Bielefelder Aphasie Screening
Definition
Das Bielefelder Aphasie Screening, kurz BIAS, ist ein standardisiertes Verfahren zur Diagnostik akuter und chronischer Aphasien nach erworbenen Hirnschädigungen.
Hintergrund
Das BIAS wurde 2006 von Kerstin Richter und Martina Hielscher-Fastabend publiziert. Es liegt in zwei Versionen vor: "BIAS A" für die Diagnostik in der Akutphase und "BIAS R" für die Diagnostik in der Rehabilitationsphase. Beide Versionen sind in Aufbau und Aufgabenstellung ähnlich, unterscheiden sich jedoch im Schwierigkeitsgrad und der inhaltlichen Tiefe.
Durchführung
Das BIAS wird meist von Logopäden oder klinischen Linguisten durchgeführt. Der Test eignet sich sowohl für die Akutdiagnostik, als auch zur Verlaufsbeurteilung während der Rehabilitation.
Die Materialien bestehen aus einem Handbuch, Protokollbögen, Bild- und Worttafeln, Wortkärtchen sowie Buchstabenplättchen. Eine Tonaufnahme der Sprachproduktion wird empfohlen, um die Analyse von Wortfindungsstörungen, Paraphasien oder Prosodieabweichungen nachträglich zu ermöglichen.
Das Verfahren prüft fünf zentrale Sprachbereiche: Spontansprache, auditives Sprachverständnis, automatisierte Sprache, elizitierte mündliche Sprachproduktion und Schriftsprache. Die Gesamtdauer liegt je nach Version und Patient zwischen 20 und 40 Minuten.
Spontansprache
Zu Beginn wird ein kurzes Gespräch geführt (5 – 10 Minuten). Der Patient beantwortet einfache Fragen zur Person oder zu Alltagsthemen. Die Spontansprache dient der allgemeinen Einschätzung der Kommunikationsfähigkeit.
Bewertet werden dabei Sprachflüssigkeit, Wortfindung, Satzbau, Artikulation und Prosodie sowie das Kommunikationsverhalten des Patienten, insbesondere in Bezug auf Verständlichkeit, Reaktionsfähigkeit und Gesprächsinitiative.
Ergänzend werden nonverbale Strategien wie Gestik oder Mimik beobachtet, da sie wichtige Hinweise auf das Kompensationsverhalten und das Verständnisniveau geben.
Auditives Sprachverständnis
Dieser Bereich besteht aus drei Subtests. Im ersten Subtest (Wortverständnis) ordnet der Patient gehörte Wörter den passenden Bildern zu. Hierbei werden vor allem alltagsnahe Begriffe und Handlungen verwendet. Der Untersucher vermerkt richtige und falsche Zuordnungen und dokumentiert gegebenenfalls sogenannte verbale Differenzierungsnennungen, also fehlerhafte, aber semantisch verwandte Antworten. Nach drei aufeinanderfolgenden Fehlversuchen kann der Test abgebrochen werden.
Im zweiten Subtest (Satzverständnis) werden dem Patienten kurze gesprochene Sätze vorgelesen, zu denen er das passende Bild auswählen soll. Die Sätze variieren in ihrer Komplexität. Auch hier wird nach mehreren Fehlversuchen abgebrochen.
Im dritten Subtest werden Entscheidungsfragen gestellt, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können.
Automatisierte Sprache
Geprüft werden sprachlich erlernte Routinen und Abfolgen (z.B. Zählen von eins bis zehn), das Ergänzen von Sprichwörtern und Floskeln. Diese Aufgaben sind besonders geeignet, um die Stimulierbarkeit des Patienten einzuschätzen, da automatisierte Sprachmuster auch bei ausgeprägteren Sprachstörungen teilweise erhalten bleiben. Bewertet wird, ob die Aufgabe flüssig, stockend oder gar nicht bewältigt werden kann.
Elizitierte mündliche Sprachproduktion
Dieser Testbereich überprüft verschiedene Aspekte der Sprachproduktion. Zunächst wird das Benennen von Gegenständen anhand von Bildkarten bewertet. Der Untersucher dokumentiert, ob das Wort korrekt genannt, umschrieben oder fehlerhaft produziert wird. Anschließend folgt die Beschreibung einer komplexeren Bildszene, bei der Satzproduktion und Informationsgehalt beurteilt werden. Eine kurze dialogische Gesprächsphase dient zur Beurteilung der Reaktion des Patienten auf einfache Fragen oder Alltagssituationen. Dieser Abschnitt ermöglicht eine differenzierte Einschätzung der Wortfindung, des Satzbaus und der kommunikativen Kompetenz.
Schriftsprache
Der letzte Bereich betrifft die Schriftsprache (Lesen und Schreiben). Der Patient liest einzelne Wörter oder Sätze vor und ordnet geschriebene Wörter Sätzen zu, um Lesefähigkeit und Sprachverständnis zu prüfen. Beim Schreiben diktiert der Untersucher Wörter oder Sätze, die der Patient nachschreibt oder abschreibt. Es werden Lesbarkeit, Orthographie und Vollständigkeit bewertet. Der Test wird abgebrochen, wenn der Patient die Aufgabe trotz Hilfestellung nicht ausführen kann.
Auswertung
Die Auswertung des BIAS erfolgt anhand eines standardisierten Protokollbogens. Richtig beantwortete Aufgaben werden mit einem Punkt bewertet, falsche Antworten mit null Punkten. Zusätzlich können qualitative Beobachtungen, wie z.B. Paraphasien festgehalten werden. Am Ende entsteht ein Leistungsprofil über alle getesteten Bereiche, das sowohl quantitative Ergebnisse als auch qualitative Sprachmerkmale umfasst. Dadurch kann das Vorliegen und der Schweregrad einer Aphasie eingeschätzt und ein individuelles Störungsprofil erstellt werden.
Literatur
- Nobis-Bosch, R., Krzok, F., & Rubi-Fessen, I. (2021). Erfassung multimodaler Kommunikation bei Aphasie: Möglichkeiten der klinischen Anwendung des Szenario-Tests. In Forum Logopadie (No. 1).
- Richter, K., Wittler, M., & Hielscher-Fastabend, M. (2006). Bielefelder Aphasie Screening (BiAS)–Zur Diagnostik akuter Aphasien.
- Schmedt, B. (2007). BIAS-Bielefelder Aphasie Screening. In Forum Logopadie (Vol. 21, No. 4, pp. 68-69). Schulz-Kirchner Verlag GmbH.