Antibiotikaresistenz
Synonym: Bakterielle Resistenz
Englisch: antibiotic resistance
Definition
Unter Antibiotikaresistenz versteht man die Widerstandsfähigkeit von Bakterien gegen Antibiotika. Bei resistenten Bakterien führt die Behandlung mit einem bestimmten oder mehreren Antibiotika nicht zum Absterben bzw. der Wachstumshemmung der Bakterien.
Vergleichbare Resistenzen treten auch bei Pilzen, Viren, Protozoen und Parasiten auf.
Arten der Antibiotikaresistenz
Primäre Resistenz
Als primär wird eine Resistenz bezeichnet, wenn ein Antibiotikum bei einer bestimmten Gattung oder Spezies eine Wirkungslücke besitzt. So wirken beispielsweise Cephalosporine nicht bei Enterokokken (sog. Enterokokkenlücke), Ampicillin und Tigecyclin nicht bei Pseudomonas aeruginosa
Sekundäre Resistenz
Diese Form der Resistenz zeichnet sich durch den Verlust der Wirksamkeit eines Antibiotikums bei einem primär nicht resistenten Bakterium aus. Sie kann spontan durch Mutation oder durch Übertragung entstehen.
- Resistenz durch Mutation: Mutationen im Genom finden in einer Größenordnung von ca. 10-7 statt und sind rein zufällig. Sie können zur Resistenz gegen ein Antibiotikum führen.
- Resistenz-Übertragung durch horizontalen Gentransfer: Bakterien können über die Vorgänge der Transformation, Transduktion und Konjugation untereinander genetische Information übertragen.
Kreuzresistenz
Die Kreuzresistenz ist die Unempfindlichkeit einer Bakterienart gegenüber zwei oder mehreren Antibiotika, die eine ähnliche chemische Struktur oder den gleichen Wirkmechanismus besitzen. Eine Kreuzresistenz besteht beispielsweise zwischen Penicillinen und Cephalosporinen. Beide Antibiotikaklassen ähneln sich chemisch und hemmen die Enzyme, die für die Zellwandsynthese der Bakterien verantwortlich sind.
Parallelresistenz
Eine Parallelresistenz ist die Unempfindlichkeit gegenüber Wirkstoffen der gleichen Antibiotikaklasse. Der Begriff wird aber auch als Synonym für Kreuzresistenz verwendet.
Multiresistenz
Eine Multiresistenz (Polyresistenz) ist die Unempfindlichkeit gegenüber mehreren Antibiotika verschiedener Klassen. Mehrfachresistente Keime sind Problemkeime und potentielle Auslöser von Hospitalinfektionen. Beispiele sind MRSA, MRGN, VRE, 3GCREB und XDR-Tb. Die typischen Erreger werden auch mit dem Akronym ESKAPE zusammengefasst.
Beim Nachweis multiresistenter Erreger müssen häufig Reserveantibiotika eingesetzt werden.
Resistenzmechanismen
- Beta-Laktamase-Bildung: Das von den Bakterien gebildete Enzym Beta-Laktamase spaltet Beta-Laktam-Antibiotika noch vor Entfaltung ihrer Wirkung.
- Veränderte Zielstruktur: Der Angriffspunkt des Antibiotikums (z.B. die Ribosomen) ist verändert.
- Stoffwechsel-Bypass: Der Stoffwechselschritt, den ein Antibiotikum behindert oder aufhebt, wird durch einen anderen ersetzt.
- Veränderung der Membranpermeabilität: Die Zellmembran wird so verändert, dass die antibiotische Substanz sie nicht mehr durchdringen kann.
- Penicillinbindungsproteine: Die Penicillinbindungsproteine werden verändert (z.B. MRSA).
- Effluxpumpen: Durch Multidrug-Effluxpumpen werden die in die Zelle gelangten Antibiotika herausgepumpt.
Genetik
Die Grundlage der Antibiotikaresistenz wird durch Resistenzgene gelegt, die auch in Form von Plasmiden von einem Erreger auf einen anderen übertragen werden. Bestimmte Erreger (z.B. MRSA) können eine Vielzahl verschiedener Resistenzgene besitzen. Die Gesamtheit aller Antibiotika-Resistenzgene eines Erregers wird als Resistom bezeichnet.
Resistenzbestimmung
Die Antibiotika-Resistenzbestimmung erfolgt in einem mikrobiologischen Labor. Es werden in der Regel automatisierte und in jedem Fall standardisierte Verfahren angewendet. In Europa werden meistens die Normen des European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST) angewendet. Nach der Resistenzbestimmung werden die nachgewiesenen Keime als S - sensibel bei normaler Exposition, I - sensibel bei erhöhter Exposition oder R - resistent bezeichnet. Die Resistenzbestimmung dient dem Mikrobiologen und dem behandelnden Arzt zur Auswahl einer gezielten antibiotischen Therapie.
Epidemiologie
Die quantitative und qualitative Zunahme von Antibiotikaresistenzen stellt ein ernstzunehmendes Problem dar. 2019 sind schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen an einer Infektion mit antibiotikaresistenten Keimen gestorben.[1] In Deutschland wurde 2007 das Projekt "Antibiotikaresistenz Surveillance (ARS)" am Robert-Koch-Institut eingerichtet, um Resistenzdaten zu erheben.
Interessanterweise sind die Resistenzraten in ärmeren Ländern besonder hoch, siehe z.B. die Neu-Delhi Metallo-Beta-Laktamase 1 in Indien. In Europa besteht ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle bei den Resistenzdaten, in Griechenland oder Spanien ist der Anteil resistenter Bakterien um ein mehrfaches höher als in Skandinavien. Deutschland nimmt hier eine Mittelstellung ein.
Es existieren gute Daten dazu, dass Antibiotiaeinsatz und Resistenzentwicklung eng korrelieren: "the more you use it, the quicker you loose ist". Daher werden Anstrengungen unternommen, den nicht adäquaten Einsatz von Antibiotika, z. B. in der Tierhaltung, aber auch in der Humanmedizin, zu verringern. Mit dem Schlagwort "Antibiotic Stewardship" werden Initiativen bezeichnet, die für mehr Kompetenz bei der Antibiotikaverordnung sorgen sollen. [2]
Quellen
- ↑ Murray C et al. Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis, Lancet. 2022 Jan 18:S0140-6736(21)02724-0, abgerufen am 10.02.2022
- ↑ Kern WV, de With K: Rationale Antibiotikaverordnung. Bundesgesundheitsbl 2012; 55: 1418–1426
Literatur
- Nationales Antibiotika-Sensitivitätstest-Komitee, abgerufen am 25.01.2022
- RKI - Nicht abschließende Liste von multiresistenten bakteriellen Krankheitserregern (Stand 2021), abgerufen am 07.03.2023