Heilkundeübertragungsrichtlinie
Definition
Die Heilkundeübertragungsrichtlinie legt fest, welche heilkundlichen Tätigkeiten im Rahmen von Modellvorhaben auf Gesundheits- und Krankenpfleger/-inen und Altenpfleger übertragen werden können. Sie definiert darüber hinaus, welche besonderen Qualifikationen eine Pflegekraft besitzen muss. Beispiele für die selbständige Ausübung von Heilkunde sind etwa spezifische Infusionstherapien oder eine Wund- oder Schmerztherapie durch Kranken- und Altenpfleger.
Hintergrund
Die Heilkundeübertragungsrichtlinie heißt im besten Bürokratendeutsch vollständig "Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V". Die Richtlinie trat am 22. März 2012 in Kraft.
Modellvorhaben
Durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wurde 2008 den Krankenkassen in § 63 Abs. 1 SGB V die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen von Modellvorhaben die Übertragung von Tätigkeiten, die bisher von Ärzten durchgeführt wurden, auf Pflegefachkräfte zu erproben. Die selbstständige und eigenverantwortliche Ausübung von Heilkunde unterscheidet sich von der Substitution und Delegation. Bei welchen ärztlichen Tätigkeiten eine Übertragung von Heilkunde auf die Angehörigen der Kranken- und Altenpflegeberufe im Rahmen von Modellvorhaben erfolgen kann, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Richtlinie nach § 63 Abs. 3c SGB V festgelegt.
Die Diagnose und deren Überprüfung sowie die Indikationsstellung für bisher ausschließlich ärztliche Behandlungsmaßnahmen sollen in ärztlicher Verantwortung bleiben. Die auf dieser Grundlage durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen können in dem Modellvorhaben aber unter Verantwortung von ergänzend qualifizierten Angehörigen der Pflegeberufe erfolgen.[1]
Die Richtlinie wird einerseits als Konkurrenz zu den Ärzten und andererseits als Lösungsweg zur Bekämpfung des Ärztemangels betrachtet und wird dementsprechend kontrovers diskutiert.[2]
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzliche Grundlage ist der vom Gesetzgeber 2008 verabschiedete § 63 Abs. 3c SGB V. Medizinische Fachangestellte sind in diese Richtlinie nicht integriert. Daher bleibt der ambulante Sektor von dieser Richtlinie ausgenommen.
Schwerpunkte
Innerhalb der Heilkundeübertragungsrichtlinie, übernehmen Pflegekräfte im Rahmen von definierten Behandlungsstandards und der entsprechenden Leitlinien Aufgaben, die in hohem Maße eigenverantwortliches Entscheiden und Handeln erfordern.[3] Vorgesehen ist laut einer Vorschlagsliste die Übernahme folgender Tätigkeiten durch Pflegefachkräfte:[4]
- neun Infusionstherapien,
- fünf Wundtherapien und Regelungen zur Verordnung von Medizinprodukten und Pflegehilfsmitteln,
- die Anus praeter-Versorgung ,
- der Wechsel von Trachealkanülen und das Tracheostomamanagement,
- das Anlegen von Magensonden und transurethralen Blasenkathetern,
- Aufgaben innerhalb der Ernährung,
- Schmerz- und Case-Management.
- psychosoziale Betreuung
Pflegekräfte sollen auch eigenständig Heil- und Hilfsmittel verordnen und Patienten überweisen dürfen. Dazu soll es eigene Vordrucke geben, um Verwechslungen mit Rezepten und Überweisungsformularen auszuschließen.[5]
Reaktionen
Der Deutsche Pflegerat (DPR) legt Wert auf die Feststellung, dass sich die Diskussion um die Neuverteilung von Aufgaben an den Interessen und Erwartungen der Bürger zu orientieren habe.[6] Darüber hinaus seien Pflegefachkräfte im Bereich des Wundmanagements und der spezifischen Infusionstherapie bisher "in einem rechtsfreien Raum tätig". Der DPR begrüßt, dass die Heilkundeübertragungsrichtlinie hier Klarheit schaffe.
"Perspektivisch dürften die nächsten 5 bis 8 Jahre nach Inkrafttreten der Heilkundeübertragungsrichtlinie dazu dienen, Modelle durchzuführen, zu implementieren und zu evaluieren. Die aktive Beteiligung von Leistungserbringern kann hier eine weitere Entwicklung befördern, die vor dem Hintergrund der demographischen Herausforderungen, denen wir uns in der Zukunft immer stärker stellen müssen, dringend geboten ist".[7]
Quellen
- ↑ GBA; Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses von 20. Oktober 2011
- ↑ Rain Habermehl: Substitution ärztlicher Leistungen- Die Lösung für den Ärztemangel? Medizinrecht – Klinikrecht – Apothekenrecht, 5.11.2011
- ↑ HEILBERUFE, Richtlinie beraten. Heft 4/2011, 9
- ↑ HEILBERUFE, Richtlinie beraten. Heft 4/2011, 9
- ↑ Medizinrecht-Blog; Substitution ärztlicher Leistungen- Die Lösung für den Ärztemangel?
- ↑ HEILBERUFE, Richtlinie beraten. Heft 4/2011, 9
- ↑ Deutscher Pflegerat; Sturm im Wasserglas - Keine Auswirkung der Richtlinie zu § 63 (3c) SGB V auf Delegation, Pressemitteilung des DPR vom 16. Juli 2012
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