Os scaphoideum
Synonyme: Skaphoid, Os naviculare, Kahnbein
Englisch: scaphoid bone
Definition
Das Os scaphoideum ist der größte der proximalen Handwurzelknochen. Es ist der klinisch bedeutsamste Knochen des Handgelenks. Seinen Namen verdankt es seiner Gestalt, die entfernt an ein Boot erinnert.
Terminologie
Nicht zuletzt aufgrund des deutschen Ausdrucks Kahnbein wird das Os scaphoideum häufig im klinischen Sprachgebrauch mit dem Os naviculare gleichgesetzt. Hier ist jedoch nach den Nomina Anatomica Parisiensia zwischen den beiden Knochen klar zu trennen.
Anatomie
Lage
Das Kahnbein liegt in der proximalen Reihe der Handwurzel (Carpus) und befindet sich am weitesten radial. Es artikuliert proximal mit dem distalen Ende des Radius, nach ulnar mit dem Os lunatum, nach distal mit dem Os trapezium, dem Os trapezoideum und dem Os capitatum.
Bei der Radialabduktion der Hand ist das Os scaphoideum derjenige Handwurzelknochen, der sich auf der Palmarseite der Hand deutlich vorwölbt.
Morphologie
Das Kahnbein hat eine Länge von etwa 25-30 mm und eine maximale Breite von ca. 12 mm und ist damit der größte der vier proximalen Handwurzelknochen und nach dem Os capitatum der zweitgrößte Knochen der Handwurzel. Es weist eine komplexe, unregelmäßig ellipsoide Form auf, die leicht s-förmig verdreht und gebogen ist. Die Längsachse zieht von proximal dorsal nach distal palmar radial. Zwei Seiten des Kahnbeins sind konkav geformt, die palmare und die distale ulnare Seite. Durch diese konkaven Flächen kann das Kahnbein in drei Abschnitte aufgeteilt werden:
- Proximaler Pol: besteht fast nur aus den Gelenkflächen zum Radius (Facies articularis radii bzw. Facies proximalis), zum Os lunatum (Facies articularis lunata bzw. Facies ulnaris), und dem proximalen Anteil der Gelenkfläche zum Os capitatum (proximale Facies capitata).
- Taillenregion (Corpus scaphoidei): Auf der Dorsalseite findet sich kein Knorpel, sondern der Anheftungsbereich der dorsalen Handgelenkkapsel mit zahlreichen Blutgefäßein- und -austritten. Die Gefäße befinden sich innerhalb einer längs verlaufenden Grube ("dorsal ridge" bzw. Sulcus oder Fossa scaphoidei), die distal einen kleinen Kamm bilden kann (Crista dorsalis ossis scaphoidei).
- Distaler Pol: besteht aus den Gelenkflächen zum Os trapezium, dem Os trapezoideum (Facies articularis trapezia und trapezoidea), dem Tuberculum ossis scaphoidei und dem distalen Abschnitt der Gelenkfläche zum Os capitatum (distale Facies capitata). Das Tuberculum ossis scaphoidei dient dem Musculus abductor pollicis brevis und dem Retinaculum flexorum als Ursprung.
Gefäßversorgung
Das Os scaphoideum wird durch ein relativ komplexes Netzwerk von kleinen Gefäßen versorgt, das sich hauptsächlich aus Ästen der Arteria radialis zusammensetzt. Die wichtigsten Gefäßäste sind:
- Ramus dorsalis scaphoidei: insbesondere für die proximalen Anteile des Kahnbeins
- Äste aus dem Arcus intercarpalis palmaris: insbesondere für die distalen Anteile
Weitere Äste, die für die Blutversorgung des Kahnbeins eine Rolle spielen, sind:
- Arcus radiocarpalis palmaris (Arteria carpi transversa palmare, Kuhlmann-Arterie): verläuft palmar des distalen Radius
- Ramus palmaris: Ast des oberflächlichen Hohlhandbogens
- Arcus intercarpalis dorsalis
- Arteria intercompartimentalis 1-2 (Zaidemberg-Arterie): zieht über den Processus styloideus radii zum 2. Strecksehnenfach
- Arcus radiocarpalis dorsalis
Bänder
Das Os scaphoideum ist durch die Ligamenta intercarpalia dorsalia, palmaria und interossea straff mit den benachbarten Handwurzelknochen verbunden. Innerhalb dieser Ligamentgruppen lassen sich rund um das Os scaphoideum folgende Einzelbänder differenzieren:
- Ligamentum scapholunatum (Ligamentum scapholunare interosseum, SL-Band): Kräftigstes Band mit herausragender biomechanischer Funktion. Der dorsale Anteil, gefolgt vom palmaren Anteil, ist stärker ausgebildet als der proximale Anteil. Der dorsale Hauptanteil weist eine Faserrichtung von fast 45° von radiodistal nach ulnoproximal auf.
- Ligamentum scaphocapitatum: Es hat den größten Anteil der Fläche aller Bandursprünge am Kahnbein.
- Ligamentum scaphotrapeziotrapezoideum:
- Ligamentum scaphotrapezium: V-förmiges Band an der Radiopalmarseite des distalen Pols, das zum Os trapezium zieht. Zusammen mit den Ligamentum scaphocapitatum für die bewegliche Befestigung des distalen Skaphoidpols verantwortlich.
- Ligamentum scaphotrapezoideum: Kleines Band mit klinisch untergeordneter Bedeutung
- Ligamentum radioscaphocapitatum: Relativ kleiner Ansatz am Os scaphoideum. Der Großteil des Bandes zieht palmar am Skaphoid vorbei zum Os capitatum.
- Ligamentum radioscapholunare: Kleines Band mit klinisch untergeordneter Bedeutung
Varietäten
Varietäten im Bereich des Os scaphoideum, die in der Bildgebung zu Verwechslungen führen können, sind:
- Os scaphoideum bipartitum: Diese Variante wird angezweifelt; vermutlich handelt es sich meist um alte Skaphoidpseudarthrosen.
- Os centrale carpi
Biomechanik
Das Kahnbein spielt eine wichtige Rolle bei den Bewegungen zwischen Radius und der proximalen und distalen Handwurzelreihe – sowohl bei der Flexion und Extension, als auch bei der Radial- und Ulnarabduktion.
Während der Handgelenkbewegung von der Neutralstellung in die Flexion bewegt sich das Kahnbein um etwa 58° in Flexionsrichtung, 18° in Ulnardeviations- und 10° in Pronationsrichtung. Wird das Handgelenk aus der Neutralstellung in eine Extension gebracht, zeigt das Skaphoid eine Extension um 50°, eine Radialdeviation um 4° und eine Supination um 6°. Das sphärische Gelenk zwischen dem Os scaphoideum und dem Os capitatum führt zu einer Rotationsbewegung des Kahnbeins um das Zentrum des proximalen Pols des Os capitatum. Die Bewegungsachse verläuft dabei nahezu parallel zum Verlauf des Ligamentum radioscaphocapitatum. Bei der Flexion scheint sich das Kahnbein über dieses Band zu beugen und es leicht einzudellen. Dadurch rotiert der proximale Pol des Skaphoids nicht in der Fossa scaphoidea, sondern gleitet bei der Bewegung von der Flexion in die Extension von radial nach ulnar palmar.
Bei der Radialduktion des Handgelenks findet die Hauptbewegung im Mediokarpalgelenk statt. Das Kahnbein selbst zeigt nur eine sehr geringe Radialduktion von etwa 5°. Aufgrund der Bewegung der Ossa trapezium und trapezoideum muss das Kahnbein jedoch nach palmar ausweichen, was zu einer Palmarflexion des Kahnbeins von etwa 13° führt.
Bei der Ulnardeviation des Handgelenks richtet sich das Kahnbein um durchschnittlich 18° auf, zeigt eine Ulnardeviation von 16° und eine Pronation von 11°.
Klinik
Die Skaphoidfraktur ist mit 70 % die häufigste Fraktur der Handwurzelknochen. Röntgenologisch kann man bei einer Ulnarabduktion ein Auseinanderweichen der Bruchstücke erkennen, wohingegen sie bei der Radialabduktion gestaucht werden. Sowohl die Palmar- als auch die Dorsalflexion öffnen den Bruchspalt dorsal bzw. palmar.
Die Folge einer nicht adäquaten Behandlung ist fast regelmäßig eine Kahnbeinpseudarthrose. Diese kann wiederum zu einer Handgelenksinstabilität, einer sogenannten SNAC-Wrist (scaphoid non-union advanced collapse), führen. Die hohe Anzahl von Pseudarthrosen nach Skaphoidfrakturen hat viele Ursachen:
- gegenläufige Verdrehung der beiden Fragmente (Humpback-Deformität), sodass die Kontaktfläche nur gering ist.
- große Beweglichkeit der Fragmente in unterschiedliche Richtungen bei schon geringen Handgelenkbewegungen
- schlechte Durchblutung des proximalen Fragments
Eine Hypoplasie des Skaphoids bis hin zur Aplasie ist bei den radialen Strahldefekten, wie der Daumenhypoplasie und der radialen Klumphand, regelmäßig zu finden. Synostosen zwischen Os scaphoideum und Os trapezium sind sehr selten und treten meist bei bestimmten Syndromen auf (z.B. hereditären Symphalangie, oto-palato-digitales Syndrom, Hand-Fuß-Uterus-Syndrom). Andere Formen der Synostosen sind die Koalition von Os scaphoideum, Os trapezium, Os trapezoideum und Os capitatum, die skapholunäre Koalition und die skapholunatotriquetrale Synostose.
Literatur
- Hirt et al., Anatomie und Biomechanik der Hand (4. vollständig überarbeitete Auflage), Thieme Verlag, 2021
- Langer MF et al. Anatomie und Biomechanik des Kahnbeins. Orthopäde, 2016.
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