Selektiver Estrogenrezeptormodulator
Synonym: selektiver Estrogenrezeptor-Modulator
Englisch: selective estrogen receptor modulator, SERM
Definition
Selektive Estrogenrezeptormodulatoren, kurz SERMs, sind Arzneistoffe, die sowohl agonistische, als auch antagonistische Wirkungen am Estrogenrezeptor hervorrufen können. Sie unterscheiden sich von reinen Estrogen-Agonisten (z.B. Estradiol) und -Antagonisten (z.B. Fulvestrant) dadurch, dass ihre Wirkung auf den Estrogenrezeptor gewebe- bzw. zellspezifisch ist.
Geschichte
SERMs wurden in den 1960er Jahren zufällig bei der Suche nach neuen Antikonzeptiva entdeckt. Der erste selektive Estrogenrezeptormodulator war Chlorotrianisen, gefolgt von Clomifen. Clomifen wirkt bei Ratten empfängnisverhütend, hat beim Menschen jedoch einen gegenteiligen Effekt, nämlich die Auslösung der Ovulation. 1967 wurde es daher in den USA zur Behandlung der ovariellen Dysfunktion zugelassen.
Wirkmechanismus
Estrogenrezeptoren (ER) sind Kernrezeptoren, die ihre Wirkung am estrogenresponsiven DNA-Element (ERE) entfalten. SERMs binden an beide Subtypen des Rezeptors, ERα und ERβ. Dadurch kommt es zu einer Dimerisierung des Rezeptors, welche die Interaktion der SERMs mit dem ERE ermöglicht. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die unterschiedliche Aktivität der SERMs wesentlich durch die selektive Rekrutierung von Koaktivatoren und Korepressoren bedingt ist. Auch das Verhältnis von ERα- und ERβ-Subtypen in der Zielzelle bestimmt die Wirkung mit.
SERMs sind Partialagonisten am Estrogenrezeptor. Abhängig vom jeweiligen Gewebetyp können sie östrogene oder antiöstrogene Wirkungen hervorrufen. Die Wirkung wird darüber hinaus von der intrinsischen Aktivität des jeweiligen SERM beeinflusst. SERMs mit hoher intrinsischer Aktivität (z.B. Chlorotrianisen) haben überwiegend östrogene Wirkungen. SERMs mit niedriger intrinsischer Aktivität (Ethamoxytriphetol) lösen hingegen eher antiöstrogene Effekte aus. Die intrinsische Aktivität von Clomifen und Tamoxifen nimmt ein Mittelstellung ein. Sie haben ein balanciertes Verhältnis östrogener und antiöstrogener Wirkungen.
Wirkstoffe
Durch die Spezifität der selektiven Estrogenrezeptormodulatoren für bestimmte Gewebe und Zellen ist eine Vielfalt von Anwendungsgebieten möglich. Beispielhaft sind folgende Arzneistoffe zu nennen:
- Bazedoxifen: Therapie und Prophylaxe der postmenopausalen Osteoporose
- Clomifen: Anwendung bei Infertilität und Kinderwunsch
- Lasofoxifen: Therapie und Prophylaxe der postmenopausalen Osteoporose
- Ospemifen: Behandlung der Vaginalatrophie und Dyspareunie
- Ormeloxifen: Schwangerschaftsverhütung
- Raloxifen: Therapie und Prophylaxe der postmenopausalen Osteoporose
- Tamoxifen: Einsatz bei hormonabhängigen Mammakarzinomen
- Toremifen: Mammakarzinom nach der Menopause