Multiomics
Synonyme: Multi-Omics, Multi-Omics-Analyse, integrative Omics-Analyse
Englisch: multi-omics analysis, integrative omics
Definition
Multiomics bezeichnet die integrative Analyse mehrerer molekularer Ebenen – etwa Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik oder Epigenomik – innerhalb eines biologischen Systems. Ziel ist es, komplexe Zusammenhänge zwischen Genen, RNA, Proteinen und Metaboliten besser zu verstehen und die Funktion biologischer Netzwerke ganzheitlich abzubilden. Dadurch kann ein umfassenderes Bild pathophysiologischer Prozesse gewonnen werden, um beispielsweise molekulare Ursachen von Erkrankungen zu identifizieren.
Methodik und Teilgebiete
Multiomics-Studien unterscheiden sich je nach Zahl und Kombination der berücksichtigten Ebenen. Häufig werden Genomik und Transkriptomik mit Proteomik oder Metabolomik kombiniert; zunehmend kommen auch Lipidomik, Glykomik, Fluxomik oder Metagenomik hinzu.
Methodisch lassen sich horizontale Integrationen (mehrere Omics-Ebenen derselben Probe) und vertikale Integrationen (mehrere Zeitpunkte oder Bedingungen) unterscheiden.
Ein aufstrebendes Teilgebiet ist die Einzelzell-Multiomics, bei der verschiedene Molekülklassen innerhalb einzelner Zellen untersucht werden.
Die Auswertung erfordert komplexe bioinformatische Verfahren: Nach Normalisierung und Qualitätskontrolle werden Daten oft über Machine-Learning-Modelle, Netzwerk-Analysen oder integrative Statistikansätze zusammengeführt, um gemeinsame Muster oder Schlüsselregulatoren zu identifizieren.
Anwendungsgebiete
Multiomics hat in zahlreichen Forschungsfeldern an Bedeutung gewonnen.
In der Onkologie hilft die kombinierte Analyse genomischer, transkriptomischer und proteomischer Daten, Tumorheterogenität und Resistenzmechanismen zu verstehen.
In der Neurologie trägt sie zur Aufklärung der molekularen Grundlagen neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson bei.
Auch in der Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Forschung werden Multiomics-Daten genutzt, um Zusammenhänge zwischen genetischer Prädisposition, Metabolitenprofil und klinischem Phänotyp zu erfassen.
Darüber hinaus bietet der Ansatz Potenzial für die Identifikation neuer Biomarker, die Patientenselektion in der Präzisionsmedizin und das Therapie-Monitoring.
Diagnostische Verfahren
Zur Datenerhebung werden moderne Hochdurchsatz-Technologien eingesetzt: Genomische Varianten werden über Sequenzierung oder Arrays erfasst, RNA-Profile über RNA-Sequenzierung, Proteine und Metabolite meist über massenspektrometrische Verfahren. Epigenetische Muster wie DNA-Methylierung oder Chromatin-Zugänglichkeit können durch spezifische Methoden (z.B. BS-Seq und ATAC-Seq) bestimmt werden.
Die eigentliche Herausforderung liegt in der Datenintegration. Unterschiedliche Datenformate, Messbereiche und Rauschanteile müssen harmonisiert werden, bevor statistische Modelle eine gemeinsame Auswertung ermöglichen. Validierungen erfolgen häufig über orthogonale Methoden oder experimentelle Modelle.
Klinische Relevanz
In der klinischen Forschung gilt Multiomics als Schlüssel zur Umsetzung personalisierter Medizin. Durch die Kombination verschiedener molekularer Ebenen lassen sich Krankheitsverläufe besser charakterisieren und Therapieentscheidungen präziser steuern. Erste Anwendungen zeigen Nutzen bei der Stratifizierung von Tumorpatienten oder der Vorhersage von Therapieansprechen.
Für den breiten klinischen Einsatz sind jedoch Standardisierung, Kostenreduktion und reproduzierbare Auswertungsverfahren entscheidend. Fortschritte in der Datenintegration – insbesondere durch künstliche Intelligenz – dürften die Umsetzung in Diagnostik und Therapie in den kommenden Jahren deutlich beschleunigen.
Literatur
- Krassowski M, Das V, Sahu SK, Misra BB. State of the Field in Multi-Omics Research: From Computational Needs to Data Mining and Sharing. Front Genet. 2020;11:610798. Published 2020 Dec 10. doi:10.3389/fgene.2020.610798
- Wörheide MA, Krumsiek J, Kastenmüller G, Arnold M. Multi-omics integration in biomedical research - A metabolomics-centric review. Anal Chim Acta. 2021;1141:144-162. doi:10.1016/j.aca.2020.10.038