Reaktionszeit (Thrombelastometrie)
Englisch: reaction time
Definition
Die Reaktionszeit, kurz R bzw. R-Time, ist ein Parameter der Thrombelastometrie bzw. Thrombelastographie. Sie beschreibt die Zeitspanne vom Beginn der Messung bis zum ersten messbaren Anstieg der Gerinnselfestigkeit (meist bei 2 mm Amplitude) und spiegelt damit primär die initiale Gerinnungsaktivierung und die Thrombinbildung wieder.
Hintergrund
Die Reaktionszeit wird maßgeblich durch die plasmatische Gerinnungskaskade und die Konzentration bzw. Aktivität der Gerinnungsfaktoren bestimmt. Verlängerte Werte deuten auf Störungen in der Initiationsphase der Hämostase hin, wie z.B. einen Mangel an Gerinnungsfaktoren, eine Antikoagulationstherapie (z.B. mit Heparin oder DOAKs) oder eine schwere Hypothermie/Azidose. Verkürzte Werte können bei Hyperkoagulabilität auftreten, z.B. infolge einer akuten Entzündungsreaktion oder bei bestimmten Thrombophilien.
In der Point-of-Care-Diagnostik wird die Reaktionszeit oft mit den Parametern Clot Formation Time (CFT) und Maximum Clot Firmness (MCF) kombiniert, um zwischen Störungen der Gerinnungsaktivierung und Problemen der Gerinnselstabilität zu unterscheiden.
Referenzbereich
Die Referenzwerte sind methodenabhängig. Bei EXTEM liegen sie typischerweise zwischen 38 und 79 Sekunden.
Interpretation
- Verlängert (> Normbereich):
- Mangel an Gerinnungsfaktoren (z.B. FII, FV, FVII, FX)
- Antikoagulation (Heparin, DOAKs, Vitamin-K-Antagonisten)
- Schwere Hypothermie oder Azidose
- DIC (Disseminierte intravasale Koagulopathie, frühe Phase)
- Verkürzt (< Normbereich):
- Hyperkoagulabilität (z.B. Thrombophilie)
- Postoperative oder posttraumatische Reaktivierung der Hämostase
- Systemische Entzündung
Klinische Bedeutung
Die Reaktionszeit ist besonders wichtig für die Akutdiagnostik bei Blutungen und für die differenzierte Steuerung einer Gerinnungstherapie.
- Verlängert: Hinweis auf Faktorendefizit → mögliche Substitution mit Fresh Frozen Plasma, PPSB oder gezielter Faktorentherapie.
- Verkürzt: Hinweis auf prothrombotische Tendenz → ggf. engmaschige Überwachung und Thromboseprophylaxe erwägen.
Literatur
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