Toronto-Alexithymie-Skala
Englisch: Toronto Alexithymia Scale
Definition
Die Toronto-Alexithymie-Skala, kurz TAS, ist ein psychometrisches Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung einer Alexithymie. Die heute international verbreitetste Version ist die revidierte Toronto-Alexithymie-Skala (TAS-20).
Hintergrund
Alexithymie wurde ursprünglich im Rahmen psychosomatischer Krankheitsmodelle beschrieben, gilt inzwischen jedoch als relevantes Persönlichkeitsmerkmal. Erhöhte Werte finden sich unter anderem bei depressiven Störungen, Angst- und Substanzstörungen sowie bei funktionellen somatischen Beschwerden. Zudem zeigen Studien, dass alexithyme Merkmale bei Personen im Autismus-Spektrum deutlich häufiger auftreten. Diese Ausprägungen werden als ein möglicher Beitrag zu emotionalen und sozialen Verarbeitungsproblemen im Autismus diskutiert, sind jedoch kein spezifisches Kernsymptom der Autismus-Spektrum-Störungen.
Aufbau
Die TAS-20 umfasst 20 Items, die auf einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme völlig zu) beantwortet werden. Die Faktorenstruktur ist in der internationalen Literatur gut repliziert und umfasst:
- Schwierigkeiten, Gefühle zu identifizieren (Difficulty Identifying Feelings, DIF): Erfasst Probleme, körperliche Empfindungen von Emotionen zu unterscheiden und emotionalen Zuständen Bedeutung zuzuordnen.
- Schwierigkeiten, Gefühle zu beschreiben (Difficulty Describing Feelings, DDF): Erfasst Einschränkungen in der Fähigkeit, eigene Emotionen gegenüber anderen sprachlich mitzuteilen.
- Extern orientierter Denkstil (Externally Oriented Thinking, EOT): Beschreibt einen eher kognitiv-konkretistischen Stil mit geringer introspektiver Fokussierung.
Der Gesamtscore ergibt sich durch Summation aller Items. Höhere Werte entsprechen ausgeprägteren alexithymen Merkmalen.
Interpretation
Für die TAS-20 werden international häufig folgende Richtwerte genutzt:
- < 52 Punkte: keine Alexithymie
- 52 bis 60 Punkte: grenzwertiger Bereich
- > 60 Punkte: ausgeprägte Alexithymie
Cut-off-Werte können populations- und kontextspezifisch variieren. Die Skala ist nicht als diagnostisches Instrument im engeren Sinne konzipiert, sondern als dimensionales Maß, das klinisch und wissenschaftlich interpretierbar ist.
Anwendung
Die TAS-20 findet breite Verwendung in der klinischen Psychologie, Psychotherapie, Psychosomatik und Neurowissenschaft. Einsatzbereiche sind unter anderem:
- Screening und Verlaufsbeurteilung alexithymer Merkmale
- Differenzialdiagnostische Fragestellungen
- Forschung zu Emotionsregulation, Bindungsstil und Stressverarbeitung
- Studien zu psychischen und psychosomatischen Störungsbildern
Psychometrische Eigenschaften
Die TAS-20 weist in zahlreichen Validierungsstudien gute interne Konsistenzen (typisch α ≈ 0,80 für den Gesamtscore) sowie eine stabile dreifaktorielle Struktur auf. Konstrukt- und Kriteriumsvalidität sind gut belegt. Der Faktor EOT zeigt teilweise geringere interne Reliabilitäten, was in der Literatur regelmäßig diskutiert wird.
Kritik und Limitationen
Die Selbstbeurteilung setzt ein gewisses Maß an Introspektionsfähigkeit voraus – ein Punkt, der insbesondere bei Personen mit ausgeprägter Alexithymie kritisch gesehen wird. Zudem besteht kulturelle Variabilität in der Emotionssprache und -ausdrucksweise, weshalb Übersetzungen und Normierungen sorgfältig evaluiert werden müssen.
Literatur
- Bagby, R. M., Parker, J. D., & Taylor, G. J. (1994). The twenty-item Toronto Alexithymia Scale--I. Item selection and cross-validation of the factor structure. Journal of psychosomatic research, 38(1), 23–32. https://doi.org/10.1016/0022-3999(94)90005-1
- Bird, G., & Cook, R. (2013). Mixed emotions: the contribution of alexithymia to the emotional symptoms of autism. Translational psychiatry, 3(7), e285. https://doi.org/10.1038/tp.2013.61