Thrombelastometrie
Synonym: Thrombelastographie
Definition
Die Thrombelastometrie ist ein labormedizinisches Diagnoseverfahren, das bei Koagulopathien zum Einsatz kommt und sich als zentrales Element der erweiterten Gerinnungsdiagnostik etabliert hat. Sie ermöglicht eine differenzierte Untersuchung der plasmatischen Gerinnung einschließlich der Fibrinolyse und liefert Zusatzinformationen zu herkömmlichen Gerinnungstests wie aPTT und INR (Quick).
Geschichte
Das ursprüngliche Prinzip der Thrombelastographie wurde 1948 von Hellmut Hartert beschrieben. Jedoch war die Methode damals sehr aufwändig und störanfällig, sodass sie sich nicht für den klinischen Alltag eignete. In der Folgezeit wurde die Methode kontinuierlich weiterentwickelt, sodass sie sich heute auch für die Point-of-Care-Diagnostik eignet.
Durchführung
Für die Thrombelastometrie stehen aktuell verschiedene Verfahren zur Verfügung.
Bei den meisten kommerziellen Verfahren kommen Fertigkassetten zur Anwendung. Der Testaufwand ist mit einer Blutgasanalyse vergleichbar. Erste Ergebnisse sind bereits nach 5 bis 10 min verfügbar, was eine rasche, individualisierte Diagnostik und Therapie am Patientenbett ermöglicht. Eine vollständige Probenanalyse kann jedoch bis zu 45 bis 60 Minuten dauern.
Rotationsthrombelastometrie (ROTEM®)
In eine mit Vollblut gefüllte Küvette wird ein rotierender Stempel eingetaucht. Am Stempel bildet sich ein Gerinnsel, das mit seinem Wachstum und seiner Verfestigung die Bewegungseigenschaften des Stempels verändert. Diese Änderungen werden elektronisch aufgezeichnet.
Folgende Parameter werden unter anderem gemessen:
- Clotting Time (CT)
- Clot Formation Time (CTF)
- Maximum Clot Firmness (MCF)
- Maximum Lysis (ML)
- Clot-Lysis-Index (CLI)
Durch Zugabe unterschiedlicher Aktivatoren und Inhibitoren der Gerinnung gibt es zahlreiche Variationen der Rotationsthrombelastometrie, wie die INTEM, EXTEM, FIBTEM, APTEM oder HEPTEM.
Thrombelastographie (TEG)
Der Aufbau ähnelt dem der Rotationsthrombelastometrie. Jedoch rotiert hierbei die Probenküvette um einen festen Metallstift. Die viskoelastischen Veränderungen des Blutes während der Gerinnung werden aufgezeichnet.
Folgende Parameter werden unter anderem gemessen:
- Reaction Time (R)
- Kinetics (K)
- Maximum Amplitude (MA)
- Lysis at 30 minutes (LY30)
Spezifische Variationen des TEG sind die (Citrat)-Kaolin-TEG und die Rapid-TEG, bei denen verschiedene Aktivatoren (Kaolin bzw. Tissue Factor) eingesetzt werden, um die Gerinnungskaskade schneller zu initiieren.
ReoRox G2®
Im Gegensatz zu den anderen beschriebenen Methoden werden hier optische statt mechanische Messmethoden eingesetzt. So werden z.B. die Veränderungen in der optischen Dichte des Blutes während der Gerinnselbildung und -resorption gemessen.
Indikationen
Die Thrombelastometrie ergänzt als Teil des modernen Patient Blood Management die gezielte Behandlung von Patienten mit Koagulopathien. Sie kommt insbesondere zum Einsatz bei
- Patienten mit schwerer Hämorrhagie oder Polytrauma
- Patienten, die sich einer Transplantationschirurgie unterziehen
- Patienten mit einer Neigung zu Thrombosen
- geburtshilflichen Patienten
Ferner kommt sie perioperativ, zum Beispiel während der Kardiochirurgie, zum Einsatz.
Interpretation
Die Interpretation der Ergebnisse beinhaltet die Betrachtung verschiedener Parameter. Die grafische Darstellung der Gerinnung (Thrombelastogramm) bei viskoelastischen Testverfahren illustriert das Thrombuswachstum in einer blutgefüllten Küvette und zeigt dabei mehrere typische Zeitpunkte und Werte. Bei der ROTEM snd dies:
- Clotting Time (CT): Zeit vom Beginn der Messung bis zum Einsetzen der Gerinnung. Die CT entspricht der Aussagekraft der aPTT bzw. der TPZ. Der Referenzbereich liegt bei Erwachsenen zwischen 100 und 240 s (INTEM).
- Clot Formation Time (CTF): Zeit ab dem Beginn der Gerinnung bis zum Zeitpunkt, an dem eine Gerinnselfestigkeit von 20 mm erreicht ist. Der Referenzbereich reicht von 35 bis 110 s.
- Maximum Clot Firmness (MCF): Maximale räumliche Ausdehnung des Gerinnsels. Der Referenzbereich liegt bei Erwachsenen zwischen 53 und 72 mm.
- Maximum Lysis: Ausprägung der Gerinnsellyse in % der MCF. Der Referenzwert liegt bei Erwachsenen < 15 %. Ein höherer Wert zeigt eine Hyperfibrinolyse an.
- Clot-Lysis-Index (CLI): Dieser Wert beschreibt das Verhältnis zwischen der MCF und der Amplitude des Gerinnsels nach 30 und 60 min.
Literatur
- Das Gerinnungskompendium: Schnellorientierung, Befundinterpretation, klinische Konsequenzen. Thieme, 2012
- AINS - Anästhesiologie · Intensivmedizin · Notfallmedizin · Schmerztherapie, Thieme, 2011
- Perioperative Hemostasis: Coagulation for Anesthesiologists, Springer, 2014
- Trauma Induced Coagulopathy, Springer, 2020
- Jámbor et al., Thrombelastography Should Be Included in the Algorithm for the Management of Postpartum Hemorrhage. Transfus Med Hemother. 2008
- Burtelow et al., How we treat: management of life-threatening primary postpartum hemorrhage with a standardized massive transfusion protocol. Transfusion, 2007
- Luddington, Thrombelastography/thromboelastometry. Clin Lab Haematol, 2005
- Solomon et al., Comparison of fibrin-based clot elasticity parameters measured by free oscillation rheometry (ReoRox ®) versus thromboelastometry (ROTEM ®). Scand J Clin Lab Invest. 2015
- Stettler et al., Citrated kaolin thrombelastography (TEG) thresholds for goal-directed therapy in injured patients receiving massive transfusion. J Trauma Acute Care Surg. 2018
- Practical Haemostasis – ReoRox G2 Assay ®, abgerufen am 21.09.2023
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