Chromosomale Integration
Englisch: chromosomal integration
Definition
Chromosomale Integration bezeichnet den Prozess, bei dem ein Fremdgenom – typischerweise virale DNA – dauerhaft in das Genom einer Wirtszelle eingebaut wird. Auf diese Weise wird die virale DNA-Sequenz Teil eines zellulären Chromosoms und bei jeder Zellteilung mit repliziert.
Vorkommen
Am besten belegt ist die chromosomale Integration für die Humanen Herpesviren6A und 6B (HHV-6A/B). Diese Viren können ihr Genom spezifisch in die Telomerregionen menschlicher Chromosomen integrieren. Die Integration kann sowohl in somatischen Zellen als auch in Keimzellen erfolgen, wodurch das integrierte Virusgenom vererbt werden kann („inherited chromosomally integrated HHV-6“, kurz iciHHV-6).
Darüber hinaus ist eine chromosomale Integration auch für Retroviren wie das Human Immunodeficiency Virus (HIV) und das Human T-lymphotropic Virus (HTLV) ein essenzieller Bestandteil ihres Replikationszyklus, da sie eine virale Integrase besitzen, die das Virusgenom in das Wirtsgenom einfügt.
Bei Epstein-Barr-Viren (EBV) kann eine Integration in das Wirtsgenom ebenfalls vorkommen, meist als zufälliges Ereignis im Rahmen einer Tumorentstehung.
Auch bei einigen einsträngigen DNA-Viren (z.B. Parvoviren) wurde eine Integration in das Wirtsgenom beschrieben, meist in Form endogener viraler Elemente im Genom verschiedener Organismen.
Auswirkungen
Diagnostische Herausforderungen
Bei HHV-6A/B kann die Integration vererbt werden (iciHHV-6) und zu diagnostischer Verwirrung führen, da vermeintlich hohe Viruslasten fälschlich als aktive Infektion interpretiert werden können. Bei Verdacht auf iciHHV-6 ist die Analyse von DNA aus verschiedenen Geweben (z.B. Blut, Haarfollikel) sinnvoll, da die Integration in allen Zellen nachweisbar ist. Zur Bestätigung ist eine FISH-Analyse möglich.
Insertionale Mutagenese
Bei onkogenen DNA-Viren wie HPV, HBV und EBV ist die Integration ein zentraler Mechanismus der Tumorentstehung. Sie kann zu strukturellen Chromosomenveränderungen, Aktivierung von Proto-Onkogenen, Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen und erhöhter genomischer Instabilität führen, was die Entstehung von Malignomen wie z.B. Zervixkarzinom, hepatozellulärem Karzinom und Lymphomen begünstigt.
Quellen
- Vojtechova und Tachezy, Genome integration of human DNA oncoviruses, J Virol, 2025
- Bushman, Retroviral Insertional Mutagenesis in Humans: Evidence for Four Genetic Mechanisms Promoting Expansion of Cell Clones, Mol Ther, 2020
- Lesbats et al., Retroviral DNA Integration, Chem Rev, 2016