Amidin
Definition
Amidine sind organische Verbindungen aus der Gruppe der Carbonsäurederivate mit der allgemeinen Strukturformel R–C(=NH)–NH₂, wobei R ein kohlenstoffhaltiger Rest ist. Sie stellen starke organische Basen dar und kommen in zahlreichen pharmakologisch aktiven Substanzen vor.
Chemie
Amidine sind zyklische oder azyklische Moleküle, die strukturell zwischen Carbonsäureamiden und Iminen anzusiedeln sind. Das einfachste stabile Amidin ist Acetamidin, während Formamidin (mit R = H) das strukturell einfachste Amidin darstellt und sich von der Ameisensäure ableitet. Die Amidingruppe zeichnet sich durch eine charakteristische Resonanzstabilisierung aus, bei der die Elektronendichte zwischen den beiden Stickstoffatomen delokalisiert wird.
Struktur
Die allgemeine Strukturformel der Amidine lautet:
- R–C(=NH)–NH₂ (azyklische Amidine)
- Bei zyklischen Amidinen wie Imidazolinen bildet die Amidingruppe einen heterozyklischen Ring
Basizität
Amidine gehören zu den starken organischen Basen und weisen deutlich höhere Basizitätswerte auf als Carbonsäureamide oder einfache Amine. Diese ausgeprägte Basizität resultiert aus der Resonanzstabilisierung des protonierten Amidins, bei der die positive Ladung über beide Stickstoffatome verteilt werden kann. Bei physiologischem pH-Wert (pH 7,4) liegen Amidine daher überwiegend in protonierter, kationischer Form vor.
Pharmakologie
Amidine und ihre Derivate finden breite Anwendung in der Wirkstoffchemie. Viele moderne Medikamente enthalten Amidinstrukturen, insbesondere substituierte Imidazoline wie Xylometazolin, Oxymetazolin oder Naphazolin, bei denen die Amidingruppe als zyklisches Strukturelement vorliegt. Die antimikrobielle Aktivität von amidinenhaltigen Verbindungen macht sie zu interessanten Kandidaten für die Entwicklung neuer Antiinfektiva.
Prodrug-Strategien
Aufgrund der starken Basizität weisen Amidin-haltige Wirkstoffe häufig eine schlechte orale Bioverfügbarkeit auf. Um diese Limitation zu überwinden, werden verschiedene Prodrug-Konzepte eingesetzt, bei denen die Amidingruppe temporär maskiert wird. Ein etablierter Ansatz ist die Veresterung von Amidoximen (N-hydroxylierten Amidinen), die nach Resorption enzymatisch durch N-Reduktion in die aktive Amidinform überführt werden.
Synthese
Amidine können durch verschiedene Syntheserouten dargestellt werden:
- Reaktion von Nitrilen mit Aminen (Pinner-Reaktion)
- Reaktion von Carbonsäurederivaten mit Aminen
- Verwendung von Carbodiimiden wie Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) als Aktivierungsreagenzien bei der Amidsynthese
Die Carbodiimide enthalten selbst Amidinstrukturen und werden häufig in der Peptidsynthese eingesetzt.
Quellen
- Shriner RL: The Chemistry of the Amidines, Chemical Reviews 1944, 35:351-425
- Singh BK et al.: Amidine: Structure, Reactivity and Complexation Behaviour, J Chem Technol 2009, 16(3):250-264
- Shalaby MA et al.: Amidine containing compounds: Antimicrobial activity and its mechanisms, Heliyon 2024, 10(16):e35049
- Wikipedia: Amidine, abgerufen am 11. Dezember 2025