Lungenemphysem
Synonyme: Emphysema pulmonum, Lungen(über)blähung
Englisch: pulmonary emphysema
Definition
Unter einem Lungenemphysem versteht man einen abnorm gesteigerten Luftgehalt der Lunge, der mit einer irreversiblen Zerstörung des Lungengewebes distal der Bronchioli terminales einhergeht.
ICD10-Codes
Code | Bezeichnung |
---|---|
J43.- | Emphysem |
J43.1 | Panlobuläres Emphysem |
J43.2 | Zentrilobuläres Emphysem |
J43.8 | Sonstiges Emphysem |
J43.9 | Emphysem, nicht näher bezeichnet |
J68.4 | Emphysem durch Einatmen von chemischen Substanzen, Gasen, Rauch und Dämpfen |
Ätiologie
Die häufigste Ursache (> 90%) eines Lungenemphysems ist das inhalative Zigarettenrauchen, das zur Entwicklung einer COPD führt. Dabei stellt auch das Passivrauchen ein bedeutsames Risiko dar. Zusätzlich wird eine genetische Disposition vermutet. Weitere, seltenere Ursachen sind:
- Exogene Noxen: Gase, Feinstäube, Smog
- Virusinfektionen der Lunge
- genetische Faktoren (z.B. Alpha-1-Antitrypsin-Mangel)
Pathophysiologie
Auf dem Boden einer chronischen Entzündung (Bronchiolitis) kommt es zu einer Einengung der Atemwege. Im Vorgang der Exspiration kollabieren die Bronchioli terminales, wodurch die Luft nicht aus den Alveolen entweichen kann. Man spricht von "trapped air" (engl.), gefangener Luft. Dadurch kommt es bei erneuter Inspiration durch Hyperinflation zu einer Überdehnung der Alveolen und Bronchiolen. Die Überdehnung hat zur Folge, dass die Alveolen zerstört werden und sich große, aber für den Gasaustausch untaugliche, Emphysembläschen bilden.
Parallel zerstören Proteasen sukkzessive das Lungenparenchym, was eine Rarefizierung der Blutgefäße und einen gestörten Gasaustausch zur Folge hat. Bei schwerem Lungenemphysem kann das physiologische Totraumvolumen bis zu 2 Liter betragen.
Histopathologie
Einteilung
Lungenemphyseme im engeren Sinn
Lungenemphyseme werden primär nach Lokalisation bzw. Befallsmuster eingeteilt, wobei die einzelnen Formen sich auch pathogenetisch unterscheiden:
- panlobuläres Lungenemphysem: dilatative Destruktion aller Bestandteile der Lungenazini, z.B. bei homozygotem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder Marfan-Syndrom. Es können makroskopisch sichtbare blasenartige Auftreibungen entstehen (bullöses Lungenemphysem). Typischerwise in basalen Lungenabschnitten betont und geringe, eher spät auftretende obstruktive Komponente.
- zentrilobuläres Lungenemphysem: dilatative Destruktion der proximalen Azinusanteile (Bronchioli respiratorii) auf dem Boden einer chronisch-destruktiven Bronchiolitis. Insbesondere die Oberlappen sind betroffen. Frühzeitige Obstruktion der Atemwege.
- paraseptales Lungenemphysem: lokalisiertes subpleurales Emphysem unklarer Ursache bei jungen Patienten. Führt häufig zu einem Spontanpneumothorax.
- Narbenemphysem: Emphysem ohne anatomische Abhängigkeit zum Lungenazinus im Bereich pulmonaler Narbenprozesse (z.B. nach Tuberkulose oder im Rahmen einer Lungenfibrose oder Pneumokoniose).
Eine Sonderform stellt das kongenitale lobäre Lungenemphysem (CLE) dar. Dieses betrifft meist den rechten Oberlappenbronchus.
Emphysematöse Läsionen
Lungenemphyseme im engeren Sinne werden meist von emphysematösen Läsionen abgegrenzt. Damit sind Zustandsbilder mit Lungenüberblähung oder pulmonaler Luftansammlung gemeint, die ohne destruktive Komponente und/oder ohne chronisch-obstruktive Symptome einhergehen. Man unterscheidet hier:
- obstruktives Überblähungsemphysem: akutes Emphysem durch ventilartige Verlegung der Luftwege (z.B. beim akuten Asthmaanfall)
- kompensatorisches Emphysem (Überdehnungsemphysem): kompensatorische Vergrößerung der Alveolen in der verbliebenen Lunge nach einseitiger Pneumektomie oder Lobektomie sowie bei Vorliegen einer Atelektase oder einer postentzündlich bedingten Verkleinerung der kontralateralen Lunge.
- Altersemphysem: alveoläre Gefügedilatation durch altersbedingte Degeneration des Bindegewebes
- interstitielles Lungenemphysem: Emphysem durch Lufteinpressung in das Lungeninterstitium (v.a. peribronchovaskuläres Bindegewebe), z.B. im Rahmen einer Überdruckbeatmung
Symptome
Zu den typischen Symptomen des Lungenemphysems zählen:
- Dyspnoe
- geringere Atembreite
- Fassthorax
- Zyanose
- Husten
Beim Lungenemphysem unterscheidet man klinisch zwei stereotype Symptomkonstellationen: den "Blue Bloater" und den "Pink Puffer". Zwischen beiden Formen gibt es jedoch zahlreiche Mischtypen.
Diagnostik
Klinische Untersuchung
- Inspektion: Thoraxform (Fassthorax), Sahli-Gefäßgirlanden
- Perkussion: Hypersonorer Klopfschall
- Auskultation: Abgeschwächtes Atemgeräusch
Röntgen-Thorax
Im Röntgen-Thorax macht sich ein Lungenemphysem durch folgende Veränderungen bemerkbar:
- Größenzunahme des Thorax in allen 3 Raumrichtungen
- Retrosternalraum > 2,5 cm
- Verbreiterung der Interkostalräume
- Zwerchfelltiefstand (unterhalb des ventralen Anteils der 6. Rippe)
- Zwerchfellabflachung bzw. Inversion ggf. mit Insertionszacken
- Sternodiaphragmaler Winkel > 90° (Seitaufnahme)
- Kostodiaphragmaler Winkel > 40° (p.a.-Aufnahme)
- Transparenzerhöhung: homogen oder inhomogen (durch unterschiedliche Ausprägung der emphysematösen Destruktion bis hin zu Bullae)
- Verlagerung der Lappenspalten: Ein stärker überblähter Lappen wölbt den Lappenspalt gegen den weniger stark betroffenen Lappen vor. Dies kann zur Kompression von Lungenparenchym führen, sodass kleine streifige Verschattungen (Plattenatelektasen) oder flächenhafte Transparenzminderungen (Kompressionsatelektasen) auftreten.
- Gefäßrarefizierung: Verlust der pulmonalen Gefäße durch emphysematöse Destruktion. Die Abstände zwischen den Gefäßen werden größer. Die Gefäße sind zart und lassen sich nicht mehr bis in die Peripherie verfolgen. Der verminderte Blutgehalt verstärkt die Transparenzzunahme noch weiter. Die Verteilung (homogen oder inhomogen) entspricht der der Überblähung. Eine inhomogene Verteilung des emphysematösen Umbaus kann auch zur Verlagerung oder Verdrängung der Gefäße führen, wobei diese dann unregelmäßig oder bogenförmig in die Peripherie laufen.
- Zeichen der pulmonalen Hypertonie
- Dilatation des Truncus pulmonalis: Der Abstand zwischen Carina und der links lateralen Außenkontur des Pulmonalissegment ist größer als 3,5 bis 4,5 cm. Es resultiert außerdem eine Verschmälerung des Retrosternalraums.
- Dilatation der zentralen Pulmonalarterien: Durchmesser der rechten Arteria interlobaris > 1,6-1,8 cm an Kreuzungsstelle mit der rechten Oberlappenvene bzw. dem rechten Oberlappenbronchus.
- Abrupter Kalibersprung (Gefäßamputation) auf Ebene der Lappen- oder Segmentarterien
siehe Hauptartikel: Lungenemphysem (Radiologie)
Computertomographie
Das Lungenemphysem kann in der Computertomographie (CT) direkt dargestellt werden. Es führt durch den erhöhten Luftgehalt und den Verlust des Lungengerüsts zu einer Dichteminderung. Die emphysematösen Gebiete zeigen dabei keine sichtbare Begrenzung oder Wand gegenüber dem dichteren Parenchym. Die Dichtemessung ergibt als obere Schwellenwerte -900 bis -950 HE, als unteren Schwellenwert -1.024 HE. Auch die Gefäßrarefizierung lässt sich in der CT darstellen. Im Gegensatz zum Röntgen-Thorax können in der CT die unterschiedlichen Emphysemformen differenziert werden.
Lungenfunktion
Die Lungenfunktionsuntersuchung gibt genaue Auskunft über die Atemleistung der Lunge. Bei einem Lungenemphysem zeigen sich unter anderem folgende Veränderungen:
- herabgesetzte Vitalkapazität (VC)
- erhöhtes Residualvolumen und erhöhte funktionelle Residualkapazität (FRC)
- verminderte Einsekundenkapazität (FEV1) bzw. reduzierter Tiffeneau-Index (FEV1/VC)
- verminderte Diffusionskapazität
Therapie
Die Therapie zielt in erster Linie darauf, das weitere Fortschreiten des Lungenemphysems zu vermeiden. Bereits verlorenes Lungengewebe kann derzeit (2023) nicht wiederhergestellt werden:
- Vermeidung auslösender Noxen
- Atemgymnastik
- langwirksame Beta-2-Sympathomimetika (inhalativ)
- Anticholinergika (inhalativ)
- Kortikosteroide (inhalativ)
- Expektoranzien
- Sauerstoff-Langzeittherapie (auch als Heimbehandlung)
- Impfung gegen Influenzavirus und Pneumokokken
Bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel erfolgt eine Substitutionsbehandlung mit AAT-Konzentraten.
Bei Ausschöpfung konservativer Maßnahmen und einem ausgeprägten Lungenemphysem kann eine endoskopische Lungenvolumenreduktion (ELVR) indiziert sein. Bei diesem interventionellen Verfahren wird mittels eines Ventils eine gezielte Atelektase einzelner, geschädigter Lungensegmente hervorgerufen, so dass die Atemmechanik verbessert wird.
Quiz
Literatur
- Riede UN, Werner M, Freudenberg N. Basiswissen Allgemeine und Spezielle Pathologie, Springer.
- Riede UN, Werner M, Schaefer HE. Allgemeine und spezielle Pathologie, 5. Auflage, Thieme
- Böcker et al. Pathologie, 5. Auflage, Elsevier.
Bildquelle
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