Knochen
Lateinisch: Os
Englisch: bone
Definition
Als Knochen oder Knochengewebe bezeichnet man eine besonders harte Form des Binde- und Stützgewebes, die das menschliche Skelett bildet. Knochen sind hoch spezialisierte Organe. Die medizinische Teildisziplin, die sich mit den Knochen beschäftigt, ist die Osteologie.
Die Zähne stellen eine eigene Gewebeentität dar.
Hintergrund
Alle Wirbeltiere stützen ihren Körper von innen durch ein Skelett, das aus einer Vielzahl von Knochen gebildet wird. Die einzelnen Knochen sehen je nach Lage sehr unterschiedlich aus und werden dynamisch durch die funktionellen Gegebenheiten geformt. Die Größe variiert zwischen den nur einige Millimeter großen Gehörknöchelchen bis hin zum massiven Oberschenkelknochen (Femur).
Anzahl
Der menschliche Körper umfasst ungefähr 210 Knochen. In der Literatur wird in der Regel ein Bereich von 206 bis 212 Knochen angegeben. Die genaue Anzahl schwankt interindividuell. Das liegt zum einen daran, dass als Varietäten verschiedene akzessorische Knochen vorkommen, zum anderen an der Verknöcherung von Knorpeln im Laufe des Lebens.
Einteilung
...nach Entstehung
Nach Art ihrer embryonalen Entstehung unterteilt man die Knochen in:
- Deck-, Beleg- oder Bindegewebsknochen, die sich aus Bindegewebe bilden und vor allem in der Schädel-Region vorkommen. Sie wachsen aus kleineren Knocheninseln zu kompakteren Gebilden zusammen.
- Ersatzknochen, die durch chondrale Ossifikation aus zuvor gebildetem Knorpel hervorgehen und die tiefer gelegenen Skelettteile bilden (z.B. die Wirbelsäule oder die Knochen des Arm- und Beinskeletts).
...nach Morphologie
Nach der Anordnung bzw. Morphologie des Knochengewebes unterscheidet man:
- Substantia spongiosa: Schwammartige Bälkchenknochen (kurz: Spongiosa) im Zentrum der Knochen
- Substantia compacta: Stabile Knochensubstanz im Rindenbereich des Knochens
...nach Form
Unterschieden werden die Knochen ferner nach ihrer Form oder besonderen Struktur:
- Ossa longa: Zu den sogenannten "langen Knochen" oder Röhrenknochen zählen Femur, Humerus, Ulna, Radius, Tibia, Fibula sowie die Metatarsal- und Metacarpalknochen. Sie sind aus zwei Enden (Epiphysen) und einem dazwischen liegenden Schaft (Diaphyse) aufgebaut.
- Ossa plana: Als "platte Knochen" bezeichnet man flächig aufgebaute Knochen wie die Scapula, das Sternum und die Rippen.
- Ossa brevia: Hierunter versteht man kurze, kompakte, würfel- oder zylinderförmige Knochen wie die Hand- und Fußwurzelknochen.
- Ossa pneumatica: Die hohlen bzw. pneumatisierten Knochen findet man im Bereich des Schädels, z.B. Maxilla, Os frontale, Os sphenoidale und Os ethmoidale.
- Ossa sesamoidea: Die Sesambeine oder Sesamknochen sind variabel auftretende Knochen, die vor allem als funktioneller Bestandteil von Sehnen auftreten. Der größte Sesamknochen ist die Kniescheibe (Patella).
Knochen, die sich keiner der oben angeführten Kategorien zuordnen lassen, bezeichnet man als Ossa irregularia.
Anatomie
Der Knochen wird an seinen Außenflächen von einer straffen Bindegewebshaut, dem Periost umgeben. Darunter findet sich die Rindenschicht des Knochens (Corticalis), die aus der Substantia compacta besteht. Weiter innen geht die Substantia compacta in ein schwammartiges Gerüst aus Knochenbälkchen, die Substantia spongiosa oder Spongiosa über. Der Hohlraum zwischen den Knochenbälkchen bildet die Markhöhle (Cavum medullare) des Knochens. Sie wird vom Endost ausgekleidet. Hier befindet sich das Knochenmark, das mit zunehmendem Lebensalter in den meisten Knochen durch gelbes Fettmark ersetzt wird.
Histologie
Das Knochengewebe besteht aus einem Netzwerk lebender Knochenzellen (Osteozyten), die in einer extrazellulären Hartsubstanz, der Knochenmatrix eingebettet sind und über Zellfortsätze in den Knochenkanälchen miteinander in Verbindung stehen. Ein eigenes Blutgefäßsystem versorgt die Knochenzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff. Die funktionelle Grundeinheit des Knochens, die um ein zentrales Blutgefäß herum angeordnet ist, bezeichnet man als Osteon.
Knochenzellen
Im Knochengewebe findet man drei verschiedene Formen von Zellen:
- Osteoblasten: Sie entstehen aus weniger differenzierten Vorläuferzellen und produzieren die organische Grundsubstanz des Knochens, das Osteoid, sowie alkalische Phosphatase, welche die Mineralisation des Knochens steuert.
- Osteozyten: Bei ihnen handelt es sich um reife Knochenzellen, die aus Osteoblasten entstehen, wenn letztere sich in die von ihnen produzierte Knochenmatrix eingeschlossen haben. Sie kommunizieren über Zellfortsätze miteinander und dienen der Erhaltung der Knochenmatrix und der Calciumhomöostase.
- Osteoklasten: Osteoklasten sind vielkernige Riesenzellen, die sich aus monozytären Stammzelllinien entwickeln. Sie sind für den Abbau des Knochens verantwortlich. Man findet sie in Resorptionszonen des Knochens, die auch als Howship-Lakunen bezeichnet werden.
Extrazellulärsubstanz
Im Hinblick auf die räumliche Organisation der zwischen den Knochenzellen liegenden Extrazellulärsubstanz, der Knochenmatrix, unterscheidet man zwei Formen von Knochen:
- Geflechtknochen: Beim Geflechtknochen verlaufen die Kollagenfasern der Knochenmatrix kreuz und quer und sind dadurch miteinander verflochten.
- Lamellenknochen: Beim Lamellenknochen verlaufen die Kollagenfasern parallel ausgerichtet.
Knochenbildung
Den Prozess der Knochenbildung bezeichnet man als Ossifikation oder Osteogenese. Knochen kann vom menschlichen Körper auf verschiedene Weise gebildet werden. Man unterscheidet histologisch:
Biochemie
Knochen besteht etwa zu 60 bis 70 % aus anorganischen Mineralien, zu 10 bis 15 % aus Wasser und zu 20 bis 25 % aus organischer Substanz. Bei den Mineralien überwiegen die Calciumsalze, die in Form von Hydroxylapatit vorliegen. Die organische Knochenmatrix setzt sich in erster Linie aus Kollagen I zusammen, ferner aus Proteoglykanen und weiteren Proteinen (z.B. Osteonectin, Osteocalcin und Sialoprotein), die eine wichtige Rolle bei der Knochenmineralisation spielen.
Physiologie
Formgebung
Die Knochen bilden die Grundlage für die Form und Statik des menschlichen Körpers. Um diese wichtige Aufgabe zu erfüllen, wird das Knochengewebe ständig dynamisch umgeformt, in dem es auf Be- und Entlastungsreize reagiert und so die Knochenfestigkeit den jeweiligen Anforderungen anpasst.
Bewegung
Gemeinsam mit den Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken ist der Knochen für die biomechanischen Eigenschaften des menschlichen Körpers verantwortlich. Er dient der Kraftübertragung und -weiterleitung.
Protektion
Eine weitere Aufgabe der Knochen ist der Schutz sensibler innerer Organe. So sind die Schädelknochen für den Schutz des Gehirns, der knöcherne Thorax für den Schutz der Brustorgane verantwortlich. Außerdem bildet der Knochen aufgrund seiner hohen Mineraldichte einen relativen Strahlenschutz für das in seinem Inneren befindliche, besonders sensible Knochenmark.
Mineralstoffwechsel
Knochengewebe dient der Speicherung von Mineralsalzen (in erster Linie Calcium), die bei Bedarf wieder freigesetzt werden können, und ist in der Lage, Puffersubstanzen zur Regulierung des pH-Werts im Blut zur Verfügung zu stellen. Ferner kann die Knochensubstanz in gewissem Umfang schädliche Schwermetallionen binden und aus dem Blutstrom eliminieren.
Blutbildung
Das Knochenmark ist etwa ab dem Ende des vierten Embryonalmonats (dem Beginn der medullären Phase) das wichtigste blutbildende Organ des Menschen. Der Ort der Blutbildung (Hämatopoese) ist fast ausschließlich das rote Knochenmark. Während beim Säugling das rote Knochenmark überall im Knochen zu finden ist, konzentriert sich beim Erwachsenen das rote Knochenmark auf die platten und kurzen Knochen.
Klinik
Mit den Erkrankungen bzw. Verletzungen des Skelettsystems und der Knochen befassen sich vor allem die Osteologie, die Orthopädie und die Unfallchirurgie, jedoch spielen Knochenerkrankungen auch in vielen anderen Fachgebieten der Medizin eine Rolle. Zu den wichtigsten Erkrankungen gehören unter anderem:
- Traumen: Fraktur
- degenerative Prozesse: Osteoporose
- Stoffwechselstörungen:
- Osteomalazie (Erwachsene)
- Rachitis (Kinder)
Podcast
Bildquelle
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