Hämorrhagische Transformation (Schlaganfall)
Definition
Die hämorrhagische Transformation, kurz HT, ist eine sekundäre Einblutung in zuvor ischämisch geschädigtes Hirngewebe. Sie tritt typischerweise im Verlauf eines ischämischen Schlaganfalls auf, insbesondere nach rekanalisierenden Therapien wie Thrombolyse oder mechanischer Thrombektomie.
Klassifikation
Für die Einordnung hämorrhagischer Transformationen existieren mehrere Klassifikationssysteme:
- Die ECASS-Klassifikation (European Cooperative Acute Stroke Study) ist ein älteres, rein bildmorphologisches System. Sie unterscheidet:
- HI1/HI2 (Hämorrhagische Infarzierung): punktförmige bzw. konfluierende Blutungen ohne Masseeffekt
- PH1/PH2 (Parenchymatöse Blutung): homogene Einblutungen mit zunehmender Raumforderung.
- Die Heidelberg Bleeding Classification (HBC) wurde entwickelt, um eine differenziertere, klinisch relevantere Bewertung zu ermöglichen. Sie berücksichtigt neben der Lokalisation und Ausdehnung auch den klinischen Zusammenhang (z.B. symptomatisch vs. asymptomatisch) sowie das zeitliche Auftreten nach therapeutischer Intervention.
Die HBC gilt heute als bevorzugte Klassifikation in Klinik und Forschung, da sie therapeutische Konsequenzen und prognostische Relevanz besser abbildet.
Pathophysiologie
Ursächlich ist eine gestörte Blut-Hirn-Schranke infolge der ischämischen Gewebeschädigung. Nach Reperfusion kann es durch oxidativen Stress, Entzündungsmediatoren und die Aktivierung von Matrix-Metalloproteinasen zu einer sekundären vaskulären Destabilisierung und Einblutung kommen.
Risikofaktoren
Zu den Risikofaktoren einer HT zählen:
- großes Infarktvolumen
- hohe initiale NIHSS-Scores
- kardioembolische Genese
- Hyperglykämie
- arterielle Hypertonie
- Reperfusion durch rtPA oder Thrombektomie
- Antikoagulation oder Thrombozytenaggregationshemmung
Diagnostik
Die HT wird bildmorphologisch mittels kranieller CT oder MRT diagnostiziert. Die suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung (SWI) ist besonders sensitiv für mikrohämorrhagische Veränderungen.
Klinische Relevanz
Hämorrhagische Transformationen können asymptomatisch verlaufen oder zu einer akuten neurologischen Verschlechterung führen – insbesondere bei raumfordernden parenchymatösen Blutungen. Sie sind ein wichtiger Sicherheitsendpunkt in Studien zur Akutbehandlung des Schlaganfalls und beeinflussen das weitere Management, etwa im Hinblick auf antithrombotische Sekundärprophylaxe.
Zur Beurteilung des funktionellen Outcomes wird häufig der Modified Rankin Scale (mRS) herangezogen.
Literatur
- von Kummer R, Broderick JP, Campbell BC, et al. The Heidelberg Bleeding Classification: Classification of Bleeding Events After Ischemic Stroke and Reperfusion Therapy. Stroke. 2015;46(10):2981-2986. doi:10.1161/STROKEAHA.115.010049
- Khatri R, McKinney AM, Swenson B, Janardhan V. Blood-brain barrier, reperfusion injury, and hemorrhagic transformation in acute ischemic stroke. Neurology. 2012;79(13 Suppl 1):S52-S57. doi:10.1212/WNL.0b013e3182697e70