Urogenitaltuberkulose
Englisch: urogenital tuberculosis
Definition
Die Urogenitaltuberkulose umfasst die Manifestationen der Tuberkulose an den Nieren, Harnwegen und Geschlechtsorganen.
Epidemiologie
Die Urogenitaltuberkulose macht ca. 10-15 % der extrapulmonalen Tuberkulosefälle aus.
Pathogenese
Nach der Primärinfektion mit Mycobacterium tuberculosis kommt es durch hämatogene Aussaat von Erregern in die Nieren zur Beteiligung des Urogenitaltraktes. Von der Niere ausgehend kann es zu deszendierenden Entzündungen der Ureteren, der Harnblase, der Prostata und des Nebenhodens kommen (Tuberkulöse Zystitis, Tuberkulose Prostatitis).
Bei Frauen können können im Rahmen der Infektion der Harnwege durch Übergreifen auf die Geschlechtsorgane vor allem die Tuba uterina und die Ovarien betroffen sein. Zwischen der Primärinfektion und dem Auftreten einer Urogenitaltuberkulose liegen meistens mehrere Monate, gelegentlich auch viele Jahre.
Pathologie
Es handelt sich um eine granulomatöse Entzündung, die pathohistologisch nahezu identisch zur Lungentuberkulose abläuft. Es liegen ebenfalls zentrale, käsige Nekrosen vor, die von Granulationsgewebe sowie von Epitheloidzellen und mehrkernigen Langhans-Riesenzellen umgeben sind.
Organbeteiligung
Niere
Die Nieren unterliegen im Rahmen der Urogenitaltuberkulose fortschreitenden Veränderungen mit Ausbildung von Kavernen, Einschmelzungen und verkäsenden Nekrosen. Das Endstadium ist hierbei die sogenannte Kittniere. Im Ausscheidungsurogramm lassen sich Parenchymverkalkungen und verschmälerte Kelchhälse darstellen. Obwohl prinzipiell beide Nieren betroffen sein können, manifestiert sich die Tuberkulose oftmals zunächst nur einseitig.
Man unterscheidet zwischen einer offenen und einer geschlossen Nierentuberkulose, wobei der Übergang fließend ist. Die offene Nierentuberkulose ist dadurch gekennzeichnet, dass diese sich auf das Nierenparenchym beschränkt, ohne das Nierenkelchsystem zu erreichen. Demgegenüber gewinnen die Tuberkuloseherde bei der offenen Nierentuberkulose Anschluss an das Kelchsystem und führen zu einer Mykobakteriurie.
Ableitende Harnwege
Die Ureteren sind vornehmlich im unteren Drittel betroffen. Häufig sind granulomatöse Schleimhautveränderungen zu finden, die nach narbiger Abheilung zu Harnleiterstrikturen führen. Im Ausscheidungsurogramm kann ein betroffener Ureter daher häufig korkenzieherförmig aufgetrieben erscheinen.
Die Blase ist mit einer granulomatösen Entzündung aller Wandschichten beteiligt. Es kommt zu einer chronischen Zystitis mit Wandverdickung und Trabekulierung der Blase. Durch Veränderungen an den Einmündungsarealen der Ureteren kann es sowohl zur Verlegung des Zuflusses kommen (postrenales Nierenversagen), als auch zur Ausbildung eines vesikoureteralen Refluxes.
Weitere
Die tuberkulöse Prostatitis führt zu ausgeprägten granulomatösen Veränderungen des Drüsenkörpers mit Ausbildung einer höckerigen Organoberfläche. Im Ausscheidungsurogramm können sich Verkalkungen der Drüse darstellen. In der Miktionszysturethrographie kommt es charakteristischerweise zu subprostatischen Kontrastmitteldepots. Samenblasen, Nebenhoden und Ductus deferens können im Rahmen einer Beteiligung Kalzifikationen aufweisen.
Weiblicher Genitaltrakt
Im weiblichen Genitaltrakt können prinzipiell alle Organe beteiligt sein, vorzugsweise sind jedoch die Tuben mit der Ausbildung eines Hydrosalpinx und Pyosalpinx betroffen.
Klinik
Die klinische Symptomatik der Urogenitaltuberkulose ist abhängig von der Schwere der Infektion und vom jeweiligen Befallsmuster. Anfangs können die Beschwerden uncharakteristisch sein. Auch asymptomatische Verläufe sind möglich.
Im Rahmen der fortschreitenden Beteiligung des Urogenitaltraktes treten Flankenschmerzen sowie Miktionsbeschwerden wie Dysurie und Pollakisurie auf. Eine Prostataverhärtung kann bei urologischen Kontrolluntersuchungen auffallen. Häufig finden sich subfebrile Temperaturen.
Diagnostik
Bei Verdacht auf eine Urogenitaltuberkulose ist der Urinbefund wegweisend. Typischerweise findet sich im Urin eine massive Leukozyturie bei fehlendem Nachweis eines Keims in der Urinkultur (Eintauchkultur), entsprechend einer sogenannten "sterilen Leukozyturie".
Zur Darstellung weiterer Veränderungen dienen bildgebende Verfahren:
- Ausscheidungsurographie (Darstellung von Veränderungen der Nieren, ableitenden Harnwege)
- Miktionszysturethrographie oder retrograde Urographie (Darstellung der Veränderungen an der Prostata)
- Sonographie (Darstellung von Blase und Nebenhoden)
- CT zur Beurteilung topographischer Verhältnisse und Parenchymveränderungen der Niere
- MRT zur Darstellung von Kavernen und Fistelbildungen
Der definitive Nachweis einer Urogenitaltuberkulose ist immer an den entsprechenden Keimnachweis gebunden. Die kulturelle Anzucht von Mycobacterium tuberculosis kann aus Urin, Ejakulat oder Menstruationsblut erfolgen.
Therapie
Die Therapie ist zunächst medikamentös und umfasst eine Dreifachtherapie mit Antituberkulotika (Medikamentöse Tuberkulosetherapie). Diese Dreifachkombination sollte für mindestens 6 Monate eingenommen werden. Danach sollte die tuberkulostatische Therapie mit einer Zweierkombination für weitere 12-18 Monate fortgesetzt werden. Eine Ausheilung ist hierunter häufig, durch Nebenwirkungen der Medikamente kann es durchaus zu Problemen der Non-Compliance kommen. Regelmäßige Kontrollen und Anleitung des Patienten sind empfehlenswert.
Bei fortgeschrittenen Befunden wie einer funktionslosen Niere, einer symptomatischen Schrumpfblase oder irreversciblen Stenosen des Ureters können chirurgische Therapien eingesetzt werden. Jedoch sollte diese auch von einer bereits begonnenen tuberkulostatischen Therapie flankiert sein.
Meldepflicht
Eine Urogenitaltuberkulose ist eine namentlich meldepflichtige Infektionskrankheit.
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