Wender Utah Rating Scale
Definition
Die Wender Utah Rating Scale, kurz WURS, ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen, der bei Erwachsenen retrospektiv Symptome einer kindlichen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) erfasst. Sie dient der Rekonstruktion frühkindlicher Symptomatik als notwendiger Bestandteil der ADHS-Diagnostik im Erwachsenenalter.
Hintergrund
Die WURS wurde von Paul H. Wender und Mitarbeitenden im Rahmen der Utah-ADHS-Forschung entwickelt, da viele Erwachsene mit persistierender ADHS im Kindesalter nicht diagnostiziert wurden und keine Dokumentation ihrer Symptomatik vorliegt. Sie ermöglicht eine standardisierte retrospektive Erhebung und wird im diagnostischen Gesamtkontext aktueller Klassifikationssysteme wie DSM-5 und ICD-11 verwendet.
Aufbau
Die Originalversion umfasst 61 Items, die typische kindliche Verhaltens- und Erlebensmuster erfassen. Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Likert-Skala von 0 („trifft gar nicht zu“) bis 4 („trifft völlig zu“). Neben Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität werden affektive und motivationsbezogene Merkmale erhoben, da das ursprüngliche Wender-Konzept emotionale Dysregulation als zentrales ADHS-Merkmal ansieht.
Im deutschsprachigen Raum ist vor allem die Kurzversion WURS-K mit 25 Items etabliert. Diese enthält jene Items, die in Validierungsstudien die beste Trennschärfe zwischen Personen mit und ohne ADHS gezeigt haben und fokussiert auf zentrale ADHS-typische Merkmalsbereiche.
Interpretation
Die Auswertung erfolgt über die Summation der Itemwerte. Für die WURS-K wird ein Cut-off von ≥ 30 Punkten als Hinweis auf eine wahrscheinliche ADHS im Kindesalter verwendet. Dieser Grenzwert wurde primär in klinischen Stichproben validiert; in populationsbasierten Stichproben können andere Verteilungen auftreten. Die WURS ist ein Screening-Instrument und ersetzt keine klinische Diagnostik mit Anamnese, Fremdanamnese und strukturiertem Interview.
Klinische Einordnung
Die WURS dient ausschließlich der Erfassung der kindlichen Symptomatik und ergänzt Instrumente wie die Adult ADHD Self-Report Scale (ASRS) oder die Conners' Adult ADHD Rating Scales (CAARS), die die aktuelle Symptomatik im Erwachsenenalter abbilden. Sie wird insbesondere eingesetzt, wenn objektive Entwicklungsdaten fehlen, und liegt in mehreren Sprachversionen vor.
Studien zeigen sowohl für die Lang- als auch für die Kurzversion eine hohe interne Konsistenz und eine gute kriteriumsbezogene Validität.
Limitationen
Limitationen ergeben sich aus der retrospektiven Erhebung, insbesondere durch Erinnerungsverzerrungen und mögliche Einflüsse aktueller psychischer Störungen wie Depression oder Angststörungen. Zudem spiegelt die Skala das klassische Utah-Konzept wider, das affektive Symptome stärker wichtet als moderne Klassifikationssysteme.
Quellen
- Ward et al., The Wender Utah Rating Scale: an aid in the retrospective diagnosis of childhood attention deficit hyperactivity disorder, Am J Psychiatry, 1993
- Retz-Junginger et al., Wender Utah Rating Scale (WURS-k) Die deutsche Kurzform zur retrospektiven Erfassung des hyperkinetischen Syndroms bei Erwachsenen, Nervenarzt, 2002