Baldrian
Synonyme: Valeriana officinalis L., Echter Baldrian, Katzenkraut
Englisch: valerian
Definition
Baldrian, lateinisch Valeriana officinalis, ist eine Arzneipflanze, die zur Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae) gehört. Pharmazeutisch werden die getrockneten unterirdischen Teile (Wurzel, Wurzelstock und Ausläufer) verwendet (Valerianae radix Ph. Eur.). Aus ihnen können Tinkturen, Tees oder Presssaft gewonnen werden. Wegen des sehr starken Geruchs und unangenehmen Geschmacks werden jedoch in aller Regel Trockenextrakte in Filmtabletten oder Kapseln verwendet.
Geschichte
Die Art Valeriana phu wurde in der Antike gegen Frauenleiden, Harnwegsinfekte und Lebererkrankungen eingesetzt, im Mittelalter nutzte man Baldrianarten gegen Gicht und in der Volksmedizin z.B. gegen nervöse Magenkrämpfe, Koliken und Uterusspasmen. Die Nutzung der ausgleichenden und beruhigenden Wirkung der Art Valeriana officinalis L. begann Ende des 18. Jahrhunderts.
Inhaltsstoffe
Als Wirksubstanzen werden in Betracht gezogen:
- 4'-O-β-Glucosyl-9-O-(6"-desoxysaccharosyl)-olivil, ein Lignan, das in vitro an A1-Adenosinrezeptoren bindet
- Valerensäure und Valerenol, die allosterische Modulatoren an GABAA-Rezeptoren wirken und den Chloridstrom verstärken
- Flavonoide oder deren Metaboliten mit Affinität zur Benzodiazepinbindungsstelle des GABAA-Rezeptors
- Sesquiterpene wie β-Bisabolen
- Isovaleriansäure, die für den charakteristischen Geruch verantwortlich ist
- GABA
Weitere Inhaltsstoffe:
- Valepotriate und Baldrinale (nicht stabil und daher in den Zubereitungen nicht oder nur in Spuren enthalten)
- ätherische Öle mit je nach Chemotyp der Pflanze unterschiedlicher Zusammensetzung, z.B. aus Monoterpenen wie Borneol und Kampfer
- Alkaloide: Chatinin und Valerin sollen Sodbrennen und Magenbeschwerden lindern, die als Folge nervös bedingter Übersäuerung auftreten.
- Fettsäuren
Pharmakologie
Baldrian wird als Sedativum, Spasmolytikum, Anxiolytikum oder Aromatikum eingesetzt. Traditionell verwendet man es als Mittel zur Besserung des Befindens bei nervöser Unruhe, Stress oder Schlafstörungen.
Der Großteil der möglichen Effekte von Baldrianpräparaten wird einzelnen Inhaltsstoffen zugeschrieben, die an GABAA-Rezeptoren oder A1-Adenosinrezeptoren binden.[1] Da der Baldrianwurzelextrakt jedoch ein Stoffgemisch mehrerer pharmakologisch aktiver Substanzen darstellt, ist es wahrscheinlich, dass der Gesamtextrakt und nicht ein einzelner Inhaltsstoff für die mögliche Wirkung verantwortlich ist. Der genaue Wirkmechanismus und die Wirksamkeit sind in der Literatur jedoch umstritten. Verschiedene Studien zeigten unterschiedliche Ergebnisse. In veröffentlichten Metaanalysen wurde eine mögliche Verbesserung der Schlafqualität durch die Behandlung mit Baldrianpräparaten beschrieben, gleichzeitig wurde jedoch das häufige Vorliegen methodischer Fehler der ausgewerteten Studien betont.[2][3]
Entsprechend der Beurteilung der rezenten Studienlage durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), scheint Baldrian den Schlaf leicht zu verbessern. Die Wirkung wird dabei nach einer zwei- bis vierwöchigen Behandlung erreicht und scheint nur bei pathologischen Schlafzuständen einzusetzen, jedoch nicht bei gesunden Patienten.[4]
Zur Verbesserung der Wirksamkeit wird Baldrian häufig in Kombination mit anderen entspannenden Heilpflanzen eingesetzt, z.B. Melisse, Passionsblume oder Hopfen.
Für die Anwendung sind zugelassene Baldrian-Arzneimittel aus der Apotheke zu empfehlen, da bei Drogerie-Präparaten Dosierung und pharmazeutische Qualität unzureichend sein können.
Verordnung
Baldrianpräparate sind nicht rezeptpflichtig und in Deutschland nicht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) verordnungsfähig.
Nebenwirkungen
Durch die langjährige Verwendung gelten Baldrianpräparate bekanntermaßen als gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen, die aus der Einnahme resultieren sind:
- Beschwerden des Gastrointestinaltraktes
- Übelkeit und Erbrechen
- Müdigkeit
- Benommenheit
Genaue Hinweise zu möglichen Nebenwirkungen sind dem Beipackzettel des jeweiligen Präparates zu entnehmen.
Hinweise
Empfehlungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zu Baldrianpräparaten sind:
- Baldrianpräparate sollten bei Kindern nur unter ärztlicher Aussicht eingenommen werden.
- In der Schwangerschaft und in der Stillzeit wird Baldrian nicht empfohlen, da keine ausreichenden Daten vorliegen.
- Es besteht die Möglichkeit, dass die Fahrtüchtigkeit nach der Einnahme von Baldrian durch einsetzende Schläfrigkeit und Benommenheit eingeschränkt ist. Betroffene Personen sollten auf das Führen eines Kraftfahrzeuges verzichten.
- Baldrianpräparate sollten nicht in Verbindung mit anderen sedativ-wirkenden Medikamenten eingenommen werden, da es zu Interaktionen und der Verstärkung von Nebenwirkungen kommen kann (z.B. Atemdepression).
- Sofern gravierende psychische Probleme bestehen oder aber Unruhezustände, schwere Schlafstörungen o.ä. vorliegen, sollte zunächst vor der Einnahme eine ärztliche Untersuchung erfolgen.
Quellen
- ↑ Sichardt et al. Modulation of postsynaptic potentials in rat cortical neurons by valerian extracts macerated with different alcohols: involvement of adenosine A1- and GABAA-receptors. Phytother Res. 21(10):932-7. 2007
- ↑ Bent, Stephen et al. “Valerian for sleep: a systematic review and meta-analysis.” The American journal of medicine vol. 119,12 (2006): 1005-12. doi:10.1016/j.amjmed.2006.02.026
- ↑ Leach, Matthew J, and Amy T Page. “Herbal medicine for insomnia: A systematic review and meta-analysis.” Sleep medicine reviews vol. 24 (2015): 1-12. doi:10.1016/j.smrv.2014.12.003
- ↑ Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)