowie Voraufnahmen überprüft. Anschließend werden folgende Aspekte beurteilt:
- Zwerchfell: Lage, Begrenzung, Konfiguration, Magenblase, Oberbauch (freie Luft?)
- Pleura: Pleuraerguss? Pneumothorax?
- Mediastinum: Größe, Begrenzung, Herz, Lymphadenopathie? Raumforderungen?
- Lungenhili: Position, Konfiguration, Lymphadenopathie?
- Atemwege, Lunge: Trachea, Bronchien, Verschattungen oder Aufhellungen der Lunge, Lungengefäßzeichnung
- Thoraxwand: Weichteilmantel incl. Mammae, Skelettstrukturen (v.a. Brustwirbelsäule, Rippen, Klavikula, Sternum)
- Fremdkörper: Magensonde? ZVK? Herzschrittmacher?
siehe Hauptartikel: Befundung eines Röntgen-Thorax
Diagnostische Bedeutung
Röntgen-Thorax-Untersuchungen werden zum Nachweis oder Ausschluß von Erkrankungen der Lungen, der Mediastinalorgane, des Rippenfells, begrenzt auch des knöchernen Brustkorbskelettes und des Herzens durchgeführt. Die radiologischen Befunde des Thorax liefern eine große Zahl von Erkenntnissen, die diagnostische und therapeutische Entscheidungen sehr weitgehend beeinflussen.
Die normale Lunge besteht aus dem Bronchialbaum mit den peripheren Alveolen, den Lungengefäßen und dem bindegewebigen Gerüst. Die Grundstruktur der Lungen wird durch die Gefäße geprägt, die als von den Lungenwurzeln zur Peripherie hin sich verzweigende und verjüngende, teils parallel, teils schräg oder im Querschnitt sich darstellende Schatten imponieren. Alveolen enthalten Luft und stellen sich somit im Einzelnen nicht dar. Von den Bronchien bilden sich nur die größeren auf dem Film ab. Somit entsteht eine "Hintergrundstruktur", die ein recht unruhiges Muster bildet. In diesem Muster können pathologische Veränderungen vom geübten Befunder oder einer entsprechenden Bildsoftware erkannt werden, wenn sie größer als ca. 4 mm im Durchmesser sind.
Das Herz stellt sich als birnenförmiger Schatten von etwa Faustgröße dar. Die erkennbaren Veränderungen betreffen Herzform und -größe. Durch die Echokardiographie hat der Röntgen-Thorax für die kardiologische Bewertung des Herzens keine große Bedeutung mehr. Bei Herzinsuffizienz sind jedoch valide Aussagen über ein kardiales Lungenödem mit entsprechenden therapeutischen Konsequenzen oft unverzichtbar. Weitere, wichtige Befunde liefern die Betrachtung des Mediastinums, der Pleura und der knöchernen Strukturen des Thorax.
Indikationen
Häufige Anlässe für einen Röntgen-Thorax sind:
- Thoraxschmerzen
- B-Symptomatik
- Hämoptoe
- Dyspnoe
- Unklare Entzündungskonstellation
Die häufigsten Indikationen sind:
- Ausdehnung und Verlaufskontrolle von klinisch manifesten Lungenerkrankungen (z.B. Pneumonie, Bronchialkarzinom)
- Ausschluss einer Lungenbeteiligung bei anderen Erkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz, Metastasen)
- Verdacht auf Pneumothorax
- Präventivuntersuchungen (z.B. Tuberkulose, Asbestexposition, Bronchialkarzinom)
- Präoperative Statuserhebung
Aussagekraft
Durch den Röntgen-Thorax erfassbare Pathologien sind u.a.:
- Pneumonie
- Pleuraerguss
- Pneumothorax
- Pulmonalvenöse Stauung
- Neoplasie (z.B. Lymphom, Bronchialkarzinom)
- Atelektase
Nur schwer erfassbar sind:
- Lungenembolie
- Aortendissektion
- intrakardiale Prozesse
Strahlenexposition
Röntgen-Thorax-Aufnahmen machen ca. 20 % aller bildgebenden Untersuchungen aus. Trotz der verhältnismäßig geringen effektiven Dosis von ca. 0,2 mSv ist eine strenge Indikationsstellung und Qualitätskontrolle erforderlich. Als diagnostische Referenzwerte bei Erwachsene gelten:
- Thorax p.a.:
- Dosis-Flächen-Produkt: 20 cGy x cm2
- Einfalldosis: 0,2 mGy
- Oberflächendosis: 0,3 mGy
- Thorax seitlich:
- Dosis-Flächen-Produkt: 100 cGy x cm2
- Einfalldosis: 1,1 mGy
- Oberflächendosis: 1,5 mGy
um diese Funktion zu nutzen.