Amiodaron-induzierte Hyperthyreose
Synonym: Amiodaron-induzierte Thyreotoxikose
Englisch: amiodarone-induced thyrotoxicosis
Definition
Die Amiodaron-induzierte Hyperthyreose, kurz AIH, ist eine Form der Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose), die durch Therapie mit dem Klasse-III-Antiarrhythmikum Amiodaron entstehen kann.
Pathogenese
Amiodaron wird zur Therapie von Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Die Verbindung enthält Iod, das 37% des Molekulargewichtes ausmacht. Bei einer empfohlenen Erhaltungsdosis von 200 mg werden etwa 7 bis 9 mg Iod frei. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Erwachsene eine Iod-Aufnahme von 200 µg.[1] Die Gabe von Amiodaron führt also zu einer übermäßigen Iodzufuhr. Der Iodspiegel bleibt auch nach Absetzen des Medikaments für mehrere Monate erhöht, da Amiodaron sich als lipophile Substanz im Fettgewebe anreichert und eine lange Halbwertszeit von 20-100 Tagen hat.
Amiodaron und sein Metabolit Desethyl-Amiodaron vermindern die Konversion von T4 zu T3. Sie ähneln strukturell den Hormonen der Schilddrüse und hemmen kompetitiv das Enzym Deiodinase, besonders in der Leber. Außerdem binden sie an T3-Rezeptoren im Nukleus, wodurch sie die Transkription von T3-regulierten Genen beeinflussen.
Prävalenz
Formen
Bei der Amiodaron-induzierten Hyperthyreose werden zwei Formen unterschieden.
Typ-1-AIH
Typ 1 tritt bei vorbestehenden Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow auf und wird vermutlich durch den Iod-Überschuss induziert. Dies führt zu einer erhöhten Synthese von Schilddrüsenhormonen.
Typ-2-AIH
Typ 2 äußert sich als destruierende Amiodaron-induzierte Thyreoiditis, die vermutlich durch einen direkten toxischen Effekt des Amiodarons auf die Epithelzellen der Schilddrüsenfollikel entsteht. Da hier Schilddrüsenhormone gebildet und gespeichert werden, führt die Schädigung zu einer erhöhten Freisetzung der Hormone aus der Schilddrüse. Dieser Typ kommt weitaus häufiger vor als Typ I.
Differenzierung
Die beiden Formen können über die Konzentration von Thyreoglobulin differenziert werden, die bei Typ I typischerweise erhöht ist. In der farbkodierten Dopplersonografie fällt beim Typ I eine vermehrte Vaskularisierung auf, die bei Typ II fehlt.
Symptomatik
Sowohl Typ I als auch Typ II äußern sich in veränderten Serumkonzentrationen der Schilddrüsenhormone:
- Anstieg von freiem T4 um 20-30 %
- Abnahme von freiem T3 um bis zu 30 %
- basales TSH im unteren Normbereich bzw. supprimiert
Unbehandelt kann sich die Amiodaron-induzierte Hyperthyreose zu einer manifesten Hyperthyreose entwickeln, die dann mit den typischen Symptomen wie Unruhe, Hyperaktivität, erhöhtes Schwitzen oder arterieller Hypertonie einhergeht. Da der Effekt von Amiodaron auf die Schilddrüse hinlänglich bekannt ist, wird mittlerweile unter Therapie mit dem Medikament eine regelmäßige Kontrolle des Organs bzw. der Hormonkonzentrationen durchgeführt und eine sich entwickelnde induzierte Hyperthyreose früh therapiert.
Therapie
Bei Typ I ist der Einsatz von Thyreostatika wie Perchlorat oder Thiamazol indiziert, die kompetitiv zum Iod wirken und dadurch die Synthese der SD-Hormone hemmen. Bei einer ursächlichen Schilddrüsenautonomie ist ggf. eine Thyreoidektomie notwendig. Bei Typ II können Glucocorticoide zur Hemmung der Entzündung eingesetzt werden.
Bei beiden Formen sollte ein Absetzen von Amiodaron, in Abhängigkeit von der individuellen Krankengeschichte des Patienten, in Betracht gezogen werden. Zu bedenken ist dabei, dass durch die lange Halbwertszeit des Medikaments die Iod-Level bis zu 6 Monate nach Absetzen erhöht bleiben.
Quellen
- ↑ DGE Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr: Iod
- ↑ Kahaly et al. Amiodaron und Schilddrüsendysfunktion. Deutsches Ärzteblatt; 2007
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