Intravenöse Stauungsanästhesie (Veterinärmedizin)
Synonym: IVSTAN
Definition
Die intravenöse Stauungsanästhesie, kurz IVSTAN, ist eine Methode der Lokalanästhesie in der Veterinärmedizin.
Hintergrund
Die intravenöse Stauungsanästhesie ist die einfachste Methode der Lokalanästhesie im distalen Gliedmaßenbereich und wird häufig bei Wiederkäuern angewendet.
Nach Anlegen eines Stauschlauches zur Unterbrechung des Blutflusses wird distal ein Anästhetikum intravenös injiziert. Der Wirkstoff verteilt sich im gesamten Kapillargebiet distal der Stauung, sodass binnen weniger Minuten (ca. 10 Minuten) eine vollständige Schmerzausschaltung aller Strukturen erreicht wird. Die Wirkdauer der intravenösen Stauungsanästhesie hält bis zur Entfernung des Stauschlauchs an (ca. 90 bis 120 Minuten).
Die Methode eignet sich für die meisten Operationen im distalen Gliedmaßenbereich inklusive des Tarsus und Karpus. Weiter proximal ist eine intravenöse Stauungsanästhesie nicht mehr möglich und muss durch eine Epiduralanästhesie ersetzt werden.
Durchführung
Noch bevor der Stauschlauch angelegt wird, ist die Injektionsstelle sowie das Operationsfeld vorzubereiten. Die Bereiche müssen großflächig geschert, gewaschen und fachgerecht desinfiziert werden. Für operative Eingriffe an der Klaue wird der Stauschlauch am distalen Rohrbein, für Operationen im Zehenbereich am proximalen Drittel des Rohrbeins, für Eingriffe im Rohrbeinbereich bzw. Karpus und Tarsus am distalen Unterarm bzw. distalen Unterschenkel angelegt.
Die Wahl des Injektionsortes ist von untergeordneter Rolle, da sich das Anästhetikum distal des Stauschlauchs gleichmäßig verteilt. Die Punktion der Vene muss unmittelbar nach Anlegen des Stauschlauches erfolgen. Bei adulten Tieren eignen sich Einmalkanülen der Größe 1,2 x 70 mm, für kleine Kälber 0,9 x 50 mm. Bevorzugte Einstichstellen sind:
- Vena digitalis palmaris communis bzw. plantaris communis IV oder II (laterale bzw. mediale Zehenvene): Einstichstelle auf Höhe des Fesselgelenks ca. 1,5 cm dorsal der Basis der lateralen oder medialen Afterklaue. Die Venen liegen etwa 8 mm unter der Hautoberfläche, weshalb die Kanüle in einem 30°-Winkel schräg nach proximal vorgeschoben werden sollte.
- Vena digitalis dorsalis communis III (dorsale Zehenvene): Die Einstichstelle liegt an der Dorsalseite der Zehe, etwa in der Mittellinie, ca. 3 bis 5 cm distal des Fesselgelenkspaltes. Die Vene verläuft etwa 8 mm unter der Hautoberfläche, weshalb auch hier die Kanüle im 30°-Winkel schräg nach proximal (oder senkrecht) vorgeschoben wird.
- Ramus cranialis oder Ramus caudalis der Vena saphena lateralis, Vena saphena lateralis selbst oder Vena metatarsea plantaris lateralis: Injektion am Tarsus
- Vena mediana oder Vena radialis: Injektion am Karpus
Nachdem die Vene unarmiert punktiert wurde, rinnt spontan Blut aus der Kanüle ab. Das Anästhetikum muss ohne vorhergehende Aspirationsprobe langsam injiziert werden, da sonst das Gefäß kollabiert.
Anästhetikum
Für die intravenöse Stauungsanästhesie werden ausschließlich Lokalanästhetika ohne Zusatz von Vasokonstriktoren (z.B. 2 %ige Procain-Hydrochlorid-Lösung) verwendet. Für Operationen im Klauen- und Zehenbereich sind beim ausgewachsenen Tier zwischen 15 und 20 ml ausreichend. Operationen am Rohrbein, Karpus oder Tarsus benötigen etwa 40 ml Lokalanästhetikum, da ein wesesentlich größerer Teil der Gliedmaße anästhesiert wird.
Bei der Wahl der Wirkstoffe ist unbedingt auf die Zulassung und Anwendung beim Wiederkäuer sowie auf Wartefristen zu achten.
Komplikationen
Mögliche Komplikationen einer intravenösen Stauungsanästhesie sind:
- Hämatombildung bei wiederholtem Durchstechen der Vene
- Abszesse nach paravenöser Applikation sowie unzureichender Desinfektion des Punktionsfeldes
- starke Blutungen trotz Stauung während der Operation aufgrund irrtümlicher Verabreichung des Wirkstoffes in Arterien
Quelle
- A. Univ.-Prof. Dr. Johann Kofler. Dipl. ECBHM. Orthopädische Erkrankungen & Orthopädische Operationen bei Wiederkäuern. Neu überarbeitet im Jänner 2015 mit 45 Videos abrufbar mittels QR-Code & URL's zur VETmediathek. Klinik für Wiederkäuer, Vetmeduni Wien.