Kocher-Zugang
nach dem Schweizer Chirurgen Emil Theodor Kocher (1841–1917)
Englisch: Kocher approach
Definition
Der Kocher-Zugang ist ein chirurgischer Zugangsweg zum Ellenbogen, der erstmals 1911 von Theodor Kocher beschrieben wurde. Er ermöglicht die Darstellung des proximalen Radius, der lateralen Säule des distalen Humerus und somit des lateralen Gelenkabschnittes.
Anatomie
Der Zugangsweg führt durch das sogenannte Kocher-Intervall. Dieses wird dorsal vom Musculus anconeus und ventral vom Musculus extensor carpi ulnaris begrenzt. Die beiden Muskeln sind häufig nur durch lockeres Bindegewebe verbunden und können aufgrund ihrer unterschiedlichen Faserrichtungen gut voneinander unterschieden werden. Ein feiner Streifen Fettgewebe markiert typischerweise das Intervall.
Indikationen
Der Kocher-Zugang eignet sich für verschiedene Eingriffe am lateralen Ellenbogen:
- Osteosynthetische Eingriffe
- Bandrekonstruktionen, da das Ligamentum collaterale laterale (LCL) gut darstellbar ist.
- Prothetischer Ersatz des Radiuskopfes, da ein guter Einblick in das proximale Radioulnargelenk zur optimalen Orientierung der Aufbauhöhe der Prothese an der Incisura radialis ulnae möglich ist.
Vorgehen
Lagerung
Die Lagerung des Patienten erfolgt meist in Rückenlage, wobei die betroffene Extremität auf einem Armtisch ausgelagert wird. Alternativ kann der Zugang auch in Seitenlagerung am hängenden Arm oder in Rückenlage mit Positionierung der Extremität über dem Brustkorb durchgeführt werden.
Hautschnitt
Der Hautschnitt wird geschwungen angelegt. Er beginnt etwa 3–4 cm proximal des lateralen Epikondylus und zieht am Unterrand des Musculus extensor carpi ulnaris entlang nach distal.
Präparation
Nach dem Hautschnitt erfolgt die subkutane Präparation. Dabei ist auf den Nervus cutaneus antebrachii posterior zu achten, der epifaszial ca. 2 cm ventral des lateralen Epikondylus nach distal läuft. Das subkutane Gewebe wird nach anterior und posterior abpräpariert.
Anschließend wird die Faszie, beginnend über dem lateralen Epikondylus, eröffnet. Im Kocher-Intervall zwischen dem Musculus anconeus und dem Musculus extensor carpi ulnaris wird meist stumpf in die Tiefe präpariert. Nach Erweiterung des Intervalls werden der Musculus anconeus nach dorsal und der Musculus extensor carpi ulnaris nach ventral abgeschoben. Unmittelbar darunter liegt die Gelenkkapsel. Zur Verbesserung der Sicht kann der Ursprung der Unterarmextensoren vom lateralen Epikondylus abgelöst und nach ventral abgeschoben werden.
Gelenkeröffnung
Die Gelenkkapsel wird längs eröffnet, ohne das LCL zu verletzen. Das Ligamentum anulare wird durch diese Inzision quer durchtrennt. Das Gewebepaket mit dem Ligamentum anulare, dem LCL und dem posterioren Kapselanteil wird nach dorsal abgeschoben. Dies ermöglicht einen guten Einblick in das Gelenk (Articulatio humeroradialis).
Erweiterung
Der Kocher-Zugang verläuft entlang der Crista supracondylaris lateralis nach proximal und kann in diese Richtung zur sogenannten "Column Procedure" erweitert werden.
Risiken
- Läsion des Nervus cutaneus antebrachii posterior bei der subkutanen Präparation
- Um Druckschädigungen des Nervus radialis (Ramus profundus) zu vermeiden, sollte nach ventral kein Hohmann-Haken eingesetzt werden. Der Zugangsweg selbst verläuft dorsal des Ramus profundus nervi radialis.
Wundverschluss
Die Kapsel muss am Ende der Operation zusammen mit dem Ligamentum anulare (das als Verstärkung der Kapsel gilt) wieder fest verschlossen werden.
- Bei Ablösung des LCL am knöchernen Ursprung kann die Refixation mittels Fadenanker oder transossären Nähten erfolgen.
- Bei struktureller Durchtrennung oder traumabedingter Ruptur des Bandes ist eine adaptierende Naht notwendig, wobei auf korrekte Vorspannung zu achten ist. Die Refixation sollte in voller Pronation und ca. 70° Flexion erfolgen.
Der Musculus anconeus und Musculus extensor carpi ulnaris lassen sich meist wieder reponieren. Die darüberliegende Faszie wird, ggf. nach Einlage einer Drainage, verschlossen. Ein straffer Verschluss der Faszie ist wichtig, da diese zusätzliche Stabilität für die Gelenkführung bietet. Abschließend erfolgen der subkutane Verschluss und die Hautnaht.
Literatur
- Wegmann et al., Kocher-Zugang, In: Müller L, Hollinger B, Burkhart K, Hrsg. Expertise Ellenbogen, 1. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2016
- Theodor Kocher – Wikipedia, abgerufen am 09.05.2025